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N A. B Der Osterstreit
 
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Das Zeugnis der Bibel

Die einzige Quelle zur Passion Jesu Christi ist die Bibel, und hier wiederum die vier Evangelien. Kurz nach dem Jahre 70, die jüdisch-christliche Urgemeinde der Apostel hatte Jerusalem bereits verlassen und in Pella im Ostjordanland Asyl gefunden, der zweite Tempel war zerstört und die Zahl der Augenzeugen von Leben und Tod Jesu war stark zusammengeschrumpft, schrieb Markus sein Evangelium. Ihm folgten kurz danach Matthäus und Lukas, die den Bericht des Markus umschrieben und ergänzten. Diese ältesten drei kanonischen Evangelien stimmen in weiten Teilen wortwörtlich überein und werden daher auch häufig als die synoptischen Evangelien bezeichnet. Vermutlich eine Generation stärker entstand das Evangelium des Johannes, das sich grundlegend von seinen Vorläufern unterscheidet[1] Alleinige Absicht aller Evangelisten war es, eine Glaubensbotschaft zu verkünden. Eine historisch-chronologische Schilderung der Abläufe stand nie im Mittelpunkt des Interesses.

Die Berichte der Evangelien [2]

Der Wochentag

In Bezug auf den Wochentag stimmen die vier kanonischen Evangelien grundsätzlich überein: Jesus feierte mit seinen Jüngern in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag das Letzte Abendmahl, es folgten in der Nacht die Verhaftung, das Verhör vor dem Hohen Rat und schliesslich am Freitag früh die Überstellung an die römische Besatzungsmacht. Das Todesurteil wurde unverzüglich vollstreckt und noch vor Sonnenuntergang des Freitags setzte man den Leichnam bei. Am folgenden Sonntag bei Sonnenaufgang fanden die drei Frauen das leere Grab vor.

Die Berichte im einzelnen

So klar und übereinstimmend die biblischen Angaben zur Passion im Hinblick auf die Wochentage auch sind, sobald man versucht einen Zusammenhang mit dem jüdischen Kalender und dem Ablauf des jüdischen Passahfestes herzustellen, ergeben sich einige Widersprüche, die im folgenden kurz skizziert werden sollen.

Markus schreibt (14, 1 -2):

"Und nach zwei Tagen war Ostern und die Tage der süssen Brote. Und die Hohenpriester und die Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn mit List griffen und töteten. Sie sprachen aber: Ja nicht auf dem Fest, dass nicht Aufruhr werde.!"
erat autem pascha et azyma post biduum et quaerebant summi sacerdotes et scribae quomodo eum dolo tenerent et occiderent. dicebant enim non in die festo ne forte tumultus fieret populi

Ähnlich die Stelle bei Matthäus (26,2 - 5).

Luther übersetzt hier das Wort "passah" mit Ostern. Im griechischen und lateinischen Text heisst es "pascha". Welcher Tag ist mit dem Begriff "Fest" gemeint. Der eigentliche Festtag ist der Tag des Mezzotfestes, der 15. Nisan, ein eher ruhiger Tag mit Sabbatruhe. Die Feiern finden vorwiegend im häuslichen Bereich statt. Am Vortag hingegen, dem 14. Nisan, herrscht überall geschäftiges Treiben, vor allem auch in der Tempelgegend. An diesem Tag werden die Opfertiere geschlachtet und die Häuser von den letzten Resten von Sauerteig gereinigt. Somit könnte dieser Tage "Fest" gemeint sein. Schliesslich könnte man auch vermuten, dass mit dem Festtag der 16. Nisan gemeint sei, der Tag, an dem die frisch geschnitten Garben im Tempel gesegnet und Brandopfer dargebracht wurden.

Das Abendmahl

Weiter heisst es bei Markus (14, 12):

"Und am ersten Tag der süsssen Brote, da man das Osterlamm opferte, sprachen seine Jünger zu ihm: Wo willst du, dass wir hin gehen und bereiten, dass du das Osterlamm essest?"
et primo die azymorum quando pascha immolabant dicunt ei discipuli quo vis eamus et paremus tibi ut manduces pascha

Der erste Tag der "süssen Brote", der Azyma, ist nach jüdischem Verständnis der 15. Nisan, der Tag des Mezzotfestes. Der Tag, an dem man das Lamm opferte hingegen ist der Rüsttag zu diesem Fest, der 14. Nisan.

