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N A. B | Das Datum der Hidschra |
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Die vorliegende Abhandlung möchte den Begriff der Hidschra und die Bedeutung dieses Ereignisses näher beleuchten. Da es sich um eine Veröffentlichung im Internet handelt wurde versucht, nach Möglichkeit auf Quellen zurückzugreifen, die ebenfalls über das Internet zugänglich sind. Von der ältesten Biographie Muhammads, der des Ibn Ishak in der Bearbeitung des Ibn Hischam, sind sowohl eine arabische Edition von Wellhausen wie auch eine von Weil gefertigte deutsche Übersetzung digitalisiert worden. Gleiches gilt von dem Werk von Waqidi, allerdings gibt es nur eine verkürzte Übersetzung, in der die Hidschra nicht behandelt wird. Ebenfalls im Web zu finden ist die englische Übersetzung von Birunis "The chronologie of ancient nations", der wohl wichtigsten arabischen Quelle zu Fragen der Zeitrechnungen, im Jahre 1000 n. Chr. geschrieben. Weitere Links finden sich im Literaturverzeichnis.
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Im Jahre 10 der Hidschra, das ist 632 n. Chr., hatte Muhammad eines seiner wichtigsten Ziele erreicht. Erstmals nach seiner Flucht aus Mekka nahm er am Hadsch teil. Er ordnete diese Wallfahrt neu, entfernte alles, was für ihn als heidnisch galt und legte so den Grundstock dafür, dass der Hadsch zu einer der fünf Pflichten eines jeden Muslims wurde. In einer Ansprache an die Pilger zum Abschluss der Wallfahrt ging Muhammad auch auf die Zeitrechnung ein. Er verbot das Einfügen von Schaltmonaten in das Kalenderjahr. Die Offenbarung, die ihn zu diesem Schritt veranlasste, ist niedergeschrieben im Koran, Sure 9, Vers 36 - 37. Allein diese Verkündung zeigt, bis dahin wurde regelmässig, das heisst in jedem dritten, zuweilen auch bereits in einem zweiten Jahr, ein zusätzlicher Monat eingeschaltet. Das Recht, zu bestimmen, welches Jahr ein Schaltjahr sein sollte, lag bei den Quraischiten, dem führenden Stamm von Mekka, dem auch Muhammad angehörte, den er aber nach der Hidschra erbittert bekämpfte. Für die Verkündung der Schaltungen war in Mekka ein eigenes Ehrenamt geschaffen worden. Ihr Verbot ist somit als eine der Massnahmen zu sehen, die Muhammad ergriffen hatte, um den Hadsch von den aus seiner Sicht unislamischen Einflüssen zu reinigen. Weitergehende Änderungen der bestehenden Zeitrechnung nahm der Prophet nicht vor. Wie bisher richteten sich die Monate nach den Mondphasen. War am Ende des 29. Tag eines Monats die Mondsichel erstmals nach Neumond wieder zu sehen, begann mit diesem Abend der neue Monat, war sie unsichtbar, begann der Monat am folgenden Abend. Jeder Monat hatte also entweder 29 oder aber 30 Tage.
Dem Kalender, der zu Lebzeiten Muhammads – drei Monate nach dieser Wallfahrt verstarb der Prophet – von den Arabern in Mekka, Medina und den umliegenden Regionen gebraucht wurde, lag also ein "gebundenes Mondjahr" zugrunde, die Monate waren an die Jahreszeit gebunden. Mit dem Jahre 10 änderte sich das. Im islamischen Kalender durchlaufen sie in rund 33 Jahren einmal den gesamten Tierkreis. Die Daten des Jahres 10 H. nach dem islamischen Kalender sind bekannt und unbestritten. In diesem Jahr galt letztmalig der alte Kalender. Es zeigt daher, wie früher die Monate verteilt waren. Der Muharram war der Frühlingsmonat, er entsprach ungefähr dem Nisan des jüdschen oder dem April des christlichen Kalenders. Im Jahre 10 begann er am 9. April 631 des julianischen Kalenders. Im Jahr der Hidschra fiel der 1. Muharram auf den 19. April, wie eine genauere Analyse der überlieferten Datierungen zeigt. Mit grosser Wahrscheinlichkeit ging dem Muharram des Jahres 1 H. ein Schaltmonat voraus 1.
