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N A. B Die heiligen Monate der Araber
Gliederung
siehe auch die folgenden Artikel:
Die islamische Zeitrechnung
Der vorislamische Kalender, eine Materialsammlung

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Die Bedeutung der heiligen Monate

Zu Beginn des siebten Jahrhunderts war das Zentrum der arabischen Halbinsel nur dünn besiedelt. Der grössere Teil der dort lebenden Menschen waren Wanderhirten, Beduinen. Ihr kärglicher Besitz waren ihre Tiere, in erster Linie Kamele. Auf der Suche nach Wasserstellen und Weideplätzen durchquerten sie die Wüsten und legten dabei im Jahr mehrere hundert Kilometer zurück. Einige dieser Beduinen, vor allem diejenigen, die auch Schafe und Ziegen züchteten und sich daher am Rande der Steppen aufhielten, waren bereits sesshaft geworden und lebten nicht mehr in Zelten sondern hatten sich Hütten und kleine Häuser gebaut. Grösserer Ansiedlungen wie Mekka und das südöstlich davon gelegene Taif, die grosse Konkurrentin Mekkas. Einige wenige fruchtbare Oasen wie Chaibar oder Medina waren von jüdischen Stämmen besiedelt. In Medina waren die Juden allerdings zu Muhammads Zeiten schon fast in der Minderheit, nachdem irgendwann einmal, vermutlich rund 100 Jahre vor dem Islam, zwei südarabische Stämme zugewandert waren.

Zwar hatte Mekka durch seinen Handel eine gewisse Vormachtstellung erworben, eine übergeordnete staatliche Macht, die Sicherheit und Ordnung in dieser Region hätte gewährleisten können, gab es allerdings nicht. Schutz fand das Individuum nur in seiner Familie, seiner Sippe, seinem Stamm. So wie ein jeder verpflichtet war, bedingungslos für seine Stammesgemeinschaft einzutreten, so gewährleistet diese ihm jederzeit Schutz, unabhängig davon, was vorgefallen sein mag. Zwischen den einzelnen Stämmen herrschte eine permanente blutig ausgetragene Rivalität um Wasserstellen und Weidegründe. Viehdiebstahl, Raubüberfälle, Geiselnahme zur Erpressung von Lösegeld waren an der Tagesordnung. Dies galt nicht etwa als verwerflich sondern im Gegenteil als ehrenvoll und tapfer. In diesem rechtlosen Raum gab es wenige geschützte Bereiche. Die arabische Bezeichnung hierfür ist "haram", was soviel wie "untersagt, verboten sein, heilig, unantastbar" bedeutet. Zum einen wird als "haram" ein heiliger Bezirk um eine Kultstätte bezeichnet, zum anderen auch ein Monate, in dem jegliches Blutvergiessen verboten war.

Vor dem Siegeszug des Islam gab es im näheren und weiteren Umkreis von Mekka eine Vielzahl von Kultstätten. Jede war von einem "heiligen" Bezirk, dem Haram, umgeben, dessen Grenzen durch aufgerichtete Steine eindeutig markiert waren. In ihm durfte kein Blut vergossen werden, nicht einmal Wild erlegt werden. Ausgenommen hiervon waren natürlich die aufwendig gekennzeichneten und geschmückten Opfertiere.

Wichtiger noch als diese geschützten Gebiete waren die geschützten Zeiten. Vier Monate im Jahr galten als "haram", in ihnen waren alle Blutfehden verboten. Es waren dies der Radschab, der das Winterhalbjahr einleitete, sowie drei Monate zu Ende des Winters, der Dhulqada, der Dhulhidscha und der daran anschliessende Monat. In Schaltjahren war dies der Schaltmonat, er wurde einfach al-schahr al haram oder kurz al-muharram genannt, in anderen Jahren der Safar I, der dann den Beinamen al-muharram erhielt. Nach dem Verbot der Schaltungen im Jahre 10 war der Safar I dann immer der al-Muharram, der Safar II wurde nur noch Safar genannt.

