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N A. B Der Osterstreit
 
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Das Konzil von Nikäa

Nachdem Konstantin im Herbst 324 auch die Herrschaft im Osten erlangt hatte und nunmehr alleiniger Kaiser des Römischen Reiches war, lud er unverzüglich zu einem neuen Konzil nach Nikäa ein. Über 250 Bischöfe folgten dieser Einladung, in späteren Berichten wird häufig von den 318 Vätern des Konzils die Rede sein. Selbst aus Indien und Persien kamen sie angereist. Der Kaiser selbst sorgte sich um einen reibungslosen Ablauf. Er übernahm alle Reisekosten und stellte das kaiserliche Transportwesen zur Verfügung, damit alle schnell und bequem anreisen konnten. Jeder Bischof durfte zwei Begleiter mitnehmen, so dass die Gesamtzahl der Teilnehmer nahe an die Tausend ging. In Nikäa war somit nahezu ein Viertel aller damaligen christlichen Bischöfe versammelt. Fast alle kamen sie aus dem Ostteil des Reiches, aus dem Westen waren nur einige wenige Teilnehmer gekommen. Der bedeutendste von ihnen war Ossius (auch Hosius geschrieben), Bischof von Cordoba, der sich allerdings schon geraume Zeit im Gefolge des Kaisers aufgehalten hatte und der einer der wichtigsten Berater Konstantins in Kirchenfragen gewesen sein dürfte. Ferner erschienen noch je ein Bischof aus Gallien, aus Pannonien, aus Kalabrien und aus Karthago. Der Bischof von Rom liess sich wiederum lediglich durch zwei Priester vertreten. [1] Nach der Eröffnung der Versammlung durch den örtlich zuständigen Bischof Eusebius von Nikomedia, der nahegelegenen Residenzstadt, nicht zu verwechseln mit dem Kirchenhistoriker Eusebius, ergriff der Kaiser selbst das Wort. Auch in den folgenden Wochen sollte er immer wieder die Verhandlungen führen. Ihm ging es um die Einheit der Christen. um Konsens. Hauptthema der Beratungen war die Auseinandersetzung mit der Lehre des Arius, kaum minderwichtig war der Osterstreit.

Die Beschlüsse des Konzils

Die Beschlüsse des Konzils sind zusammengefasst in 20 Canones, Regeln, in deren Einleitung (praefatio) sich der Wortlaut des Glaubensbekenntnisses von Nikäa findet. In diesen Canones wird die Osterfrage nicht erwähnt.[2] Alle Beschlüsse der Synode, auch die zur Osterfrage, wurden von den Vätern eigens unterzeichnet: "So drang ein einheitlicher Glaube durch und für das Osterfest einigten sich alle auf denselben Zeitpunkt. Besiegelt wurden aber auch gleich die gemeinsamen Beschlüsse, nachdem sie aufgezeichnet worden waren, durch die Unterschriften der einzelnen Bischöfe. Danach erklärte der Kaiser, hiermit habe er einen zweiten Sieg über den Feind der Kirche errungen, und er ließ darum Gott zu Ehren ein Siegesfest feiern."[3] . Der genaue Beschluss der Synode in der Osterfrage ist allerdings nicht überliefert. Die Einzelheiten können nur indirekt erschlossen werden.

Die eindruckvollste Schilderung der Verhandlungen über diese Frage, bringt Eusebius, der Kirchenhistoriker und Lobredner des Kaisers, Bischof von Caesarea, in seiner nur teilweise erhalten Schrift "Über das Osterfest"[4] Er schreibt, es habe heftige Streitgespräche über die Osterfrage gegeben. Ein Viertel der anwesenden Kirchenväter, die Bischöfe des Ostens, verteidigten die alten Gewohnheiten, waren also Quartadecimanier. Jene drei Viertel jedoch, die anders dachten, die Bischöfe des Nordens, Südens und Westen, verschanzten sich in Einmütigkeit, stemmten sich gemeinsam gegen die Orientalen und gewannen die schliesslich die Oberhand. Am Ende gaben die Morgenländer nach "und auf diese Weise kam es zu jenem Fest Christi". Die aussage ist eindeutig. Zwar wird den Quartadecimaniern eine "alte Gewohnheit" zugestanden, sie waren nun aber in der Minderheit und hatten sich daher zu beugen, denn Einstimmung wurde verlangt. Ausführlich geht Eusebius dann im weiteren Verlauf seines Berichtes auf die Argumente der Parteien in der Passahfrage ein. Streitpunkt ist die Frage , wie die Evangelien zu verstehen seien, vor allem um die Unterschiede zwischen den Synoptikern und Johannes. Kunstvoll wird versucht, die Darstellungen zu harmonisieren. Nicht die Evangelien irren, vielmehr täuschten sich die Juden, die Mörder des Herrn, von Anfang an bezüglich der Wahrheit.