Alle von den Historikern überlieferten Daten, die sich auf Ereignisse vor dem Jahre 10 H. beziehen, so auch das Datum der Hidschra, sind nach diesem vorislamischen Kalender zu verstehen. Dieser eigentlich selbstverständlichen Feststellung folgt die Islamwissenschaft jedoch nicht. Schon Biruni, der den vorislamischen Kalender ausführlich beschrieb, war der Meinung, die in den islamischen Geschichtswerken für die Zeit vor dem Verbot der Schaltungen angeführten Datumsangaben seien nach dem islamischen Kalender zu interpretieren. Ihm folgten die Historiker und Islamwissenschaftler bis heute.
Dem muss widersprochen werden. Richtig ist, alle für die Frühgeschichte des Islams relevanten Werke stammen aus der Abbasidenzeit, aus dem achten und neunten Jahrhundert. Ibn Ishaq starb um 767, Ibn Hischam um 830, Waqidi 823 und Buchari 870, um nur die wichtigsten Chronisten zu nennen. Zu dieser Zeit war der islamische Kalender schon lange eingeführt, von der Zeitrechnung zu Zeiten Muhammads, hatte man kaum mehr eine Ahnung. Es ist verständlich, dass angenommen wurde, man habe sich damals nach dem allgemein bekannten islamischen Kalender gerichtet. Um zu verstehn, dass dies so nicht gewesen sein kann, muss man sich die Entstehungsgeschichte der islamischen Geschichtsschreibung näher anschauen. Sie beruht auf mündlichen Überlieferungen, zuweilen mag man sich auch Notizen gemacht haben, die über die Generationen hinweg sorgsam weitergegeben wurden, bis sie dann von den Historikern und Theologen geordnet und editiert wurden. Man achtete genau darauf, dass nichts verändert wurde. Waqidi wurde kritisiert, weil er zu Beginn eines jeden Abschnitts seines Werkes die Kette der Überlieferer zwar anführt, dann aber den Stoff inhaltlich zusammenfasst, so dass man Abweichungen der einzelnen Überlieferungen nicht mehr erkennen konnte. Seinen Einwand, würde er nicht so verfahren, würde sein Werk viel zu lang werden, liess man nicht gelten.1a Über die Problematik der Glaubwürdigkeit der mündlichen Überlieferungen ist hier nicht zu diskutieren. Sicher sind sie alle tendenziös, denn jeder versuchte natürlich seine Klientel möglichst günstig darzustellen. Echte Fälschungen sind aber eher selten. Für die hier behandelten Fragen der Chronologie spielt all dies kaum eine Rolle, denn es macht keinen Sinn, Datumsangaben zu manipulieren. Hätten die islamischen Historiker des achten und neunten Jahrhunderts die ihnen vorliegenden Datumsangaben umgerechnet, hätten sie anstelle der überlieferten Monatsnamen andere gesetzt, hätte dies Spuren hinterlassen müssen und es wäre sicher von den Zeitgenossen kritisiert worden. Wer aber sollte sonst verantwortlich sein? Etwa diejenigen, die an erster Stelle in der Überliefererkette stehen, Aischa, Ibn Abbas oder wer auch immer? Dies ist unvorstellbar. Eine Anpassung von Datumsangaben an den späteren islamischen Kalender hätte auch viele Angaben unsinnig gemacht. Der Überfall von Nachla wurde nur deshalb als Skandal empfunden, weil er im heiligen Monat Radschab geschah. Dies muss der Monat gewesen sein, der damals bei Muslimen und Nichtmuslimen als Radschab galt, nicht der eines acht Jahre später eingeführten Kalenders. Und wenn im Ramadan gefastet wurde, war das in dem Monat, den man damals als Ramadan betrachtet. Auch lässt sich immer wieder einmal die Jahreszeit bestimmen. Gerade scheinbare Nebensächlichkeiten sind bei dem Versuch, eine Chronologie der Ereignisse zu erstellen, von Bedeutung. Mal ist von klirrender Kälte in der Nacht die Rede, es muss Winter gewesen sein. Mal wird geradezu lyrisch der Spätsommer beschrieben, wenn nach der langen Dürre die ersten Regenwolken am Himmel zu sehen sind, und wenn der Feind seine Reittiere in die frischen Saaten treibt, die zwar schon grün sind, aber noch nicht reif sind, dann hat der Frühling gerade begonnen.