 SchaltjahrGemeinjahr
12.: DhulqadaDhulqada
  schahr al-muharram 
1.: erster Safarerster Safar (al-muharram)
2.: zweiter Safarzweiter Safar

Diese geschützten Monate prägten das gesellschaftliche Leben im vorislamischen Arabien. In ihnen konnten nicht nur die Handelskarawanen sicher die Wüsten durchqueren, es war auch die Zeit der Wallfahrten und Jahrmärkte. Um die Kultstätten herum und an den Prozessionswegen gab es Märkte. Glaubt man den Überlieferungen, so ging es manchmal auch ziemlich derb zu. Verkaufshütten und Weinbuden waren aufgestellt, Glücksspiel wurde betrieben und auch die Prostitution soll geblüht haben. Mitglieder aller Stämme kamen angereist, auch Juden und Christen. Man traf sich im Schutze des Gottesfriedens, tauschte Nachrichten aus, knüpfte eheliche Verbindungen zwischen den Stämmen an, schloss neue Schutz- und Schwurbündnisse oder kündigte alte auf. Streitigkeiten konnten beigelegt oder aber auch Ort und Zeit für das nächste Aufeinandertreffen vereinbart werden.

Der Zyklus der heiligen Monate beginnt mit dem Radschab, der das Winterhalbjahr einleitete. Dieser ist vor allen anderen herausgehoben, was seinen Grund darin gehabt haben dürfte, dass er von der Gesamtheit der arabischen Stämmen als geschützt anerkannt wurde, während die übrigen heiligen Monate in erster Linie nur von den Stämmen des Hedschas und der angrenzenden Gebiete respektiert wurden, die in die Kulte dieser Region eingebunden waren. Der Radschab war der Pilgermonat von Mekka. Wenn die glühende Hitze des Sommers nachgelassen hatte und die ersten Regenfälle einsetzen, strömten die Pilger zur Kaaba, um dort die Umra, die Kulthandlungen rund um dieses Haus, zu vollziehen. Reste dieser alten Vorstellung haben sich bis heute erhalten. denn noch immer gilt es als besonders verdienstvoll, im Radschab zur Umra nach Mekka zu pilgern.

Die anderen heiligen Monate lagen zu Ende des Winters. Einige der Kultstätten befanden sich an abgelegenen Orten. Erst nach den Winterregen gab es dort ausreichen Wasser und genug Weidegrund für die vielen Pilger mit ihren Tieren. Diese Pilgerzeit begann Anfang des Dhulqada mit einem dreitägigen Markt an den Wasserstellen zu Badr und der grossen Messe von Ukatz, die sich über Wochen hinzog, und endete mit dem Hadsch, der Wallfahrt von Arafa, in der Mitte des Dhulhidscha. Die Leitung der jeweiligen Wallfahrten lag in den Händen des Stammes, der auf die Kultstätte Anspruch erhob. So war für den Hadsch der Stamme der Tamim verantwortlich, der inzwischen zwar weiter nordöstlich siedelte aber noch alte Ansprüche hatte. Hadsch und Umra waren strikt getrennt. Es galt als Todsünde, während der Zeit des Hadsch die Umra zu verrichten.1 Die Vorrangstellung, die die Quraischiten unter den arabischen Sippen erlangt hatte, zeigte sich auch darin, dass sie das Recht für sich beanspruchten, die Zeiten festzulegen. Zu Ende des Hadsch verkündete der Qalammas, der Würdenträger aus Mekka, der für die Schaltungen zuständig war, den Kalender des folgenden Jahres, gab also feierlich bekannt, ob auf den Dhulhischa ein Schaltmonat folgen solle oder ob der Safar I als geheiligt zu gelten habe.


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Die heiligen Monate im Islam

