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N A. B Der Osterstreit
 
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Ostern 455

Im Streit um das Osterfest des Jahres 444 hatte Rom zurückstecken müssen. Für das Jahr 455 drohte noch grösseres Unheil[1].

Die alexandrinischen Ostertafeln setzten den Ostersonntag auf den 24. April, ein Datum, das für Rom unannehmbar schien. Schon am 24. Juni 451 wandte sich Papst Leo wieder wie knapp zehn Jahre zuvor an Pascasinus, Bischof von Lillybaeum, mit der Bitte, ihm bei der Festlegung des Osterdatums behilflich zu sein. Damals hatte Pascasinus ja geschrieben, der 22. und 23. April seien noch zu akzeptieren, da zumindest der Karfreitag noch innerhalb der römischen Ostergrenzen liege. Welche Ansicht Pascasinus diesmal vertrat ist nicht bekannt, sein Antwortschreiben ist nicht erhalten, allerdings dürfte sie für Leo nicht zufriedenstellend ausgefallen sein. Nun musste er sich direkt an den Patriarchen von Alexandria wenden. Auch dieser Brief ist verschollen, Leo hat aber offensichtlich der Vermutung Ausdruck gegeben, dass vielleicht ein Fehler eines Abschreibers Ursache dieses unmöglichen Osterdatums sein könne. Gleichzeitig wandte es sich auch direkt an Kaiser Marcian in Konstantinopel. Das Konzil von Chalkedon war abgeschlossen. Dort hatte Alexandria einen Machtverlust zugunsten Konstantinopels hinnehmen müssen. Auch Marcian war einem Übergewicht Alexandrias entgegengetreten. Leo konnte sich also Hoffnung machen, der Kaiser werde sich für ihn einsetzen. Am 15. Juni 453 wurde dem Kaiser ein Schreiben des Papstes überbracht, in dem dieser Marcian beschwor, seinen Einfluss geltend zu machen, damit die Ägypter oder andere, die in der Osterberechnung erfahren sein, die Bedenken Roms lösen und die Feier des Jahres 455 überall an dem Tag stattfinden könne, der die vorgeschriebenen Gesetze nicht überschreite. Ferner bat er den Kaiser, ihm unverzüglich alles mitzuteilen, was er in dieser Frage in Erfahrung bringen könne.[2] Am gleichen Tag sandte Leo einen Brief an Bischof Julian von Cos, der in Konstantinopel als eine Art Nuntius der römischen Kurie fungierte. Hier wird er deutlicher: Er wolle nicht mehr von den Alexandrinern belehrt werden. Der Kaiser solle seine Autorität einbringen und die Orientalen zum Anschluss an Rom zwingen. Julian wurde gebeten, dies dem Kaiser persönlich ans Herz zu legen und auch um eine baldige Antwort bitten. Kaiser Marcian hatte aber offensichtlich nicht die Absicht, sich in diesem Streit stärker zu engagieren. Am 9. Januar 454 erhielt Papst Leo die Mitteilung, der Kaiser habe die Angelegenheit nach Alexandria weitergegeben. Unverzüglich erhielt Julian von Cos noch einmal den Auftrag, auf den Kaiser einzuwirken. Zwei weitere Monate verstrichen jedoch, ohne dass etwas geschah. Die Zeit drängte nun. Es war der Termin gekommen, da von Rom aus das Osterdatum des Folgejahres den Bischöfen in der Diaspora bekanntgegeben werden musste. Leo befand sich in einer schwierigen Lage. Verkündigte er den 17. April, nahm er eine Kirchenspaltung in Kauf, akzeptierte er den 24. April der Alexandriner konnte man ihm vorwerfen, leichtfertig sich über uralte römische Gebote hinweggesetzt zu haben. So wandte er sich am 10. März 454 ein weiteres Mal an Bischof Julian und schrieb ihm, er solle beim Kaiser vorstellig werden, damit die Antwort der Alexandriner unverzüglich an ihn weitergeleitet werde. Oster 454 verstrich, ohne dass den Pilgern in Rom wie üblich das Datum des nächsten Osterfestes mit auf den Heimweg gegeben werden konnte. Zwar war dem Papst inzwischen von Kaiser Marcian mitgeteilt worden, er habe in der angemahnten Sache einen Vertreter nach Alexandria geschickt und werde das Antwortschreiben von Alexandria unverzüglich an ihn weiterleiten, dennoch bat Leo mit Schreiben vom 15. April ein weiteres Mal den Kaiser um Eile.

