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N A. B | Der Osterstreit | ||||
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Das Datum der Osterfeier, sowohl bei den Quartadecimanier wie auch bei denjenigen Christen, die die Sonntagsfeier eingeführt hatten, war abhängig von dem Passah des Alten Testamentes, dem 14. Nisan, dem Tag, da das Opferlamm geschlachtet wurde. Eine eigene Möglichkeit, dieses Datum zu bestimmen, kannten die frühen Christen nicht und so richteten sie sich nach der örtlichen Synagoge, bei der damals noch bestehenden engen Verbindung von Kirche und Synagoge nur naheliegend. Dies galt auch für heidenchristliche Gemeinden, die der Synagoge eher fernstanden, denn diese waren meist noch weniger mit den Regel eines lunisolaren Kalenders vertraut. Einige Gemeinden bestimmten das Datum ihrer Osterfeier sogar ohne Berücksichtigung des Mondlaufs. Die Vielzahl regionaler Kalender, die Unsicherheit, wie nach der heiligen Schrift der Ostertag zu definieren sei und die mangelhaften Kenntnisse über die Prinzipien der Zeitrechnung führten zu einer Fülle voneinander abweichender Osterdaten.
Nach der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 und vor allem auch nach der Niederschlagung des Aufstandes von Bar Kochba 135 geriet der Kalender der Juden in ziemliche Unordnung. In Jerusalem gab es kein Synedrion mehr, keine Boten verkündeten wie früher die Kalenderschaltungen und den Passahtermin. Die Benachrichtigung der entfernten Diaspora war nicht mehr gewährleistet. Jüdische Gemeinden begannen, den Passahtermin auf unterschiedliche Weise zu bestimmen, die meisten beachteten weiterhin das Äquinoktium, in einigen Gemeinden aber fiel der 14. Nisan nicht selten vor den Frühlingsanfang, da der Schaltzyklus nicht korrekt war. So heisst es im Pseudo-Chrysostomos: "Übrigens halten die Juden das Passa nämlich unterschiedslos vor dem Äquinoktium, ausgenommen in dem Fall, dass ein Schaltmonat bevorstand, dann verschoben sie es unfreiwilligerweise hinter das Äquinoktium"[1]. Christen, die sich an diesem jüdischen Passah orientierten, feierten daher Ostern häufig vier Wochen früher als ihre Mitbrüder in anderen Gemeinden. Sie hielten an dieser Praxis auch noch fest, als bereits eigene christliche Ostertabellen vorlagen, und trotz des vom Konzil von Nikäa ausdrücklich erlassenen Verbot konnte sich diese Praxis bis ins fünfte Jahrhundert halten.
Die spätere Verketzerung dieser Gruppen lautete "Protopaschismus", ein Ausdruck, er wohl zurückgeht auf die sogenannte 3. Judenrede des Chrystostomos, gehalten Ende Januar 387, in der der Bischof gegen all diejenigen wetterte, die bei der Bestimmung des Osterfestes weiterhin den Juden folgten.[2]. Der überwiegende Teil der sogenannten Protopaschisten dürfte die Sonntagsfeier praktiziert haben.
In einigen jüdische Gemeinden in der Diaspora hatte man die Rechnungen nach dem Mondjahren vollkommen aufgegeben. Statt dessen nahm denjenigen Monat im Sonnenjahr, den man als Frühlingsmonat ansah und kam zu sehr verschiedenen Ergebnissen. Nach dem lunisolaren babylonischen Kalender der bis weit in das erste nachchristliche Jahrhundert hinein im Osten Verwendung fand, der seleukidischen Ära, entsprach der Nisan dem hellenistischen Artemisios, ihm gingen voran der Dystros (gleich mit dem jüdischen Schebat) und der Xanthikos (gleich dem Adar)[3]. Josephus Flavius hingegen setzt mehrfach den Nisan gleich dem Xanthikos[4]. Die Monatsnamen wurden in die regionalen rein solaren Kalender übernommen, aber es gab sehr unterschiedliche Entsprechungen. Als Beispiel sei nur angeführt, dass in Gaza der Xanthikos dem alexandrinischen Pharmuthi gleichgestzt wurde, also am 27. März begann, in Askalon sogar erst am 26. April, in Kleinasien hingegen dauerte er vom 21. Februar bis zum 23. März, und in Antiochia lief er gleich mit dem julianischen Monat April
In der Provinz Asia wurde der Monat Xanthikos (dort vom 21. Februar bis 23. März) von den Juden als Passahmonat betrachtet[5].