Im Herbst des Jahres 2 der Hidschra kam es zu einem denkwürdigen Vorfall. Muhammad hatte eine kleine Einheit von ursprünglich zwölf, später dann zehn Muslimen, alles Auswanderer, zusammengestellt und sie in Richtung Mekka geschickt. In einem dem Anführer schriftlich mitgegebenen Befehl, den er erst unterwegs öffnen durfte, hiess es "ziehe nach Nachlah, zwischen Mekka und Taif, und lauere dort den Quraischiten auf, und gib uns Nachricht von ihnen"2 oder: "reise ... bis du ins Tal von Nachla kommst und laure dort der Karawane der Quraischiten auf"3. Bei Nachla, nahe der Grenze zum Haram von Mekka, trafen sie dann wirklich auf eine kleine reich beladene Karawane, nur von vier Treibern begleitet, die im Schutz des heiligen Monats Radschab auf dem Weg vom Jemen nach Mekka war. Mit einer List, einer der Muslime liess sich den Kopf scheren um vorzutäuschen, sie seien Pilger auf der Heimreise, erwarben sie das Vertrauen der Karawanenführer, überfielen sie aber dann. Einer der Treiber wurde getötet, einer konnte fliehen, die beiden anderen wurden zusammen mit der geraubten Karawane nach Medina gebracht. Die Empörung war gross, nicht über den Überfall als solchen, sondern über den Bruch der Heiligkeit des Radschab. Die muslimischen Glaubensbrüder brachen alle Verbindungen zu den Entführern ab, die Juden verfassten Spottgedicht und selbst Muhammad distanzierte sich von ihnen. Aus Mekka kamen entrüstete Proteste. Unterdessen lag die geraubte Karawane mit all ihren schönen Gütern mitten in Medina. Hier half nun eine göttliche Offenbarung: "Euch ist vorgeschrieben gegen die Ungläubigen zu kämpfen, obwohl es euch zuwider ist. Aber vielleicht ist euch etwas zuwider, während es gut für euch ist, und vielleicht liebt ihr etwas, während es schlecht für euch ist. Gott weiss Bescheid, ihr aber nicht. Man fragt dich nach dem heiligen Monat, nämlich danach, ob es in ihm erlaubt ist zu kämpfen. Sag: In ihm kämpfen ist ein schweres Vergehen. Aber seine Mitmenschen vom Weg Gottes abhalten und nicht an ihn glauben und Gläubige von der heiligen Kultstätte Abhalten und deren Anwohner daraus Vertreiben, all das wiegt bei Gott schwerer. Und der Versuch, Gläubige zum Abfall vom Islam zu verführen, wiegt schwerer als Töten." (Sure 2, Vers 216 - 218). Hier wird zwar der Bruch der Heiligkeit des Radschab als schweres Vergehen bezeichnet, viel schwerwiegender aber sei das Verhalten der Mekkaner. Sie haben die Muslime vertrieben, sie verwehren ihnen den Zugang zu ihrer Kultstätte, sie behindern sie in der Ausübung ihres Kultus und versuchen so, sie von ihrem Glauben abzubringen. Gegen diese Unrecht müssen sich die Gläubigen wehren, haben die Pflicht, dagegen anzukämpfen, auch wenn es ihnen zuwider ist. Daher steht das Bemühen auf dem Wege Gottes, der Dschihad, über der ebenfalls von Gott gewollten Unverletzlichkeit des heiligen Monats.

Ein anderes für die Frage der Anerkennung der heiligen Monate durch den Islam wichtiges Ereignis geschah im Jahre 6 der Hidschra. Im Radschab versuchte Muhammad, die Heiligkeit des Monats und die Pilgerströme nach Mekka nutzend, sich den Zugang zur Kaaba zu ertrotzen. Mit einer grösseren Schar von Anhängern, alle nur mit dem Kurzschwert der Pilger bewaffnet, setzte er sich in Marsch, zu pilgern nicht um Krieg zu führen, wie die Quellen betonen.4 In Hudaibiya, an der Grenze zum Haram, versperrten ihnen die Quraischiten den Weg. Es kam zu längeren Verhandlungen, die in den Vertrag von Hudaibiya mündeten. Der Zugang zur Kaaba blieb den Muslimen für dieses Mal verwehrt. Dafür sollten sie ein Jahr später zur Wallfahrt nach Mekka kommen können. Drei Tage wollten die Bewohner von Mekka die Stadt für sie räumen. Dies ging natürlich nicht im Radschab, wenn sich dort Tausende Pilger versammeln. Da es aber ein heiliger Monat sein musste, einigte man sich auf den Dhulqada. Der Dhulhidscha kam wegen der gleichzeitig stattfindenden Hadsch nicht in Frage, da wie erwähnt die Umra während des Hadsch zu begehen als schwere Sünde betrachtet wurde und da zur dieser Zeit viele Pilger durch Mekka zogen. Im Dhulqada hingegen trafen sich alle auf den Jahrmärkten der Regionm Mekka war nahezu menschenleer. Wegen der Zugeständnisse, die Muhammad in Hudaibiya machte, wurde er selbst von seinen engsten Vertrauten schwer kritisiert. In einer in Bezug auf Hudaibiya erfolgten Offenbarung wurden jedoch die getroffenen Vereinbarungen nachträglich gebilligt. Sure 2, Vers 190 - 195 ist nach dem Kommentar von Ibn Abbas geoffenbart worden auf dem Weg nach Mekka während der vertraglich festgelegten Wallfahrt der Mulime im Jahre 7.5 Nach der oben zitierten Offenbarung im Zusammenhang mit Nachla stand der Dschihad in der Werteskala über der Heiligkeit der Monate. Durch den Vertrag von Hudaibiya wurde der Dschihadgedanke scheinbar eingeschränkt. Nun werden die Muslime ermahnt, die Heiligkeit des Monats und des Harams von Mekka zu beachten. Nur Notwehr soll erlaubt sein. Gleichzeitig wird allerdings die allgemeine Gültigkeit des Dschihads noch einmal betont. In diesem Zusammenhang wird auch die Verlegung der Wallfahrt auf den Dhulqada gerechtfertigt: "Der heilige Monat (diene zur Vergeltung) für den heiligen Monat (al-schahr al-haram bi 'l-schahr al-haram)". Der heilige Monat Dhulqada durfte also als Ausgleich für den heiligen Monat Radschab dienen.