All dies lässt nur einen Schluss zu: Alle Datenangaben der islamischen Quellen für die Zeit vor dem Jahre 10 H. beziehen sich auf jenen Zeitrechnung, die damals in Gebrauch war, nicht auf den Kalender, der zur Zeit der Abfassung der Geschichtswerke galt.
Aus dem soeben Ausgeführten können nun folgenden Folgerungen gezogen werden: Zwischen dem 1. Muharram des Jahres der Hidschra und dem 1. Muharram des Jahres 10 der Hidschra lagen mindestens drei und höchstens vier Schaltmonate. Die folgenden Analyse der Daten zeigt, dass es lediglich drei Monate waren. Daraus folgt nun wiederum, dass mit grosser Wahrscheinlichkeit vor dem Muhrram des Jahres der Hidschra ein Schaltmonat lag.2 Somit ergibt sich für das Jahr der Hidschra und die davorliegenden Monate die folgende Gleichsetzung mit dem julianischen Kalender:
1. Dhulhidscha | 19. Februar 622 | |
1. Tag des Schaltmonats | 20. März 622 | |
1. Muharram | 19. April 622 | |
1. Safar | 18. Mai 622 | |
1. Rabi al-awwal | 17. Juni 622 | |
1. Rabi ath-thani | 16. Juli 622 |
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Zentralarabien lag zu Beginn des 7. Jahrhunderts ausserhalb des direkten Einflussbereiches der angrenzenden Mächte, des Byzantinischen Reiches, des Irans und Äthiopiens. Eine übergreifende staatliche Ordnung gab es nicht. Der Hedschas und die angrenzenden Gebiete waren ein mehr oder weniger rechtsfreier Raum, man kann auch sagen, es galt das Recht des Stärkeren. Raub, Überfälle auf Karawanen und andere Gewalttaten waren nicht nur erlaubt sondern galten im Gegenteil als ehrenhaft und lobenswert3. Schutz konnte nur die Sippe und der Stamm geben. Das Eintreten jedes Einzelnen für den Stamm wie auch des gesamten Stammes für jedes seiner Mitglieder war bedingungslos, was auch immer vorgefallen gewesen sein mochte. Ein Verlassen dieser Schutzgemeinschaft bedeutete den sicheren Untergang. Muhammad konnte in Mekka nur wegen seiner Zugehörigkeit zum Stamme der Quraischiten so lange unbehellligt agieren.