Bei Matthäus (26, 12 )heisst es:

"Aber am ersten Tag der süssen Brote traten die Jünger zu Jesu und sprachen zu ihm: wo willst du, dass wir dir bereiten das Osterlamm zu essen.[

Ähnlich Lukas 22, 1 und 7 - 15:

"Es war aber nahe das Fest der süssen Brote, das da Ostern heisst"
"und es kam nun der Tag der süssen Brote, an welchen man musste opfern das Osterlamm.
Dann berichtet Lukas vom Abendmahl:
"Und er (Jesus) sandte Petrus und Johannes und sprach: Gehet hin und bereitet und das Osterlamm, auf dass wir's essen (parate nobis pascha ut manducemus). ... Und da die Stunde kam setzte er sich nieder und die zwölf Apostel mit ihm. Und er sprach zu ihnen: mich hat herzlich verlangt, dies Osterlamm mit euch zu essen (hoc pascha manducare vobiscum)

Bei Johannes (13, 1 -2) ist nicht mehr von einer Passahfeier die Rede:

"Vor dem Feste aber der Ostern, da Jesus erkannte, dass seine Zeit gekommen war, dass er aus dieser Welt ginge zum Vater: wie er hatte geliebt die Seinen, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende. Und bei dem Abendessen, da schon der Teufel hatte dem Judas, Simons Sohn, dem Ischariot, ins Herz gegeben, dass er ihn verriete.
1ante diem autem festum paschae sciens Iesus quia venit eius hora ut transeat ex hoc mundo ad Patrem cum dilexisset suos qui erant in mundo in finem dilexit eos. et cena facta cum diabolus iam misisset in corde ut traderet eum Iudas Simonis Scariotis

Diese unterschiedlichen Darstelungen führten zu einer Diskussion über den Charakter des Abendmahls, die bis heute andauert. Nach der Darstellung der Synoptiker war es eindeutig ein jüdisches Passahmahl, das immer in der Nacht vom 14. auf den 15. Nisan stattfindet, nach Johannes ein Abschiedsessen (cena), gefeiert in der Nacht, vom 13. zum 14. Nisan. Auffallend ist auch dass entgegen jüdischem Brauch der Tag, an dem das Lamm geopfert wurde, also der 14. Nisan, bereits als erster Tag der Azyma, der süssen Brote bezeichnet wird.

Verhaftung, Kreuzigung und Grablegung

Markus berichtet weiter:

"Und bald am Morgen (nach Abendmahl und Verhaftung) hielten die Hohenpriester einen Rat mit den Ältesten und Schriftgelehrten, dazu der ganze Rat, banden Jesum und führten ihn hinaus und überantworteten ihn dem Pilatus (15, 1)
..... und es war um die dritte Stunde, da sie ihn kreuzigten (15, 25)

Matthäus (27, 45) schreibt:

"Und von der sechsten Stunde an (6. Tagstunde = 12:00 Uhr mittags) war eine Finsternis über das ganze Land bis zur 9. Stunde (15:00 Uhr der Todesstunde).

Ähnlich berichtet Lukas.

Später sagt Markus (15. 42) dann:

" Am Abend, dieweil es der Rüsttag war, welches ist der Vorsabbat ... (fand die Grablegung statt)
et cum iam sero esset factum quia erat parasceve quod est ante sabbatum

Auch über diese Stelle gibt es eine heftige Diskussion. Jeder Freitag kann als Rüsttag für den Sabbat bezeichnet werden, im Zusammenhang mit dem Passahfest ist der Rüsttag jeoch immer der Tag vor Mezzotfest. Manche Theologen betrachten daher die Stelle, "welches ist der Vorsabbat" als späteren Einschub.

Ausführlicher hier Matthäus 27, 57 - 62):

"Am Abend (des Tages der Kreuzigung) kam ein reicher Mann aus Arimathia, der hiess Joseph, .... und Joseph nahm den Leib .... und legte ihn in ein eigenes neues Grab. ... Des anderen Tages, der da folgt auf den Rüsttag, kamen die Hohenpriester und Pharisäer zu Pilatus.
cum sero autem factum esset venit quidam homo dives ab Arimathia nomine Ioseph.... et accepto corpore Ioseph involvit illud sindone munda posuit illud in monumento suo novo ... altera autem die quae est post parasceven convenerunt principes sacerdotum et Pharisaei ad Pilatum

Auch hiernach erfolgten Kreuzigung und Grablegung am Rüsttag (parasceve).