In der Region von Antiochia entsprach wie bereits erwähnt der Xanthikos dem Monat April des julianischen Kalenders, der Dystros dem März. Die dortigen Juden wählten den Dystros zum Frühlingsmonat und feierten Passah am Vollmondtag des März. Ein seltener Zufall – Christen aus Antiochia legten auf dem Konzil von Sardica eine alternative Osterberechnung vor, in der auch die Passahtage der jüdischen Gemeinde verzeichnet waren – belegt dies eindeutig[6].
Einige Christen feierten Ostern am 25. März. Zahlreiche Spekulationen gab es, denen zufolge Christus am 25. März geboren und an eben diesem Tag gestorben oder auferstanden sei, die bekannteste stammt von Hippolyt[7]. Es war so nur folgerichtig, diesen Tag als feststehenden Ostertermin zu nehmen. Andere wiederum betrachteten diesen 25. März (oder 24. März) als Anfang des Frühlingsmonats und feierten Ostern zwei Wochen später, am Sonntag nach dem 7. oder 6. April.
Die Geschichte der frühen Kirche ist gekennzeichnet durch ein heftiges Ringen verschieden Glaubensrichtungen um eine einheitliche christliche Lehre. Man war schnell bei der Hand, von der Mehrheit abweichende Ansichten zu häretisieren und deren Anhänger zu exkommunizieren. Einige dieser zu Sekten erklärten Glaubensgemeinschaften schienen auch in der Osterfrage eigene Wege gegangen zu sein, um auch dadurch ihre Sonderstellung zu dokumentieren. Nach Nikäa hatten die Anhänger der quartadecimanischen Feier kaum eine Alternative als die Sonntagsfeier zu übernehmen oder eine eigene Kirche zu bilden.
Novatian, ein sittenstrenger und gelehrter römischer Presbyter, liess sich im Jahre 251 in Rom zum Gegenbischof wählen. Es kam zum Schisma, Novatian begann, eine eigene Glaubensgemeinschaft aufzubauen. Diese novatianische Kirche genoss zum Teil auch bei ihren Gegnern hohes Ansehen. Ursprünglich begingen die Novitianer wohl ausschliesslich die Sonntagsfeier. Auf dem Konzil von Nikäa waren sie durch ihren Bischof Acesius vertreten. Zwar wurden sie, die sich selbst als Katharoi bezeichneten, als Schismatiker betrachtet, nicht jedoch als Sekte, wie Kanon 8 der Konzilsbeschlüsse zeigt. Bischof Acesius stimmte den Osterbeschlüssen voll zu[8]. Als die Novatianer auch im Osten immer mehr Anhänger fanden, stieg die Anzahl der Gemeinden, die quartadecimanische Ostern feierten. Diese gewannen schliesslich die Oberhand. Im Jahr 370 beschloss eine Synode aller kleinasiatischen Novatianer, dieses quartacecimanische Passa allgemein zu übernehmen[9]. Eine letzte Aufwertung der quartadecimanischen Osterfeier, die jedoch das stetige Vordringen der Sonntagsfeier nicht wirklich aufhalten konnte.
Audian, ein aus Mesoptamien stammender Anachoret, der gegen die Verweltlichung der Grosskirche auftrat, gründete nach seiner Exkommunikation eine eigene Kirche, die bald recht einflussreich wurde. Auch diese Gemeinschaft grenzte sich gegen die Grosskirche durch ein Festhalten an der quartadecimanischen Osterfeier ab.
Die Montanisten, eine um die Mitte des 2. Jahrhunderts in Kleinasien entstandene enthusiastischen Bewegung, gehörten hingegen zur Gruppe derjenigen, die sich allein am Sonnenjahr orientierten. Für sie war der Monat Artemisios, der wie oben gesagt in der seleukidischen Zeitrechnung dem Nisan entsprach und der in der Provinz Asia am 24. März begann, der Ostermonat. Der Tag des Passah fiel bei ihnen somit auf den 14. Artemisios, den 6. April[10].
Die Ringen der Grosskirche um ein einheitliches Osterdatum, ausgetragen in erster Linie von Rom und Alexandria, ist immer auch vor dem Hintergrund dieser kaum zu überblickenden Vielfalt von Osteransetzungen zu sehen.
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