Immer wieder hatte der Prophet versucht, unter den zahlreichen Pilgern, die regelmässig zur Kaaba kamen, Anhänger zu gewinnen, allerdings mit nur geringem Erfolg. Lediglich einige Bewohner von Yathrib konnte er für seine Lehre gewinnen, so dass dort eine kleine muslimische Gemeinschaft entstand. Dies mag seinen Grund in der besonderen Situation dieser Oase gehabt haben. Yathrib, rund 350 Kilometer nordöstlich von Mekka gelegen, war ursprünglich ausschliesslich von jüdischen Stämmen besiedelt. In der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts liessen sich dann zwei jemenitische Stämme, die Aus und die Chazradsch, dort nieder und stellten inzwischen rund die Hälfte der Bevölkerung. Im Zentrum der Oase, das einfach Medina, die Stadt, genannt wurde, siedelten überwiegend Chazradschiten, mit denen Muhammad über seine Mutter versippt war. In seiner Kindheit hatte der Prophet einige Monate bei seiner dortigen Verwandtschaft in dem Anwesen gelebt, in dem sich auch das Grab seines Vaters befand. Die Aussiten siedelten zum grossen Teil in Quba, einem Weiler rund fünf Kilometer südlich von Medina gelegen.
Die Lage für die Muslime war in Mekka immer schwieriger geworden. Da kam es im Jahre 621 anlässlich des Hadsch in Aqaba, gelegen im Grenzbereich der heiligen Bezirke von Mekka und von Mina, zu einem ersten Treffen von Muhammad mit zwölf Vertretern von Yathrib. Dieses Treffen wird auch die Weiberhuldigung genannt, "denn der heilige Krieg war damals noch nicht vorgeschreiben"4. Die Medinenser vom Stamme Chazradsch nahmen also den Islam an, huldigten Muhammad, aber es gab noch keine Verpflichtung zu gegenseitiger Unterstützung mit Waffen. Eine Folge dieser Übereinkunft war, dass Muhammad einen der besten Korankenner mit nach Medina entsandte, um dort den Koran und den Islam zu lehren. Dieser erzielte offensichtlich beträchtliche Erfolge. Im folgenden Jahr 622 nahmen bereits 73 Muslime sowie zwei muslimische Frauen aus Medina am Hadsch teil. Muhammad traf sich wieder bei Aqaba mit 12 Vertretern aus Medina, neun Chazradschiten und drei Aussiten. Es kam zur zweiten Huldigung und diesmal wurde eine Abmachung getroffen, derzufolge sich die Aussiten und Chazradschiten dazu verpflichteten, Muhammad und seine Anhänger in Yathrib in ihre Schutzgemeinschft aufzunehmen. Dieses Ereignis fand statt am mittleren Tag der Taschriq5. Die Tage der Taschriq sind die drei Tage von Mina, der 12., 13. und 14. Dhulhidscha, das Abkommen wurde folglich am 13. Tag des Dhulhidscha geschlossen, das ist am 2. März 622, einem Dienstag.
Nun waren die Voraussetzungen für eine sichere Übersiedlung der Muslime erfüllt. In den folgenden drei Monaten, – auf den Dhulhidscha folgte, wie bereits gesagt, mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Schaltmonat –, wanderten nahezu alle freien Muslime von Mekka nach Medina aus. Ende des Monats Schaban waren nur noch Muhammad, Abu Bakr und Ali mit den Frauen der beiden erstgenannten in Mekka verblieben, ferner die nicht freien Muslime, das waren Sklaven oder sonstige an ihren Herrn gebundene Diener, sowie muslimische Frauen, deren Ehemänner nicht zum Islam übergetreten waren. Unter diesen befand sich auch eine Tochter des Propheten.