Johannes (19, 14 schreibt:

"Da Pilatus das Wort hörte, führte er Jesum heraus und setzte sich auf den Richtstuhl, ... Es war aber der Rüsttag auf Ostern um die sechste Stunde.
Pilatus ergo cum audisset hos sermones adduxit foras Iesum et sedit pro tribunali in locum qui dicitur Lithostrotus hebraice autem Gabbatha erat autem parasceve paschae hora quasi sexta
Ferner schreibt er (19, 41- 42):
"Es war aber an der Stätte, da er gekreuzigt ward, ein Garten, und im Garten ein neues Grab, in welches niemand je gelegt war. Dahin legten sie Jesum um des Rüsttags willen der Juden, dieweil das Grab nahe lag."
erat autem in loco ubi crucifixus est hortus et in horto monumentum novum in quo nondum quisquam positus erat ibi ergo propter parasceven Iudaeorum quia iuxta erat monumentum posuerunt Iesum
Auferstehung

Bezüglich der Auferstehung schreiben die Evangelisten einhellig, es sei am ersten Tag der Woche, also am Sonntag, bei Sonnenaufgang gewesen, da die Frauen das leere Grab vorfanden. Ein genauerer Zeitpunkt wird nicht genannt.

Die Bedeutung des Wortes Passah

Das Wort Passah bezeichnet bei den Christen allgemein das gesamte Osterfest als Erlösungsfest. Daneben hat dieser Begriff aber noch weitere speziellere Bedeutungen. Einmal steht er für das Passahlamm (im Sinne des Opfers), zum anderen ist es oft Bezeichnung für das Passahmahl, das Sedermahl. Diese doppelte Bedeutung findet sich schon im Alten Testament So heisst es in der Schilderung des Auszugs aus Ägypten: "Und Mose ... sprach: leset aus und nehmet Schafe und schlachtet das Passah." und kurz darauf: "Dies ist die Weise, Passah zu halten, Kein Fremder soll davon essen. .... So aber ein Fremdling bei dir wohnt und dem Herrn das Passah halten will, der beschneide alles, was männlich ist...., denn kein Unbeschnittener soll davon essen." [2. Moses 12, Verse 21, 43, 48] Des weiteren steht im Alten Testament im Zusammenhang mit der Einweihung des Tempels geschrieben: "Und die Kinder der Gefangenschaft hielten Passah am 14. Tag des ersten Monats; denn die Priester und Leviten hatten sie gereinigt wie ein Mann, dass sie alle rein waren, und schlachteten das Passah." [Esra 6, 19 - 20].

Das hebräische "passah" griechisch πασχα geschrieben ist nahezu gleichlautend mit dem griechischen πασχειν in der Bedeutung von erdulden, erleiden. Im Lateinischen wiederum besteht eine Ähnlichkeit von pascha mit passio[3]

Zusammenfassung

Die Darstellung des Ostergeschehens in den Evangelien ist in sich widersprüchlich. Schwierigkeiten bereitet die vielfältige Bedeutung des Wortes "Passah (pascha)", das sowohl das Opfertier wie auch den Festtag bezeichnen kann. Der Ausdruck "Tag des Passah" ist somit nicht eindeutig. Verwirrend auch, dass bei den Christen im Gegensatz zu den Juden der Opfertag, der 14. Nisan, zu den Tagen der ungesäuerten Brote gezählt wird. Gleiches gilt für den "Rüsttag (paraskeve)", der im Zusammenhang mit dem Passahfest wohl immer als der Opfertag und Vorbereitungstag für das Mezzothfest zu verstehen ist. Auch wurde bei den Juden ein Tag mit Sabbatruhe auch einfach als Sabbat bezeichnet, unabhängig davon auf welchen Wochentag er fiel. Die Hauptschwierigkeit liegt jedoch in der Darstellung des Abendmahls. Bei den Synoptikern ist es eindeutig ein Passahmahl, konnte also nur in der Nacht vom 14. auf den 15. Nisan stattgefunden haben, bei Johannes ist ein Abschiedsessen in der Nacht vom 13. auf den 14. dieses Monats.