An zwei weiteren Stellen des Koran wird der heilige Monat erwähnt: "Ihr Gläubigen! Missachtet nicht die Heiligkeit der Kultsymbole Gottes (w. Erklärt nicht die Kultsymbole Gottes .....für erlaubt), (die Heiligkeit) des heiligen Monats, der (gewöhnlichen) Opfertiere und der Weiheopfertiere (?) und derer, die das heilige Haus (in Mekka) aufsuchen im Verlangen danach, dass ihr Herr ihnen Gunst erweisen und Wohlgefallen (an ihnen) haben möge." (Sure 5, Vers 2)" und: "Gott hat das heilige Haus, die Ka'ba, zum Unterhalt (?) (w. Bestand) für die Menschen gemacht, (ebenso) den heiligen Monat und die (gewöhnlichen) Opfertiere und der Weiheopfertiere (?)." (Sure 2, Vers 97) Hier wird die Unverletzlichkeit des heilige Monats in eine Reihe mit der anderer Kultsymbole wie der Kaaba und der Opfertiere gestellt.

Auf dem ersten Hadsch, an den Muhammad nach der Hidschra teilnahm, der sogenannten Abschiedswallfahrt, verfügte er ein Verbot von Schaltungen im Kalender in Erfüllung der Offenbarung: "Zwölf gilt bei Gott als die richtige Zahl der Monate. Das ist in der Schrift Gottes bereits am Tage, da er Himmel und Erde schuf, festgelegt worden. Davon sind vier heilig. Das ist die richtige Religion. Frevelt nun in ihnen (den vier heiligen Monaten) nicht gegen euch selbst. Und kämpft allesamt gegen die Heiden, so wie sie ihrerseits gegen euch kämpfen. Ihr müsst wissen, dass Gott mit denen ist, die ihn fürchten. Die Verschiebungen (der Kalenderordnung durch einen Schaltmonat) ist ein Übermass an Unglauben. Diejenigen, die an sich schon ungläubig sind, werden dadurch noch mehr irregeführt. Sie erklären den (Monat) Muharram in dem einem Jahr (nämlich in einem Schaltjahr) für profan, in einem anderen (nämlich in einem Normaljahr) für heilig, um der Zahl dessen, was Gott an Monaten für heilig erklärt hat (nämlich vier), gleichzukommen (und nicht etwa fünf Monate für heilig zu erklären), und (um andererseits) für profan zu erklären, was Gott für heilig erklärt hat (nämlich den Muharram). Das Böse, das sie tun, zeigt sich ihnen im schönsten Licht. Gott leitet das Volk der Ungläubigen nicht recht." (Sure 9, Vers 36 -37) Dies ist das erste und einzige Mal, dass im Koran von vier heiligen Monaten die Rede ist. Die Namen werden nicht genannt, in seiner Ansprache an die Pilger, die Muhammad zu Ende des Hadsch hielt, erwähnte er jedoch ausdrücklich den Radschab als einen dieser Monate.6

Einzugehen ist nun noch auf den Anfang von Sure 9, der sogenannten Aufkündigung. An dem Hadsch des Jahres 9 der Hidschra nahmen auch Muslime unter der Führung Abu Bakrs teil. Die Wallfahrt wurde noch nach den alten heidnischen Riten vollzogen. In dieser Zeit erhielt Muhammad eine Offenbarung, die ihm so wichtig war, dass er eilends Ali nachschickte, damit er sie den Pilgern verkünde.7 Im Koran heisst es; "Eine Aufkündigung (des bisherigen Rechtsverhältnisses und Friedenszustandes ... von Seiten Gottes und seines Gesandten an diejenigen, die (dem einen Gott andere Götter) beigesellen, mit denen ihr eine bindende Abmachung eingegangen habt: Ziehet nun vier Monate (unbehelligt) im Lande herum! .... und wenn nun die heiligen Monate abgelaufen sind, dann tötet die Heiden, wo immer ihr sie findet" (Sure 9, Vers 1 und 5 ). Dies ist die endgültige Kündigung dessen, was vom Vertrag von Hudaibiya noch übrig geblieben war, in dem sich Muhammad ja verpflichtet hatte, den bewaffneten Kampf gegen die "Beigeseller", also diejenigen, die neben Gott noch weitere Götter haben, vorübergehend einzustellen. Nun wird ihnen eine letzte Schonfrist von vier Monaten gegeben. Sollten sie sich in dieser Zeit nicht zum Islam bekehren ist der Tod ihnen sicher. Wann genau die gewährte Schonfrist ablaufen sollte, darüber sind sich die Korankommentatoren nicht einig. Die hier genannten heiligen Monat sind also nicht zu verwechseln mit den aus der Zeit vor dem Islam übernommenen vier geschützten Monaten.