Den Notablen von Mekka waren natürlich die Auswanderungen nicht unbemerkt geblieben. Die Lage wurde für Muhammad immer prekärer, sogar ein Mordkomplott soll gegen ihn geplant gewesen sein. Jedenfalls sah sich Muhammad der Überlieferung nach gezwungen, gemeinsam mit Abu Bakr an einem Nachmittag zu Beginn des Monats Rabi al-awwal durch ein Fenster an der Rückseite des Hauses von Abu Bakr in das nahegelegene Gebirge Thaur zu fliehen und sich dort drei Tage lang in einer Höhle versteckt zu halten6. Nagel berichtet ohne nähere Quellenangabe, Muhammad und Abu Bakr hätten die Höhle am 4. Rabi al-awwal verlassen7. Trifft dies zu, und daran ist kaum zu zweifeln, so wären die beiden am 1. Rabi I, das ist am Donnerstag, dem 17. Juni 622, aus Mekka geflohen. Gemeinsam mit einem freigelassen Sklaven Abu Bakrs und einem ortskundigen Führer zogen sie. der Küstenroute folgend, dabei die grossen Strassen meidend, Richtung Medina. Als zwölf Nächte vom Monat Rabi al-awwal vorüber waren, an einem Montag, während der Mittagshitze, als die Sonne nahezu an der Mitte des Himmels stand, kamen sie zur Mittagszeit in Quba an8. Man hatte in Yathrib von der Abreise des Propheten erfahren und erwartet ihn sehnlichst. Jeden morgen ging man vor das Dorf, um nach ihm Ausschau zu halten und blieb, bis es keinen Schatten mehr gab, dann kehrte man wieder um, denn es waren heisse Tage9. Dieser Montag, der 12. Rabi al-awwal des vorislamischen Kalenders, entspricht dem 28. Juni des julianischen Kalenders. Es war die Zeit der Sonnensonnwende. Keine Wand kein Fels bot mittags noch Schatten. Der Wendekreis des Krebses verläuft zwischen Mekka und Medina, Die Sonne steht zu dieser Jahreszeit mittags im Zenit. Niemand reiste um diese Stunde, man rastete und suchte Schutz vor der sengenden Sonne. Erst am späten Nachmittag, wenn die glühende Hitze nachgelassen hatte, machte man sich auf den Weg, um des Nachts, geleitet vom Mond und den Sternen die unwirtlichen Landstriche zu durchqueren (Sure 10, Vers 6). Muhammad und Abu Bakr waren am Morgen dieses 12. Rabi al-awwal offenbar schon so nahe an Quba herangekommen, dass sie nicht noch mehr Zeit verlieren wollten und trotz der Hitze möglichst schnell ihr Ziel zu erreichen suchten. Muhammad blieb von Montag bis Donnerstag in Quba, am Freitag zog er weiter nach Medina, er das Freitagsgebet verrichtet10. Die Ankunftstag in Medina war somit Freitag, der 16. Rabi al-awwal, der dem 2. Juli 622 entsprach.
Der Tag Aschura
Auf eine Überlieferung, die sich in den Hadithsammlungen findet, und nach der Muhammads in Medina an einem Fastentag der Juden eingezogen sein soll, muss noch eingegangen werden:
Ibn Abbas berichtet:
Als der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Heil auf ihm, nach Madina kam, sah er, dass die Juden am Tag von 'Aschura' fasteten. Sie wurden darüber gefragt. Sie erwiderten: Es ist der Tag, an dem Allah Moses und die Kinder Israel vor Pharao errettete! So fasten wir an diesem Tag, um ihn zu verherrlichen. Der Prophet, Allahs Segen und Heil auf ihm, sagte: Wir haben ein grösseres Anrecht auf Moses als ihr! Darauf hielt er (die Muslime) an diesem Tag zu fasten an.11
Aschura ist der 10. Tag des Monats Muharram im islamischen Kalender. Auch heute noch ist an diesem Tag zu fasten verdienstvoll. Bei den Schiiten ist Aschura einer der wichtigsten Feiertage im Jahr zum Gedenken an Hussain, den Enkel Muhammads, der am 10 Muharram des Jahres 61 H. (10. Oktober 680) in der Schlacht von Kerbela gefallen ist. Nun steht fest, das Muhammads Ankunft in Medina nicht in den Muharram gefallen sein kann. Sie fand im Monat Rabi II statt, hierüber herrscht allgemeine Übereinstimmung. Geht man allerdings davon aus, die Daten seien nach dem islamischen Kalender zu interpretieren, nicht nach dem im Jahr der Hidschra gültigen, ergeben sich Schwierigkeiten. Der 1. Rabi I wäre dann Montag, der 13. September 622, der 12. Rabi I wäre ein Freitag. Diese Daten passen nicht zu den Angaben der Historiker. Biruni beschäftigt sich in seinem im Jahr 1000 n. Chr. verfassten Werk über die Chronologie ausführlich mit dem Datum der Hidschra ohne zu einem klaren Ergebnis zu kommen. Zu der oben zitierten Überlieferung bemerkt er nur lakonisch: "This tradition, however, is not correct, since scientific examination proves against it"12. Mahmoud Effendi hingegen verteidigt in einem 1858 veröffentlichten Artikel diese Überlieferung und versucht zu beweisen, Muhammad sei am jüdischen Fastentag Yom Kippur in Medina angelangt. Er legt das Datum seiner Ankunft entgegen den Quellen auf Montag, den 8. Rabi und setzt dieses Datum gleich mit dem 10 Tischri13.
