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N A. B | Der Osterstreit | ||||
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Im dritten Jahrhundert taucht in Rom eine bisher unbekannte Art der Berechnung des Osterdatums auf. Üblicherweise liegt der Osterrechnung ein Mondzirkel von zumeist acht oder neunzehn Jahren zugrunde. Ihm parallel läuft der Sonnenzirkel von 28 Jahren. Nach Ablauf einer gewissen Anzahl von Zyklen synchronisieren sich Mondzirkel und Sonnenzirkel, einer neuer Osterzyklus beginnt. Beim 84jährigen Zyklus ist dies umgekehrt. Hier ist Ausgangspunkt der Sonnenzirkel. Drei Sonnenzirkel von je 28 Jahren bilden einen einzigen Mondzirkel von 84 Jahren. Nach 84 Jahren wiederholen sich also alle Daten. Die tatsächliche Mondphase hat sich dabei nur um einen Tag und rund sieben Stunden gegenüber der Berechnung verschoben.
Für diesen Zyklus lassen sich keine Vorbilder in früheren Jahrhunderten finden. In den lunisolaren Zeitrechnungen des alten Orients ging es immer darum, einen Mondkalender durch entsprechende Schaltungen den Jahreszeiten anzupassen, die Abfolge der Wochentage wurde nie berücksichtigt werden. In den rein solaren Zeitrechnungen wie in dem altiranischen und dem altägyptischen Kalender spielten die Mondphasen keine Rolle. Dies gilt auch für die solarkalendarische jüdische Tradition, die sich am deutlichsten im Kalender der Essener zeigt, in dem zwar die regelmässige Abfolge der Wochentage eine grosse Bedeutung hat, der aber den Mondlauf nicht berücksichtigte.[1]
Alles spricht dafür, dass der 84jährige Zyklus von Christen zum Zwecke der Osterberechnung entwickelt worden ist. Wann und wo dies auch immer geschehen sein mag, es musste dort bereits die Sonntagsfeier etabliert und eine ausreichende Erfahrung mit einer eigenen Osterberechnung vorhanden gewesen sein, deren Grundlage vermutlich die Oktaeteris war. Wie ausgeführt hatten dieser achtjährige Zyklus nur eine beschränkte Lebensdauer, er musste immer wieder dem wahren Mondlauf angepasst werden. Über die tatsächlich verkündeten Ostertermine wurde Buch geführt[2] und so konnte man sie mit den Vorgaben der Zyklen vergleichen. Nach zwei Sonnenzirkel von je 28 Jahren, das ist nach sieben Mondzirkeln von je acht Jahren, wiederholen sich zwar alle Daten, der Mondlauf weicht jedoch gravierend von den Berechnungen ab. Dies wurde auch nicht besser, wenn man wie Hippolyt zwei achtjährige Zyklen zu einem 16jährigen Zyklus zusammenfasste. Aus den Listen konnte man jedoch ablesen, dass nach drei Sonnenzirkeln oder 84 Jahren sich nicht nur die Wochentag sondern auch die Mondphasen wiederholten. Dies theoretisch zu untermauern war nicht sehr schwer. Jedermann kannte die durchschnittliche Länge des Kalenderjahrs von 365 Tagen und sechs Stunden. Ferner war allgemein bekannt, dass ein Mondjahr 354 Tage zählte, als Schaltjahr 384 Tage, zuweilen auch einen Tag mehr oder weniger. Selbst die durchschnittliche Länge des synodischen Monats hätte man erfahren können. Ptolemäus, gestorben um 175 nach Chr., hatte sie sekundengenau berechnet. In Alexandria konnte man nachfragen, noch arbeiteten dort die Nachfolger des Ptolemaios. Auch Gaius Iulius Caesar, dessen Kalenderreform ja ein grosser Erfolg wurde, hatte sich einen Ägypter als Berater geholt.