Der Charakter der heiligen Monate hat sich durch den Islam verändert. Vor der Hidschra waren sie unantastbar, was gelegentliche Übergriffe nicht ausgeschlossen haben mag. In ihrem Schutz konnte sich eine stammesübergreifende Gemeinschaft der arabischen Stämme bilden. Man traf sich auf Wallfahrten und Jahrmärkten, schloss oder löste Bündnisse, knüpfte Liebschaften und Eheverbindungen und feierte gemeinsam. Mit seiner Auswanderung nach Medina hatte Muhammad die Erlaubnis erhalten, Krieg zu führen. Über der Unantastbarkeit des heiligen Monats stand nun das Bemühen auf dem Wege Gottes. Der Dschihad, von den Muslimen dargestellt als ein Abwehrkampf gegen das ihnen von den Quraischiten in Mekka zugefügte Unrecht, kannte spätestens seit Nachla keine geschützten Zeiten mehr. Dies änderte auch der Waffenstillstand von Hudaibiya nicht. In den Koranversen, die die Zugeständnisse, die Muhammad damals machte, rechtfertigen, wird noch einmal die ganze Skala der Möglichkeiten aufgeführt, von der Zurückhaltung beim Töten bis zum bis zum bedingungslosen Kampf auch unter Bruch des heiligen Monats. Kurze Zeit nach Muhammads Tod war ganz Arabien islamisch. Der Dschihad verlagerte sich in andere Regionen, in denen man keine geschützten Zeiten kannte. Der Koran erwähnt sie zwar noch, aber sie machten keinen rechten Sinn mehr. Die Erinnerung an ihre Bedeutung verblasste. Immer mehr trat der Ramadan als Zeit des Fastens und der Verkündung in den Vordergrund. "Der Ramadan ist der heilige Monat von Muhammads Gnaden, und es war ganz folgerichtig, dass er an die Stelle des heiligen Monats der Heiden gesetzt wurde."8


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Koranzitate

Die im Text zitierten Koranstellen in voller Länge nach der Übersetzung von Rufi Paret:

Sure 2, Vers 216 - 218, verkündet im Schaban des Jahres 2 der Hidschra im Zusammenhang mit dem Überfall von Nachla:

(216) Euch ist vorgeschrieben, (gegen die Ungläubigen) zu kämpfen, obwohl es euch zuwider ist. Aber vielleicht ist euch etwas zuwider, während es gut für euch ist, und vielleicht liebt ihr etwas, während es schlecht für euch ist. Gott weiss Bescheid, ihr aber nicht.
(217) Man fragt dich nach dem heiligen Monat, (nämlich) danach, (ob es erlaubt ist) in ihm zu kämpfen. Sag: In ihm Kämpfen ist ein schweres Vergehen (w. wiegt schwer). Aber (seine Mitmenschen) vom Weg Gottes Abhalten – und nicht an ihn Glauben –, und (Gläubige) von der heiligen Kultstätte (Abhalten), und deren Anwohner daraus Vertreiben, (all das) wiegt bei Gott schwerer. Und der Versuch, (Gläubige zum Abfall vom Islam) zu verführen, wiegt schwerer als Töten. Und sie (d. h. die Ungläubigen) werden nicht aufhören, gegen euch zu kämpfen, bis sie euch von eurer Religion abbringen – wenn sie (es) können. Und diejenigen von euch, die sich (etwa) von ihrer Religion abbringen lassen und (ohne sich wieder bekehrt zu haben) als Ungläubige sterben, deren Werke sind im Diesseits und im Jenseits hinfällig. Sie werden Insassen des Höllenfeuers sein und (ewig) darin weilen. 218 Diejenigen (aber), die glauben, und diejenigen, die ausgewandert sind und um Gottes willen Krieg geführt (w. sich abgemüht) haben, dürfen auf die Barmherzigkeit Gottes hoffen. Gott ist barmherzig und bereit zu vergeben.