Aus der Überlieferung, Muhammad sei am Tag Aschura in Medina eingetroffen, ableiten zu wollen, Muhammad habe von den Juden in Yathrib die Anregung zum Aschurafasten erhalten und dies dann übernommen, ist abwegig, worauf schon Biruni an der genannten Stelle hingewiesen hat. Diese Vermutung verkennt vollkommen das Verhältnis Muhammads zu den Juden von Yathrib. Aber angenommen, es sei so gewesen, wäre erstmals im Jahre 2 der Hidschra diese Vorschrift zum Tragen gekommen. Im gleichen Jahr aber soll bereits der Ramadan als Fastenmonat vorgeschrieben gewesen sein, denn in diesem Monat fand der Zug nach Badr statt, auf dem bereits die Frage eine Rolle gespielt haben soll, wie mit dem Fasten auf einem Kriegszuge zu verfahren sei14.
Das Fasten an Aschura muss älter sein. Hierzu gibt es einige Überlieferungen, so die folgende:
`AŽischa, Allahs Wohlgefallen auf ihr, berichtete:
In der vorislamischen Zeit fasteten die Quraisch am `AschuraŽ-Tag. Der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Heil auf ihm, pflegte an diesem Tag zu fasten. Nach der Auswanderung nach Madina fastete er an diesem Tag und wies (die Muslime) an, das Fasten an diesem Tag einzuhalten. Als später das Fasten in Ramadan vorgeschrieben wurde, sagte er: Wer weiterhin am `AschuraŽ-Tag fasten möchte, soll es tun. Und wer darauf verzichten will, mag es unterlassen15.
Für diese Überlieferung spricht vieles. Im 6. Jahrhundert gab es in Arabien eine grössere Zahl von Monotheisten, die sogenannten Hanifen. Obwohl sie weder Juden noch Christen waren übernahmen sie einiges von diesen beiden Religionen. Dass sie rituelles Fasten kannten, ist belegt. So dürfte auch Muhammad ein Aschurafasten gekannt und seinen Anhängern vorgeschrieben haben. Mit Einführung des Ramadans wurde das Fasten an diesem Tag dann von einer religiösen Pflicht zu einer empfehlenswerten Handlung herabgestuft.