Endlich ging Mitte Mai das langersehnte Schreiben des Proterius, Patriarch von Alexandria, bei Papst Leo ein.[3] Proterius sagt, er habe die Ostertafeln des Theophilus eingehend studiert. An ihrer Richtigkeit bestünden keinerlei Zweifel. Die Vermutung, der Ansetzung des Osterdatums für das Jahr 455 liege ein Schreibfehler zugrunde, weist er entschieden zurück. Das einzig richtige Datum sei der 24. April (29. Pharmuthi, viii kl. mai). Dann kommt der entscheidende Satz: "Wir, ganz Ägypten und der ganze Orient werden es so feiern." Dann erläutert Proterius noch sehr ausführlich die alexandrinische Osterrechnung, damit nicht der Schein entstünde, er wolle seine eigene Meinung als absolut hinstellen und damit der römische Bischof ersehe, wie unrecht er habe, die Wahrheit der alexandrinischen Kirche zu tadeln, welche die Mutter derartiger Studien sei. Zuerst weist er auf das mosaische Gesetz hin, nach welchem das Passahfest im ersten Monat und an der Luna XIV gefeiert werden solle. Dann sagt er weiter, wir Christen beachten nicht nur, wie die Juden, die Luna XIV, sondern auch den Tag der Auferstehung, die Luna XVII. Wenn der Vollmond immer wie in dem Jahr der Passion des Herrn auf einen Donnerstag träfe, könne gar kein Zweifel über den Ostersonntag bestehen. Dieser würde dann immer auf Luna XVII fallen. Zuweilen aber geschähe es, dass der Vollmond auf einen Sonntag fällt. Dann muss das Osterfest um eine Woche verschoben werden. Dieser Fall liege nun im Jahr 455 vor. So habe man es schon immer gehalten.[4]

Diese Beweisführung konnte Leo nicht überzeugen. Nach der alten Supputatio fiel im Jahr 455 die Luna XIV auf den 15. März. Nun hatte Rom schon seit Nikäa Ostern immer dann verschoben, wenn es auf ein Datum vor dem 22. März gefallen wäre. Nach dem Osterstreit von 444 tauchte in Rom eine neue Ostertabelle auf, die dies berücksichtigte. Dieser korrigierten römischen Berechnung zufolge fiel 455 die Luna XIV auf den 15. April, richtig wäre daher der 17. April als Ostersonntag gewesen. Aber der Patriarch von Alexandria hatte dem Papst keinen Spielraum mehr gelassen. Leo musste nachgeben, wollte er kein Schisma riskieren. Bereits am 29. Mai 454 bedankte er sich bei Kaiser Marcian für seinen Einsatz und teilte ihm mit, dass er – allerdings nur um der Einheit der Kirche willen – der alexandrinischen Osteransetzung für das Jahr 455 zustimme.

Der gesamte Briefwechsel ist wie erwähnt erhalten und wurde auch veröffentlicht. Von dem Schreiben des Proterius fertigte im Jahr 525 Dionysius Exiguus im Zusammenhang mit der Anfertigung seiner Ostertabelle eine neue Übersetzung, die mehrfach abgeschrieben wurde. Sie bildete eine der wichtigstes Quellen für die alexandrinische Osterberechnung im Westen.


Anmerkungen

1 Eine eingehende Schilderung des Streites bei Krusch (1880), S. 129 ff. Im Anhang hat Krusch auch den Schriftwechsel zu diesem Streit, soweit erhalten, edidiert. Die folgende Darstellung folgt weitgehend Krusch.
2 siehe: Epistola Papas Leonis ad Marcianum Imperatorem
3 siehe: Epistola Proterii ad Leonem papam
4 Zitiert nach Krusch (1880), S. 135/6

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