Sure 2, Vers 190 - 195, geoffenbart im Schawwal des Jahres 7 der Hidschra, kurz vor oder zu Beginn der Vertragswallfahrt:

(190) Und kämpft um Gottes willen gegen diejenigen, die gegen euch kämpfen! Aber begeht keine Übertretung (indem ihr den Kampf auf unrechtmässige Weise führt)! Gott liebt die nicht, die Übertretungen begehen.
(191) Und tötet sie (d. h. die heidnischen Gegner), wo (immer) ihr sie zu fassen bekommt, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben! Der Versuch (Gläubige zum Abfall vom Islam) zu verführen ist schlimmer als Töten. Jedoch kämpft nicht bei der heiligen Kultstätte (von Mekka) gegen sie, solange sie nicht (ihrerseits) dort gegen euch kämpfen! Aber wenn sie (dort) gegen euch kämpfen, dann tötet sie! Derart ist der Lohn der Ungläubigen. (192) Wenn sie jedoch (mit ihrem gottlosen Treiben) aufhören (und sich bekehren), so ist Gott barmherzig und bereit zu vergeben. (193) Und kämpft gegen sie, bis niemand (mehr) versucht, (Gläubige zum Abfall vom Islam) zu verführen, und bis nur noch Gott verehrt wird! Wenn sie jedoch (mit ihrem gottlosen Treiben) aufhören (und sich bekehren), darf es keine Übertretung geben (d. h. dann sind alle weiteren Übergriffe untersagt), es sei denn gegen die Frevler.
(194) Der heilige Monat (diene zur Vergeltung) für den heiligen Monat! Auch die sacra fallen unter (das Gesetz der) Wiedervergeltung. Wenn nun einer gegen euch Übergriffe begeht (indem er den Landfrieden bricht?), dann zahlt ihm mit gleicher Münze heim! Und fürchtet Gott! Ihr müsst wissen, dass er mit denen ist, die (ihn) fürchten. (195) Und spendet (für den Krieg) um Gottes willen! Und stürzt euch nicht ins Verderben! Und seid rechtschaffen! Gott liebt die Rechtschaffenen.

Sure 9, Vers 36 -37, geoffenbart im Jahre 10 der Hidschra, verkündet auf der Abschiedswallfahrt:

(36) Zwölf gilt bei Gott als die (richtige) Zahl der Monate. (Das ist) in der Schrift Gottes (bereits) am Tag, da er Himmel und Erde schuf (festgelegt worden) (oder: (So ist es) von Gott ... bestimmt (worden)). Davon sind vier heilig. Das ist die richtige Religion. Frevelt nun in ihnen (d. h. in den vier heiligen Monaten) nicht gegen euch selber (indem ihr euch mit Sünde beladet)! Und kämpft allesamt (?) gegen die Heiden, so wie sie (ihrerseits) allesamt (?) gegen euch kämpfen! Ihr müsst wissen, dass Gott mit denen ist, die (ihn) fürchten. (37) Die Verschiebung (der Kalenderordnung durch einen Schaltmonat) ist ein Übermass an Unglauben. Diejenigen, die (an sich schon) ungläubig sind, werden dadurch (noch mehr) irregeführt. Sie erklären ihn (d. h. den Muharram) in einem Jahr (nämlich in einem Schaltjahr) für profan, in einem anderen (nämlich in einem Normaljahr) für heilig, um der Zahl dessen, was Gott (an Monaten) für heilig erklärt hat (nämlich vier), gleichzukommen (und nicht etwa fünf Monate für heilig zu erklären), und (um andererseits) für profan zu erklären, was Gott für heilig erklärt hat (nämlich den Muharram). Das Böse, das sie tun, zeigt sich ihnen im schönsten Licht. Gott leitet das Volk der Ungläubigen nicht recht.