Die jüdische Religion kennt insgesamt sechs Fastentage, einer davon ist der 17. Tag des Monats Tammuz, er hat keine eigene Bezeichnung, wird einfach "schiw'ah 'asar beTammuz", "17. des Tammuz", genannt. Der jüdische Tammuz entsprach im arabischen Kalender dem Rabi al-awwal. Muhammad kam am 17. Tammuz des Kalenders der Juden von Yathrib in Medina an. So lässt sich der wahre Kern in dieser Überlieferung erklären. In Aschura steckt das arabische Wort für zehn. Ursprünglich hiess es: "...sah er, dass die Juden am Tage siebzehn fasteten". Später verstand dies niemand mehr und aus dem "Siebzehnerfasten" wurde ein "Zehnerfasten", wurde Aschura. Bleibt noch die Frage zu klären, wieso der 16. Rabi al-awwal dem 17. Tammuz entsprach, da sich doch beide Zeitrechnungen nach den Mondphasen richten. Die Araber liessen den Monat mit dem Abend des Neulichts beginnen. Astronomischer Neumond war am 14. Juni gegen 21:30 Uhr mittlerer Zeit Medina oder Mekka. Erstmals war die Mondsichel zu sehen am Abend des 16. Juni, die Sichel stand bei Sonnenuntergang rund 18° über dem Horizont. Der 1. Rabi al-awwal entsprach daher Donnerstag, den 17. Juni. Die Juden kannten damals bereits eine zyklische Berechnung des Monatanfangs. Hierbei lässt man den Monat möglichst unmittelbar nach Neumond beginnen um die Unregelmässigkeiten der Mondbahn ausgleichen zu können. Beginnt der Monat, obwohl die Sichel nicht gesehen werden kann, kann dies hingenommen werden. Hat dagegen der Monat noch nicht begonnen, obwohl der Mond am Abendhimmel sichtbar ist, wird die Fehlerhaftigkeit der Berechnung offensichtlich. Die Juden von Yathrib, deren Kalender wir natürlich nicht genau kennen und die ja die Gründung eines islamischen Staates nicht lange überlebt haben, haben daher vermutlich ihren Monat mit dem Abend beginnen lassen, der unmittelbar auf Neumond folgte, also einen Tag früher als die Araber.
Der Prophet betrat Medina am 16. Rabi al-awwal, dem 17. Tammuz des Kalenders der Juden von Yathrib. Dieser Tag entspricht Freitag, dem 2. Juli 622 des julianischen Kalenders.
Noch eine kurze Anmerkung zur Bedeutung des Wortes Hidschra: Wörtlich übersetzt heisst dies Ausreise, Auswanderung, Emigration. Sicherlich war die Hidschra des Propheten und seiner Anhänger gut vorbereitet. Erst als ein neues Schutzbündnis vereinbart war, konnten die Muslime ihre alte Stammesangehörigkeit aufkündigen und relativ unbehelligt nach Medina übersiedeln. Auch Ali, der noch länger als Muhammad und Abu in Mekka verblieb um noch einige geschäftlichen Angelgenheiten zu regeln, kam wenige Tage nach dem Propheten mit den Frauen, das waren die beiden Frauen des Propheten Sauda und Aischa, Aischas Schwester Asma sowie deren Mutter, unbehelligt in Medina an. Muhammad aber musste Mekka fluchtartig verlassen. Die Quraischiten suchten ihn zu ergreifen und hatten sogar eine Prämie von 100 Kamelen auf seine Ergreifung ausgesetzt. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn in Bezug auf den Propheten von Flucht gesprochen wird. Im übrigen ist die Bedeutung der Worte Auswanderung, Emigration, Vertreibung und Flucht nicht klar voneinander zu trennen. Muhammad betrachtete die Hidschra als Vertreibung, und auch im Koran ist dies immer wieder so zu lesen. 16
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Anfang des Jahres 632 hatte Muhammad, wie bereits erwähnt, ein Verbot der Schaltmonate verkündet und damit eine grundsätzlich neue Zeitrechnung geschaffen. Weitere Vorschriften zum Kalender fehlten allerdings.