Der 84 jährige Zyklus wurde demzufolge vermutlich in einer Mischung von theoretischen Berechnungen und praktischer Erfahrung entwickelt. Wie man leicht errechnen konnte, entsprechen 84 Sonnenjahre genau 30681 Tagen. 84 Mondjahre darunter 31 Schaltjahre zu 13 Monaten entsprechen 30687 Tagen. Dies sind sechs Tage mehr, daher muss man in den 84 Jahren sechs mal einen Saltus lunae durchführen, das heisst, das Mondjahr um einen Tag verkürzen. Nun haben sich zwei unterschiedliche Zyklen entwickelt. In dem einen, der die Grundlage der römischen Osterberechnung für über 150 Jahre werden wird, wird der Saltus jeweils an das Ende einer 12jährigen Periode gesetzt, nicht aber an das Ende des Zyklus selbst. Daneben soll es einen Zyklus mit 14jährigen Saltus gegeben haben, das heisst, hier wurde, wie es auch zu erwarten gewesen wäre, in jedem 14. Jahr der Saltus durchgeführt. Dass er in Rom jemals angewandt wurde wird bezweifelt
Der älteste Beleg für den 84jährigen Zyklus findet sich im Computus von 243. Sein Verfasser muss ihn gekannt haben, denn er polemisiert heftig gegen ein allzu frühes Osterdatum, gegen eine Luna XIV am 15. März.[3] Dieses Jahr ist ein Terminus ante quem. Dass auch Hippolyt diesen Zyklus gekannt hat ist nicht zu belegen aber durchaus wahrscheinlich. Hartke hat versucht, den Beweis zu führen.[4] Festzuhalten ist, dass die Tafel des Hippolyt aus der seit Jahrhunderten bekannten Systematik der Oktaeteris unabhängig von dem 84jährigen Zyklus entstanden ist. Andererseits ist mit Schwarz anzunehmen, dass wie gerade angedeutet, der 84jährige Zyklus aus den laufenden Angleichungen der Oktaeteris an den wahren Mondlauf mit entstanden ist und dass der in Rom übliche 12jährige Saltus mit den Aufzeichnungen der Vollmonde einerseits und der Luna XIV nach der Oktaeteris andererseits in Verbindung steht. Hartke glaubt sogar, den Verfasser des Zyklus erkannt zu haben, nämlich Theophilus von Antiochia [verstorben um 183). Dieser habe sich nachweislich chronologisch betätigt. Letzteres ist zwar richtig[5], allerdings sind Berührungspunkte zum 84jährigen Zyklus, wie sie Hartke erkannt haben will, kaum zu sehen. Mit dass wichtigste Argument ist, "dass der 84j. Cyklus den Schaltmonat nicht vor den Ostermonat des Mondjahres, d. h. in den Februar, sondern vor den 1. Januar legt". Dies ist zwar richtig, beweist aber nichts.[6] Der Wochentag des 1. Januars wird vollkommen korrekt nach dem julianischen Kalender angegeben. Man kann im Gegenteil sagen, dass die Angaben des 84jähigen Zyklus nach der Edition in den Monumenta Germanica auf den julianischen Kalender abgestimmt sind, sie passen nicht zur Zeitrechnung der Orientalen, nicht nach Antiochia und auch nicht nach Alexandria. Dass gerade Antiochia, die Stadt in der die Christen den wohl engsten Kontakt mit der Synogoge hatten, die Heimat dieses Zyklus gewesen sein soll, verblüfft. Auch ist seltsam, dass dieser dort oder von dort aus auf seinem Weg nach Rom keinerlei Spuren hinterlassen hat. Viel einleuchtender ist die Vermutung, dieser Zyklus sei in einer Region entstanden, in der seit langem die Sonntagsfeier galt und in der Einflüsse alter vorderasiatischer Zeitrechnungen, zu denen auch die jüdischen Kalender gehört, gering waren. Zu denken ist da vor allem an Rom oder in die mit Rom verbundenen Gebiete, also an Unteritalien mit Sizilien, Nordafrika oder Gallien.[7]