Sure 5, Vers 1 - 2, verkündet in Medina:

(1) Ihr Gläubigen! Erfüllt die Verpflichtungen (die Gott euch auferlegt hat)! (Zum Schlachten) erlaubt ist euch ein jedes (w. das) Stück Vieh, mit Ausnahme dessen, was euch (in der Schrift als verboten) verlesen wird. Jedoch dürft ihr, während ihr euch (bei der Wallfahrt) im Weihezustand befindet, Wild nicht für erlaubt halten. Gott entscheidet, was er will. 2 Ihr Gläubigen! Missachtet nicht die Heiligkeit der Kultsymbole Gottes (w. Erklärt nicht die Kultsymbole Gottes ... für erlaubt), (die Heiligkeit) des heiligen Monats, der (gewöhnlichen?) Opfertiere und der Weihopfertiere (?) und derer, die das heilige Haus (in Mekka) aufsuchen im Verlangen danach, dass ihr Herr ihnen Gunst erweisen und Wohlgefallen (an ihnen) haben möge! – Wenn ihr (den Weihezustand aufgegeben habt und) euch im Profanzustand befindet, könnt ihr (unbedenklich) jagen. – Und der Hass, den ihr gegen (gewisse) Leute hegt, weil sie euch (beim Unternehmen von Hudaibija?) von der heiligen Kultstätte abgehalten haben, soll euch ja nicht dazu bringen (?), dass ihr Übertretungen begeht (und in eurer Rachsucht masslos seid). Helft einander zur Frömmigkeit und Gottesfurcht, aber nicht zur Sünde und Übertretung! Und fürchtet Gott! Er verhängt schwere Strafen.

Sure 5, Vers 97 - 98, verkündet in Medina:

(97) Gott hat die Ka`ba, das heilige Haus, zum Unterhalt (?) (w. Bestand) für die Menschen gemacht, (ebenso) den heiligen Monat und die (gewöhnlichen?) Opfertiere und die Weihopfertiere (?). Dies (geschah?) damit ihr wisset, dass Gott (alles) weiss, was im Himmel und auf der Erde ist, und dass er über alles unterrichtet ist. (98) Ihr müsst wissen, dass Gott schwere Strafen verhängt, dass er aber (auch) barmherzig ist und bereit zu vergeben.

Sure 9, Vers 1 - 5, geoffenbart im Jahre 9 der Hidschra, verkündet von Ali am letzten Tag des Hadsch dieses Jahres:

(1) Eine Aufkündigung (des bisherigen Rechtsverhältnisses und Friedenszustandes) (oder: Eine Schutzerklärung) von seiten Gottes und seines Gesandten (gerichtet) an diejenigen von den Heiden (d. h. von denen, die (dem einen Gott andere Götter) beigesellen), mit denen ihr eine bindende Abmachung eingegangen habt (oder, nach Frants Buhl: (gerichtet an die heidnische Welt, jedoch nicht) an diejenigen von den Heiden, mit denen ihr eine bindende Abmachung eingegangen habt):–
(2) Zieht nun vier Monate (unbehelligt) im Land umher! Ihr müsst aber wissen, dass ihr euch dem Zugriff Gottes nicht werdet entziehen können, und dass Gott die Ungläubigen (früher oder später) zuschanden machen wird –; (3) und eine Aussage von seiten Gottes und seines Gesandten an die Leute (allesamt, veröffentlicht) am Tag der grossen Wallfahrt (des Inhalts), dass Gott und sein Gesandter der Heiden ledig sind (und ihnen für nichts mehr garantieren). – Wenn ihr euch nun bekehrt, ist das besser für euch. Wenn ihr euch aber abwendet (und die Botschaft des Islam weiter ablehnt), müsst ihr wissen, dass ihr euch dem Zugriff Gottes nicht werdet entziehen können. Und verkünde denen, die ungläubig sind, (dass sie dereinst) eine schmerzhafte Strafe (zu erwarten haben)! – (4) Ausgenommen diejenigen von den Heiden, mit denen ihr eine bindende Abmachung eingegangen habt, und die euch hierauf in nichts (von euren vertraglichen Rechten) haben zu kurz kommen lassen und niemanden gegen euch unterstützt haben. Ihnen gegenüber müsst ihr die mit ihnen getroffene Abmachung vollständig einhalten, bis die ihnen zugestandene Frist abgelaufen ist (w. Für sie vollendet ihre Abmachung bis zu ihrer Frist!). Gott liebt die, die (ihn) fürchten. (5) Und wenn nun die heiligen Monate abgelaufen sind, dann tötet die Heiden, wo (immer) ihr sie findet, greift sie, umzingelt sie und lauert ihnen überall auf! Wenn sie sich aber bekehren, das Gebet verrichten und die Almosensteuer geben, dann lasst sie ihres Weges ziehen! Gott ist barmherzig und bereit zu vergeben.