In den folgenden Jahren und Jahrzehnten expandierte der bei Muhammads Tod noch recht kleine islamische Staat in kürzester Zeit zu einem Weltreich. Die neu eroberten Länder mussten verwaltet werden, Steuern wurden erhoben und verteilt. Hierfür brauchte man eine geordnete Verwaltung und somit auch eine geregelten Zeitrechnung. Der Überlieferung nach wurde im Jahre 16 der Hidschra, abweichenden Darstellungen nennen das Jahre 15 oder 1717, dem Statthalter von Kufa eine auf den Monat Schaban ausgestellte Zahlungsanweisung vorgelegt. Dieser fragte beim Kalifen Omar zurück, welcher Schaben gemeint sei, der des laufenden oder der des folgenden Jahres. Da auch der Kalif nicht wusste, wie dieses Problem zu lösen sei, tat er, was alle Politiker bis heute in solchen Fällen zu tun pflegen, er rief eine Expertenkommission ein. Verschiedene Möglichkeiten wurden erwogen. So überlegte man, die Jahreszählung der damals weit verbreiteten seleukidischen Ära zu übernehmen, die mit dem Herbst des Jahres 312 vor Chr. begann. Auch eine Übernahme der iranischen Zählung wurde erwogen. Dort rechnete man nach den Regierungszeiten der Herrscher, damals nach dem Jahr des Regierungsantritts Yazdegard III., des letzten Schahs vor der islamischen Eroberung. Diese Zählung begann mit dem Jahr 632, des Todesjahres des Propheten. Beide Möglichkeiten wurden verworfen. Der Grund hierfür war wohl vor allem, dass diesen beiden Zeitrechnungen ein Sonnenjahr zugrunde liegt. Da das islamische Jahr rund 11 Tage kürzer ist als ein Sonnenjahr, hätte dies alle 33 Jahre zu einer Verschiebung um ein Jahr geführt, was sicher grosse Verwirrung hervorgerufen hätte. So kam man zu der Überzeugung, ein Ereignis aus der islamischen Geschichte heranziehen zu sollen. Das Geburtsjahr des Propheten sei nicht genau bekannt gewesen, heisst es. Man wusste nicht mehr, wann das Elephantenjahr, jenes Jahr, das als das Geburtsjahr Muhammads galt, gewesen war. Damals war ein äthiopischer Statthalter aus dem Jemen mit einem Kriegselefanten gegen Mekka gezogen, ein Ereignis, das grossen Eindruck hinterlassen hatte. In der islamischen Geschichtsschreibung spielte es auch deshalb eine grosse Rolle, weil der Grossvater Muhammads einen erheblichen Anteil an der Rettung der Stadt gehabt haben soll. So blieben noch zwei Möglichkeiten, das Jahr der Verkündung der ersten Offenbarung und das Jahr der Hidschra. Man entschied sich aus guten Gründen für letzteres. Die Hidschra wurde damals und wird auch heute noch als die entscheidende Wende in der frühen Geschichte des Islam betrachtet. Sie ermöglichte die Entstehung eines islamischen Gemeinwesens, in dem Ausübung der Religion und politisches Handeln miteinander verschmolzen.
Auch die Frage mit welchem Monat das Jahr beginnen solle, wurde damals geregelt. Der alte Kalender kannte, vergleichbar dem der Juden, zwei Jahresanfänge, zum einem im Herbst, beginnend mit dem Radschab (Oktober / November), der ungefähr dem jüdischen Tischri entsprach, zum anderen im Frühjahr, beginnend mit dem Muharram, den man in etwa dem jüdischen Nisan gleichsetzen kann. Als dritte Möglichkeit diskutierte man damals, das Jahr mit dem Ramadan beginnen zu lassen. Dieser Monat hatte als Fastenmonat und als Monat der Verkündung des Korans zwischenzeitlich eine herausragende Beeutung erhalten. Letztendlich einigt man sich auf den Muharram.
Die islamische Zeitrechnung beginnt seit diesen Festlegungen durch den Kalifen Omar mit dem 1. Muharram des Jahres der Hidschra. Dieser Tag entsprach dem 1. Rabi ath-thani des zu Muhammads gültigen Kalenders. Der Zufall wollte es, dass der Ausgangspunkt des islamischen Kalenders genau ein Monat nach der Flucht des Propheten aus Mekka und rund zwei Wochen nach seinem Einzug in Medina liegt.
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Werke, die man hier nicht findet, suche man in der allgemeinen Bibliografie.
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