Sendschreiben des Konzils an die Bischöfe von Ägypten

Des weiteren ist erhalten ein Sendschreiben der Synode an die Bischöfe von Ägypten, in dem die Osterfrage am Rande erwähnt wird. Es wird mitgeteilt, dass in der Osterfrage ein Übereinkommen erzielt worden sei. Alle im Osten, die bisher mit den Juden feierten, würden nun dieses heilige Fest zeitgleich mit den Römer, mit Euch in Ägypten und mit denen begehen, die von Anfang an mit Euch feierten. [5]

Die Sendschreiben des Kaisers

Wichtigste Quelle bezüglich der Osterfrage ist ein Sendschreiben des Kaisers an die christlichen Bischöfe, in dem er die Beschlüsse des Konzils allen, auch denen, die nicht persönlich anwesend sein konnten, mitteilte.[6] Einleitend weist der Kaiser darauf hin, dass auf dem Konzil der einstimmige Beschluß gefaßt worden sei, es sei gut, wenn alle das hochheilige Osterfest überall an einem Tage feierten. Daraus folgt, das Ostern so zu feiern sei, wie es die Berechnung offenbar verlangt. Diese Ermahnung richtet sich diejenigen, die mit den Juden feiern. Nur wenn sie deren Gewohnheit zurückweisen, können die Christen die richtigeren Ordnung, die sie seit dem ersten Tage des Leidens bis zur gegenwärtigen Stunde eingehalten haben, weiterführen und die Beobachtung dieses Gebrauches auch auf die Zukunft ausdehnen. Mit scharfen Worten wendet er sich gegen die Juden: Nichts soll uns also gemein sein mit dem verhassten Volke der Juden! Darum sehen sie auch in dieser Frage nicht die Wahrheit, ja sie feiern sogar, so überaus weit gehen sie in ihrem Irrtum, in ein und demselben Jahre ein zweites Mal das Osterfest. Weshalb also folgen wir diesen, die doch anerkanntermaßen an schrecklichem Irrtum kranken?

"Denn ein zweites Mal Ostern in einem Jahre zu feiern, dies könnten wir doch nicht ertragen." Über diesen Satz ist viel gerätselt worden. Gemeinhin wird er dahingehend interpretiert, dass er sich gegen die Protopaschisten wendet. Sie feiern einmal korrekt im ersten Mondmonat, dann aber, da sie das Äquinoktium nicht beachten, noch einmal im gleichen Jahr, nämlich im 12. Mondmonat. Daraus würde aber folgen, dass sie in manchen Jahren überhaupt nicht Ostern feierten. Man kann den Satz aber auch einfach wörtlich nehmen. In vielen Religionen ist für die korrekte Ausübung einer Pflicht, in diesem Fall für die Teilnahme an der Osterfeier, auch die Einhaltung des richtigen Zeitpunktes von Bedeutung. Manche Christen dürften die unterschiedlichen Osteransetzung verwirrt worden sein. So feierten sie eben, um ganz sicher zu gehen, einmal mit der einen Gemeinde und dann gleich noch einmal mit einer anderen Gemeinde.

Der Brief des Kaisers schliesst mit der Bemerkung: "Um also die Hauptsache kurz zusammenzufassen: Durch das einstimmige Urteil aller ist beschlossen worden, das hochheilige Osterfest an ein und demselben Tage zu feiern; denn nicht ziemt es sich, dass bei einer so heiligen Feier eine Verschiedenheit herrsche, und besser ist es, jener Meinung zu folgen, der fremder Irrtum und fremde Gottlosigkeit nicht beigemischt ist."

Zusammenfassung

An dem Konzil von Nikäa nahmen über 300 Bischöfe teil, rund ein Fünftel aller Bischöfe. Nahezu alle stammten aus dem Ostreich, nur fünf aus dem Westen, unter ihnen Bischof Ossius aus Cordoba, der bereits seit geraumer Zeit am Hofe des Kaisers weilte und einer seiner wichtigsten Beraten in kirchlichen Angelegenheiten gewesen sein durfte.