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Fussnoten

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1.: nach einem Hadith, der auf Ibn Abbas zurückgeführt wird. Buchari, Volume 2, Book 26, Nr. 635 Internetlink oder: Internetlink
2.: Ibn Hischam I, S. 315
3.: Waqidi, S. 35
4.: Ibn Hischam II, S. 145]
5.: Kommentar zu Sure 2, 195 von Ibn Abbas Internetlink.
6.:Waqidi, S. 431; Ibn Ishaq II, S. 316.
7.: Waqidi, S. 416; Ibn Ishaq II, S. 277]
8.: Wellhausen Reste, S. 79

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Literatur

zur allgemeinen Bibliografie

Werke, die man hier nicht findet, suche man in der allgemeinen Bibliografie.

Biruni (1879)
Sachau, Eduard
The chronologie of ancient nations by Albiruni. An english version of the arabic text of the Athâr-ul-Bâkiya of Albîrûnî, or "Vestiges of the Past," collected and reduced to writing by the author in A. H. 390 ­ 1, A. D. 1000. Translated und edited, with notes and index, by Dr. C. Edward Sachau, Professor of the Royal University of Berlin
London 1879, unveränderter Nachdruck Frankfurt 1969
Internetlink

Buhl (1961)
Buhl, Frants
Das Leben Muhammads
³Heidelberg 1961

Garbers (1952)
Garbes, Karl
Eine Ergänzung zur Sachau'schen Ausgabe von al-Biruni's Chronologie orientalischer Völkrt
in: Islam, Bd. 30, 1952 S. 39 - 80


Ginzel (1914)
Ginzel, Friedrich Karl
Handbuch der mathematischen und technischen Chronologie
3 Bände
Leipzig 1906 ­ 1914, Neudruck Leipzig 1958
Internetlink Bd. 1
Internetlink Bd, 2
Internetlink Bd 3

Grohmann (1966)
Grohmann, Adolf
Arabische Chronologie
[= Handbuch der Orientalistik, 1. Abt., Der Nahe und Mittlere Osten, Ergänzungsband II, 1. Halbband]
Leiden/Köln: Brill 1966

Ibn Hischam
Gustav Weil
Das Leben Mohammed's nach Mohammed ibn Ishak, bearbeitet von Abd al-Malik Ibn Hischam, aus dem Arabischen übersetzt von Dr. Gustav Weil
2 Bände, Stuttgart 1864
Internetlink


Ibn Ishaq (a)
Wüstenfeld
Das Leben Muhammed's nach Muhammed ibn Ishak, bearbeitet von Abd al-Malik Ibn Hischam- Aus den Handschriften herausgegeben von Dr. Ferdinand Wüstenfeld
2 Bände, Göttingen 1859 - 1860
Internetlink Band 1, 1. und 2. Teil
Internetlink Band 2, Einleitung, Anmerkungen und Register


Khoury (Koran)
Khoury, Adel Theodor
Koran
12. Bd., Gütersloh 1990 - 2001

Lammens
M. H. Lammens
L'âge de Mahomet et la chronologie de la Sira
in: Journal Asiatique, 10. Serie, 1911, Bd. 1, S. 209 - 251
Internetlink

Mahmoud Effendi
Mahmoud Effendi
Mémoire sur le Calendrier arabe avant l'islamisme, et sur la naissance et l'âge du prophète Mohammad
in: Journal Asiatique, 5. Serie, 1858, Bd. 1, S. 109 - 192
Internetlink

Nagel (2008)
Nagel, Tilman
Mohammed, Leben und Legende
München 2008
Internetlink Buchvorschau


de Parceval
Caussin de Parceval
Mémoire sur le calendrier arabe avant l'islamisme
in: Journal Asiatique, 4. Serie, 1843, Bd. 1, S. 342 - 379
Internetlink

Paret (Koran)
Paret, Rudi
Der Koran. Übersetzung
Stuttgart 1979

Paret (Kommentar)
Paret, Rudi
Der Koran. Kommentar und Konkordanz
Stuttgart 1961

Waqidi
Wellhausen, Julius
Muhammed in Medina. Das ist Vakidi's Kitab al-Maghazi
Berlin 1882
Internetlink


Watt (1979)
Watt, William Montgomery
Muhammad at Medina
Karachi u.a. 1979


Watt (1981)
Watt, William Montgomery
Muhammad at Mekka
Karachi u.a. 1981

Wellhausen (1897)
Wellhausen, Julius
Reste arabischen Heidentums
Berlin 1897, ³Berlin 1961
Internetlink

__________________________________________
Tafsir:
Royal Aal al-Bayt Institute for Islamic Thought
Muslim Text
http://www.altafsir.com/

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