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N A. B | Der Osterstreit | ||||
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Im Jahr 440 war Leo, dem die Nachwelt später den Beinamen "der Grosse" verlieh, Bischof von Rom geworden. In sein Episkopat fielen zwei wichtige Auseinandersetzungen in der Osterfrage, die die Osteransetzung der Jahre 444 und 455 betrafen. Alexandria war unter Theophil und dessen Nachfolger Cyrill immer selbstbewusster geworden und schon lange nicht mehr bereit, von seinem Osterzyklus abzuweichen und den Ostertermin Rom zuliebe zu verschieben. Andererseits traten die Schwächen der alten römischen Osterrechnung immer deutlicher zutage. Schon in den Jahren vor Nikäa hatte Rom immer dann seinen Ostertermin verschoben, wenn er vor den 22. März gefallen wäre. Inzwischen war dies zu einer festen Regel geworden. An der Ostergrenze 21. April wollte man aber ebenfalls unbedingt festhalten. Diese Vorstellungen kann kein Zyklus der Welt miteinander vereinbaren. In den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten war Rom immer machtbewusster geworden und strebte eine führende Stellung an. Alexandria hingegen hatte viel von seinem Einfluss an die Reichshauptstadt Konstantinopel abgeben müssen, sein Vorrang in der Osterberechnung und wurde jedoch von niemandem, auch von Rom nicht, bestritten. Die Frage, wer sich durchsetzt, Rom mit seiner bis auf Petrus zurückgeführten Tradition oder Alexandria mit seinen allgemein als korrekt anerkannten Berechnungen, war zu einer Machtfrage geworden. Das Konzil von Nikäa hatte mit Zustimmung aller beschlossen, dass die Christen Ostern an ein und demselben Tag feiern sollen. Hiergegen zu verstossen, nur weil es Unterschiede in Tabellen gab, hätte zu einem Schisma zwischen Rom auf der einen und Alexandria und Konstantinopel auf der anderen Seite führen müssen. Leo war sich darüber im klaren, dass eine Eskalation des Osterstreites leicht eine Spaltung der Kirche hätte bewirken können.
Schon kurz nach seinem Amtsantritt musste sich Leo ein erstes Mal mit der Osterfrage beschäftigen[1]. Die alexandrinischen Tabellen setzten im Jahr 444 die Luna XIV auf Dienstag den 18. April, Ostern demzufolge auf den 23. März. Die supputatio romana setzte die Luna XIV auf Freitag den 17. März, Ostern auf den 19. März bei Luna XVI. Diesen Termin hätte man leicht um eine Woche verschieben können, dass Ostern dann die eigentlich unzulässige Luna XXII, hätte man vertuscht, Präzedenzfälle gab es. Der 23. April war jedenfalls für Rom nicht annehmbar.
Frühzeitig setzte sich Leo brieflich mit Cyrill, den Neffen und Nachfolger des Theodosius, Patriarch von Alexandria in den Jahren 412 - 444, in Verbindung. Weder der Brief Leos noch die Antwort des Patriarchen sind erhalten, es ist jedoch klar, dass dieser keinen Grund sah, von seinem Termin abzuweichen. Daraufhin wandte sich im Jahre 442 Leo an Pascasinus, Bischof von Lillybaeum, gelegen an der Westküste von Sizilien, und bat ihn, die richtige Osteransetzung für 444 mitzuteilen. Lillybaeum war damals als Sitz bedeutender Astronomen und Mathematiker bekannt, und Pascasinus galt wohl sowohl in der abendländischen wie auch der orientalischen Osterrechnung als erfahren. Nach eingehender Überprüfung der Angelegenheit antwortete Pascasinus im Jahre 443 in einem ausführlichen Schreiben.[2] Er stellte fest, dass nach der Romana supputatio im folgenden Jahr (444) Ostern auf den 26. März bei Luna XXI falle. Diesen Termin hatte offensichtlich Leo Alexandria vorgeschlagen[3]. Pascasinus hatte erhebliche Einwände dagegen und sprach sich für die Berechnung der Ägypter und somit für den 23. April bei Luna XIX aus. Dann erläuterte er ausführlich das System der Schaltungen im Mondjahr. Das Jahr 444 sei nach dem 19jährigen Zyklus ein Schaltjahr, daher sei die spätere Luna XIV am 18. April zu nehmen. Würde man, der römischen Auffassung folgend 444 zu einem Gemeinjahr machen, würde die gesamte Berechnung der folgenden Jahre in Unordnung geraten. Schliesslich versuchte Pascasinus, den Römern die Annahme des 23. Aprils durch den Hinweis zu erleichtern, dass zumindest der Tag der Passio, der Karfreitag, innerhalb der römischen Ostergrenzen liege.
Nach diesem Gutachten des Pascasinus hatte Leo kaum mehr eine Wahl, er verkündete notgedrungen den 23. April als Ostertermin. Ein Problem konnte der Papst lösen: Karfreitag am Tag der Stadtgründungsfeier. Die Kirche war nicht mehr unterdrückt wie in den Anfangszeiten, nun hatte sie die Macht. Die Zirkusspiele an diesem Tag wurden verboten.[4]
Der Brief des Pascasinus war brisant, aus ihm hätte man folgern können, dass Ostern einzig nach den Regeln der Alexandrinern zu bestimmen sei. Er verschwand im Archiv der Kurie und wurde lange Zeit geheimgehalten. Erst Dionysius Exiguus durfte ihn 525 unter gänzlich anderen Umständen veröffentlichen
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