Es ging auf dem Konzil um die Einheit der Kirche. Der Osterstreit spielte hierbei eine wichtige Rolle. In den Akten des Konzils finden sich allerdings keine Hinweise auf die in Bezug auf die Osterfrage gefassten Beschlüsse. Die wichtigsten Quellen hierfür sind daher der Bericht des Eusebius "Über das Osterfest" und das ebenfalls von Eusebius überlieferte Sendschreiben des Kaisers, in dem er alle über das Konzil informierte. Daraus und aus der späteren Praxis ergibt sich das folgende Bild:

Einstimmig wurde beschlossen, dass alle Christen Ostern am gleichen Tag feiern sollen. Dieser Tag ist von den Christen selbst zu berechnen und zu bestimmen. Mit scharfen Worten wenden sich Kaiser und Bischöfe gegen die Juden und somit auch gegen all die Christen, die sich in der Osterfeier nach den Juden richten.

Dies richtete sich einmal gegen die Quartadecimanier, die Ostern unabhängig vom Wochentag zeitgleich mit dem jüdischen Passahmahl in der Nacht vom 14. auf den 15. Nisan feierten, Es wurde daher durch Mehrheitsbeschluss festgelegt, das Ostern immer am Sonntag zu feiern sei. Auch alle anwesenden Anhänger der quartadecimanischen Feier, rund ein Viertel der Patres, sollen dem zugestimmt haben. Die Praxis allerdings zeigt, dass weiterhin viele Gemeinden, vor allem in Syrien und Palästina noch Jahrhunderte lang Ostern in der Nacht vom 14. auf den 15. Tag des Ostermonats feierten, ohne auf den Wochentag Rücksicht zu nehmen.

Ein weiteres Ärgernis für das Konzils waren die Christen, die in enger Gemeinschaft mit der Synagoge lebten und die sich in der Osterfrage nach der jeweiligen jüdischen Gemeinde richteten. Es wurde daher verlangt, dass die Christen das Passah selbständig berechnen, ausgehend von den Vorschriften des Alten Testaments. Das immer wiederholte Verbot der Feier "mit den Juden" kann also in zweifacher Hinsicht interpretiert werden, zum einen als das Verbot der quartadecimanischen Osterfeier, zum andern als die Forderung, den Termin des Passahtages unabhängig von der Synagoge zu bestimmen

Das Konzil einigte sich auf den kleinsten gemeinschaftlichen Nenner, auf die Forderung, Ostern müsse von allen am gleichen Tag begangen werden und man dürfe nicht mit den Juden feiern. Die Frage, wie der Passahtag zu bestimmen sei, wurde nicht angesprochen. Es kann ausgeschlossen werden, dass die Väter des Konzil darüber diskutierten, ob ein Zyklus von 84 oder einer von 19 Jahren den Mondlauf genauer widerspiegele, auf welchen Tag das Äquinoktium falle und wann die Sonne in das Zeichen des Widders eintrete. Dazu fehlte ihnen ganz einfach die Sachkenntnis. Sie alle waren fromme und gelehrte Männer, die die Bibel und die Schriften der Kirchenväter kannten, in Astronomie und Mathematik waren sie wohl weniger bewandert. Auch hatten weder Rom noch Alexandria ein Interesse daran, dass diese technischen Details auf dem Konzil kontrovers besprochen und dadurch die geringfügigen Differenzen in den Osterrechnungen sichtbar wurden. Sie demonstrierten Einigkeit in allen Bereichen, in der Frage des Arius und in der Osterfrage, die soweit ging, dass schon die Frage aufgeworfen wurde, ob Alexandria nicht eine Tochtergemeinde Roms gewesen sei.[7]

Von Anfang an dürften die Alexandriner eine gewisse Vorrangstellung bei der Berechnung des Osterdatums gehabt haben. Nach Absprache mit Rom verkündete dann Alexandria im Osten und Rom im Westen das Datum. Dieser Ansicht war auch Papst Leo, wie sein Schreiben an den Kaiser vom 15. Juli 453 zeigt. Darin beschwert sich Leo heftig über die alexandrinische Osteransetzung für das Jahr 455, weist eingangs des Schreibens aber ausdrücklich darauf hin, dass die Heiligen Väter (von Nikäa) beschlossen hätten, diese ganze Angelegenheit (der Osterbestimmung) dem Bischof von Alexandria zu übertragen, da bei den Ägyptern eine uralte Erfahrung in dieser Berechnung bestünde.[8]

