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N A. B Der Osterstreit
 
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Der Beginn des Osterstreites

In der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts gab es vor allem zwei Arten der Osterfeier, die zwar nicht identisch waren, sich aber in ihrem Ablauf weitgehend ähnelten. Während im Orient die Quartadecimanier stark vertreten waren, kannte man im Westen fast nur die Sonntagsfeier. Bei beiden wurden die Termine anfangs in Abhängigkeit vom örtlichen jüdischen Kalender festgelegt. Noch zu Zeiten des Konzils von Nikäa spotteten Juden darüber, dass die Christen den Termin für ihre Osterfeier in der Synagoge erfragen mussten.[1] Die Bischöfe informierten sich gegenseitig durch Sendschreiben über das Datum der nächsten Osterfeier. Auch fanden von Anfang an immer wieder Synoden statt, auf denen strittige Punkte, darunter auch die Osterfrage, besprochen wurden. Die dort erzielten Absprachen hatten meist nur regionale Bedeutung.

Eine besondere Stellung nahm die Hauptstadt Rom ein. Rom war ein Schmelztiegel des gesamten Reichen, unterschiedliche Rassen und Ethnien aus allen Regionen des Reiches kamen in dieser Stadt zusammen Die Einwohnerzahl wird auf über eine Million geschätzt, allerdings schwanken die Zahlen je nach Quelle von 800.000 bis 1.400.000. Wenn man annimmt, das rund 5 Prozent der Bevölkerung Roms damals Christen waren, was durchaus realistisch ist, kommt man auf rund 50.000. Sie waren auf unterschiedliche Gemeinden aufgeteilt und über das gesamte Gebiet der Stadt verteilt, wie auch archäologische Ausgraben christlicher Grabstätten zeigen. Eine einheitlich straff organisierte Gemeinschaft hätten die römischen Sicherheitsbehörden nie zugelassen. Die meisten Gemeinden waren griechischsprachig, der Kontakt zu ihrer ursprünglichen Heimat dürfte bei vielen römischen Christen noch bestanden haben. So spiegelten die christliche Gemeinden Roms auf kleinem Raum die Verschiedenheit der christlichen Anschauungen. [2] Das Gemeinsame überwog jedoch, alle Gemeinden hielten die Abendmahlsgemeinschaft.

Um das Jahr 155 reiste der hoch angesehene Polykarp, Bischof von Smyrna, ein Anhänger der quartadecimanischen Osterfeier, zu seinem Amtsbruder Aniket, Vertreter der Sonntagsfeier, nach Rom, um kirchliche Fragen zu besprechen. Worum es im einzelnen ging ist nicht bekannt, nach Eusebius waren es nur Kleinigkeiten, über die man sich rasch einigen konnte. Keine Verständigung gab es in der Osterfrage, jeder beharrte auf seinem Standpunkt. Rom zeigte sich aber trotzdem tolerant, die römischen Quartadecimaner konnten weiterhin Passah nach ihren Grundsätzen feiern, sie blieben in der Kirchengemeinschaft. Aniket und Polykarp feierten gemeinsam die Eucharistie.[3]

Diese Eintracht änderte sich, als im Jahr 180 der machtbewusste Victor zum römischen Bischof gewählt wurde. Er wollte die noch immer noch recht heterogenen Gemeinden Roms unter seiner Leitung straffer zusammenfassen. Dies richtete sich naturgemäss vor allem gegen die Quartadecimanier, denen er mit Exkommunikation drohte. sie weigerten sich und wurden aus der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen. Diese Entscheidung, die Victor offensichtlich den anderen Bischöfen des Reiches schriftlich mitgeteilt hatte, führte dazu, dass in eine Reihe örtlicher Synoden einberufen wurden, die sich mit dieser Angelegenheit auseinandersetzten. Bischof Irenäus von Lyon, der selbst die Sonntagsfeier praktizierte, forderte Victor zur Mässigung auf. Die Unterschiede in der Osterfeier hätten schon immer bestanden, die Quartadecimanier könnten für sich im Gegensatz zu Rom apostolische Tradition in Anspruch nehmen. Es gäbe keinen Grund, sie aus der kirchlichen Gemeinschaft auszuschliessen. Die kleinasiatische Synode protestierte heftig gegen das Vorgehen Roms. In ihrem Auftrag schrieb Polykrates von Ephesus einen Brief an Victor, in dem er die ganze Tradition der quartadecimanischen Feier aufzeigt. Er schliesst mit dem Satz: "Ich lasse ich durch eure Drohungen nicht einschüchtern. Jene nämlich, die grösser sind als ich, haben gesagt: man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen."[4]

Victor hatte versucht, die Quartadecimanier aus der Abendmahlsgemeinschft auszuschliessen. Für Rom ist ihm dies gelungen. Die dort entstandenen Sonderkirche konnte sich nicht lange halten. In den anderen Teilen des Reiches hingegen blieben die Quartadecimanier weitgehend unbehelligt. Erst 130 Jahre später sollte das Konzil von Nikäa den Forderungen Victors, alle Quartadecimanier zu exkommunizieren, nachkommen. Bis aber alle Reste dieser frühchristlichen Passahfeier verschwunden waren sollte noch einmal rund 200 Jahre vergehen.


Anmerkungen

1 Kaiser Konstantin erregte sich darüber in seinem Sendschreiben an die Bischöfe im Anschluss an das Konzil von Nikäa. Sie unten Das Konzil von Nikäa
2 vgl. Lohse (1953) S. 57 - 58
3 Dieses Treffen ist überliefert durch einen Brief von Irenäus an Victor im Zusammenhang mit den Streitigkeiten des Jahres 195. Eusebius, KG V, 24 [Internetlink] vergl. zu diesem Brief auch Strobel (1977) S. 31
4 Eusebius KG V, 23- 24 [Internetlink] Siehe auch Lohse (1953) S. 60 und S. 122 - 123


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