Seit nahezu zwei Jahrtausenden werden diese Fragen heftig diskutiert, immer wieder gab es Versuche, die divergierenden Aussagen zu harmonisieren. Auch auf dem Konzil von Nikäa, wurde diese Problematik ausführlich diskutiert.[4] Eine befriedigende Antwort konnte nicht gefunden werden. Ein beliebter Ausweg war, den Juden die Schuld zuzuweisen, denn die Evangelien können nicht irren. Sie haben ihren Kalender manipuliert und ihr Passah um einen Tag verschoben. Zusammengefasst wurde dies dann in die bis heute immer wieder zitierte Aussage: " Jesus ass das Osterlamm am wahren Passah, und am Passah der Juden wurde er selbst als Lamm geopfert."

Bei der hier zu diskutierende Frage des Osterstreites ist die Klärung des genauen zeitlichen Ablaufs der Ereignisse nicht von Bedeutung, allenfalls die Frage von Interesse, wie die Berichte der Evangelien interpretiert wurden. In den ersten Jahrhunderten wurde den synoptischen Evangelien eine grössere Bedeutung zugeschrieben als dem Evangelium des Johannes. Man war sich weitgehend darüber einig, dass Jesus in der Nacht zum Freitag das jüdische Passah feierte. Demzufolge war der Freitag selbst, der Tag der Kreuzigung, der 15. Nisan. Dies belegt beispielsweise auch das Schreiben des Proterius an Papst Leo aus dem Jahre 454, in dem dieser, aus dem Prolog der Ostertafel des Patriarchen Theophil zitierend, dem römischen Papst die Grundlagen der Osterfeier und der Osterberechnung erläuterte. Auch Beda Venerabilis geht wie selbstverständlich davon aus, dass der Tag der Kreuzigung der 15. Nisan gewesen sei. Erst ab dem Mittelalter setzte sich die Ansicht durch, dass, dem Evangelium des Johannes folgend, die Kreuzigung am 14. Nisan stattfand. Heute scheint dies weitgehend vorherrschende Meinung zu sein.

Es wird in den folgenden Kapiteln noch darauf einzugehen sein, dass bei der Frage der Grenzen des Ostersonntags verschiedene Wege beschritten wurden. Die einen waren der Ansicht, Ostern sei zu feiern an dem Sonntag, der in die sieben Tage vom 14. Nisan bis 20. Nisan (Luna XIV des biblischen "ersten Monats" bis Luna XX) fällt, so vermutlich die Alexandriner im 3. Jahrhundert und die Iren und Briten bis ins 9. Jahrhundert. Andere wiederum verschoben Ostern um eine Woche, wenn die Luna XIV auf einen Sonntag fällt, feierten also in dem Zeitrahmen Luna XV bis XVI. Für sie musste der Ostersonntag in die Tage der ungesäuerten Brote fallen. Dies ist der kanonische Zyklus von Alexandria, die Grundlage der später allgemein anerkannten Osterbestimmung. In Rom wiederum war der früheste Termin der 16. Nisan, der späteste der 22. Dass Rom hier von Alexandria abwich und Luna XV ablehnte mag auch hierin begründet gewesen sein, dass man auf jeden Fall ein "feiern mit den Juden" vermeiden wollte. Es wäre vollkommen verfehlt, hinter diesen unterschiedlichen Osteransetzungen eine abweichende Interpretation der Evangelien zu vermuten und beispielsweise zu glauben, Rom sei der Chronologie des Johannes gefolgt, der die Kreuzigung auf den 14. und die Auferstehung auf den 16. Nisan legt. Auch in Rom folgte man dar Auffassung, der Todestag sei der 15, Nisan gewesen. Niemals in den Auseinandersetzungen versuchte man, die Evanglien gegeneinander auszuspielen.[5]


Anmerkungen

1 Über die Entstehungszeit der Evangelien gibt es eine durchaus kontroverse Diskussion unter Theologen, auf die hier nicht eingegangen werden kann.
2 Deutscher Text nach der Übersetzung von Luther, lateinischer Text nach der Vulgata. Im Internet finden sich eine Vielzahl digitalisierter Bibeltexte, zum Beispiel Universitätsbibliothek Freiburg:Bibel-Ausgaben oder http://www.bibelwissenschaft.de
3 siehe z. B. Lohse 1953, S. 52-53
4 siehe unten den Abschnitt Das Konzil von Nikäa und besonders den Bericht des Eusebius Über das Osterfest
5 vgl. hierzu auch die Bemerkungen von Schwartz 1905, S. 32 - 33]

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