Rom und Alexandria bemühten sich sichtlich um einheitliche Ostern für alle Christen. Während man in Rom unverändert bei der supputatio romana blieb, gab es in Alexandria eine Weiterentwicklung. Die dem Kaiser gewidmete Ostertafel des Theophilus machte aus der für die Patriarchen nicht verbindlichen Ostertabelle einen nicht mehr veränderbaren Kanon, gleichzeitig wurde die Osterrechnung in eine allgemeine Weltchronologie eingebunden, wurden die Schöpfung und die Auferstehung in einen gemeinsamen Zeitrahmen gestellt, Aus einer einfachen Ostertafel entwickelte sich der alexandrinische Computus. Immer wieder berief man sich dabei in Alexandria darauf, dass man sich voll an die Beschlüsse der Väter von Nikäa halte. Als Dionysius Exiguus im Jahr 525 im Zusammenhang mit seiner Übertragung eines alexandrinischen Ostertabelle auch diese Argumentation der Ägypter anführte, brachte ihm dies den Schimpf vieler moderner Wissenschaftler ein, worauf im Kapitel über Dionysius Exiguus noch einzugehen sein wird.

So entstand die Meinung, das Konzil von Nikäa habe verbindliche Regeln zu Berechnung des Osterdatums beschlossen, habe vor allem das Äquinoktium auf den 21. März gelegt und den 19jährigen Zyklus Alexandrias vorgeschrieben. Dass dem so nicht war zeigen allein die Jahrzehnte und Jahrhunderte langen Auseinandersetzung um das richtige Datum, die im folgenden gezeigt werden sollen. Der Auftrag der nicänischen Väter beweist, dass nicht irgend eine Berechnungsweise - etwa die alexandrinische - vom Konzil auf Grund einer eingehenden Prüfung anerkannt und deren Anwendung allgemein vorgeschrieben wurde. Denn dann wäre ein solcher Auftrag höchst überflüssig gewesen, da jede Kirche ohne Mühe den richtigen Termin selbst hätte fixieren können. Andererseits liegt aber darin eine hohe Achtungserklärung der Väter vor der alexandrinischen Wissenschaft. Offenbar hielten sie auf Grund der


Anmerkungen

1 Eusebius berichtet ausführlich: Vita Konst. III, 6 ff. [Internetlink] siehe auch Lietzmann III, 104
2 Dionysius Exiguus hat die Canones im griechischen Urtext und in lateinischer Übersetzung herausgegeben: Dionysius Exiguus, Codex Canonum ecclesiae universae, in MPL, Bd. 97, Sp. 39 ff.[Internetlink]
Etwas anders die Darstellung bei Rufinus: Rufinus Aquileiensis, In Suam Et Eusebii Caesariensis Latinam Ab Eo Factam Historiam, in MPL, Bd. XXI, Sp. 461 ff.: [Internetlink]
Englische Übersetzungen z.B. bei Newadvent Internetlink oder bei Papal Encyclicals Online Internetlink.
3 In seiner Vita Constantini weist Eusebius ausdrücklich darauf hin [Internetlink].
4 August Strobel hat die entsprechenden Kapitel ins Deutsche übersetzt: [zur deutschen Übersetzung]
5 Siehe die englische Übersetzung der Kirchengeschichte von Socrates Scholastikus. Schreiben an die Kirche von Alexandria: "We have also gratifying intelligence to communicate to you relative to unity of judgment on the subject of the most holy feast of Easter: for this point also has been happily settled through your prayers; so that all the brethren in the East who have heretofore kept this festival when the Jews did, will henceforth conform to the Romans and to us, and to all who from the earliest time have observed our period of celebrating Easter." Internetlink. Eine weitere Übersetzung bei bei Newadvent [Internetlink]
6 Überliefert von Eusebius, Vita const. III, 17 ff. [Internetlink]
7 "Fügen wir hinzu, dass nicht nur Bischof Dionysius von Alexandria, sondern auch mehrere seiner Nachfolger, und zwar gerade die bedeutendsten, Athanasius und Kyrill, sich in einer uns zunächst verblüffenden Weise Rom unterordnen und dadurch sehr in Gegensatz treten zu der traditionellen Haltung der anderen Kirchenfürsten des Ostens, so wird uns der Schluss nahegelegt, dass Alexandria von Rom aus als Tochtergemeinde gegründet und mit bischöflicher Autorität begabt ist." Litzmann (1937), Bd. II, 57
8 "Studuerunt quidem sancti patres occasionem huius erroris auferre, omnem hanc curam Alexandrino antitesti delegantes, quoniam apud Aegyptios huius supputationis antiquitus traditia videbatur esse peritia, per quem quodannis dies praedictae sollemnitatis sedi apostolicae indicaretur, cuius scribtis ad longinquiores ecclesias indicium generale percurreret." Epistola Papas Leonis ad Marcianum Imperatorem

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