Die Befugnis, den Ostertermin zu bestimmen hatte allein der Bischof. In Rom verkündete der Papst am Osterfest seinen christlichen Gemeinden und den vielen Pilgern, die von ausserhalb in die Hauptstadt gekommen waren, den Termin der nächsten Osterfeier. Sendschreiben ergingen auch an die mit Rom verbundenen Bistümer und an weitere Bischöfe, die sich dann mit Rom abstimmen konnten. Der Papst musste daher die Ostertermine zwei bis drei Jahre im Voraus kennen. Hierfür genügte die Oktaeteris. Begann dann die Luna XIV vom wahren Vollmond abzuweichen, musste man eben die gesamte Berechnung um einen Tag verschieben, um sie für weitere Jahre anzupassen. Eine Vorausberechnung, die über Jahrzehnte hinweg den Mondlauf beschreibt, brauchte es nicht. Sicher gab es in Rom Aufzeichnungen über die tatsächlichen Ostertermine einschliesslich Angaben zur jeweiligen Luna und Unterlagen über deren Berechnung. Sie sind aber nicht überliefert. Erst ab dem Jahre 312 sind die Osterdaten bekannt, für die Zeit davor kann nicht ein einziger Ostertermin rekonstruiert werden. Nur die zwei bereits erwähnten Ostertafeln blieben infolge ihrer Besonderheiten erhalten, der in Stein gehauene Pinax des Hippolyt, zu dem es aber keine weiteren Erläuterungen gibt, und die Schrift Computus de pascha aus dem Jahre 243. Damals kannte man bereits den 84jährigen Zyklus, wie diese Schrift beweist, und aus der Polemik gegen den Osteransatz des 84jährigen Zyklus kann man schliessen, dass dieser ebenfalls für die Osteransetzung des Papstes herangezogen wurde, denn im Jahr 243 waren die Daten des Hippolyt hierfür nicht mehr akzeptabel.
Ende des dritten Jahrhunderts wurde die Supputatio romana, die römische Berechnung, alleinige Grundlage der Osterbestimmung Roms.[8] Ihr liegt der 84jährige Zyklus mit dem 12jährigen Saltus zugrunde. Ausgangspunkt der Ostertabelle ist das Jahr 298. In diesem Jahr fiel die Luna XIV auf den 13. April, dem spätest möglichen Termin für den Ostervollmond nach römischen Regeln. Astronomischer Vollmond war in der Nacht vom 13. auf den 14. April kurz nach Mitternacht Ortszeit Rom. Von diesem Termin aus weicht Luna XIV jedes Jahr um 11 Tage zurück, die Epakte, um diesen alexandrinischen Begriff hier schon zu verwenden, erhöht sich um 12. Würde die Luna dabei auf einen Tag vor dem 15. März fallen, wird ein Schaltmonat eingeschoben, die Luna XIV springt um 30 Tage vorwärts, die Epakte würde 30 übersteigen, weswegen 30 abgezogen werden muss. Die Saltus Lunae fallen in die Zyklusjahre 12, 24, 36, 48, 60 und 72. In diesen Jahren weicht die Luna 12 Tage zurück. Die römischen Vorschriften bezüglich des Ostersonntags werden selbstverständlich eingehalten, Ostern fällt in den Zeitraum Luna XVI bis XXII. Frühester Ostertermin ist daher der 17. März, spätester der 21. April. Es sind dies genau die Daten, gegen die der Chronograph von 243 angeht.
Auch im äussersten Westen Europas, in Irland, Britannien und in Teilen Galliens war eine Osterberechnung auf Grundlage des 84jährigen Zyklus üblich, die sich von Rom deutlich unterschied. Ob hier der 12jährige oder der 14jährige Saltus eingeführt war, lässt sich nicht feststellen. Ostergrenze war Luna XIV bis Luna XX. In Gallien, Britannien und Irland wurde bis zum achten Jahrhundert nach diesem Zyklus gerechnet wurde, in Wales verschwand er erst im 9. Jahrhundert.
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