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N A. B Die Gebetszeiten im Islam
Gliederung

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Das rituelle Pflichtgebet

Es ist Pflicht eines jeden volljährigen, im Besitz seiner Verstandeskräfte stehenden Muslim, fünfmal am Tage die salat zu verrichten. Man gibt salat gewöhnlich mit "Gebet" wieder. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass diese Begriffe sich nicht decken. Selbstverständlich kennt der Islam auch das freie Gebet des Einzelnen an Gott, die du'a. Das rituelle Pflichtgebet hingegen ist ein bis ins einzelne vorgeschriebener Komplex von Handlungen und Formeln. Für die Gültigkeit dieses Gebetes sind verschiedene Voraussetzungen zu beachten, darunter auch die Einhaltung der vorgeschriebenen Gebetszeiten.


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Die Gebetszeiten

Für die Verrichtung der Pflichtgebete sind nicht feste Zeitpunkte vorgeschrieben, sie müssen nur innerhalb eines gegebenen Zeitrahmens ausgeführt werden. Mit Ausnahme des Mittagsgebetes beginnt jede Gebetszeit mit dem Ende der vorhergehenden, woraus auch folgt, daß mit Ausnahme des Morgengebets jede Gebetszeit mit dem Beginn der folgenden endet. Die Gebetszeiten sind wiederum in verschiedene Abschnitte unterteilt. Die allerbeste Zeit ist der Anfang des betreffenden Zeitrahmens (waqt al-fadhîla, die Zeit die den Vorzug hat). Ihr folgt die zweitbeste Zeit (waqt al ihtiyâr). Der folgende dritte Abschnitt ist die nur erlaubte Zeit (waqt al-gawâz). Ihm folgt ein Zeitraum, der zwar noch erlaubt ist, jedoch mißbilligt werden muß, da man bereits zu lange gewartet hat (waqt al-gawâz ma' karâha). Den Abschluß bildet dann jene Zeitspanne, die so kurz bemessen ist, daß zwar noch der Anfang eines Gebetes, nicht jedoch mehr sein Ende in sie fallen kann (waqt al-tahrîm, die verbotene Zeit). Auch ist es nicht erlaubt, das Gebet so an das Ende der Gebetszeit zu legen, dass man dann - gegebenenfalls nach einer kurzen Pause - gleich mit dem folgenden Gebet fortfahren kann.[ 1 ]

Das Abendgebet (maghrib)

Da der Tag mit Sonnenuntergang beginnt ist die erste Gebetszeit die des Abendgebetes (arabisch: maghrib, türkisch: akšam). In muslimischen Werken wird bei Aufzählungen allerdings fast immer mit dem Mittagsgebet begonnen, da dieses im Koran und in der Überlieferung zuerst genannt wird. Die Zeit des Abendgebetes beginnt kurz nachdem die Sonne vollständig untergegangen ist. In diesem Punkt stimmen alle muslimischen Quellen überein. Nach astronomischen Erkenntnissen muß hierfür der Sonnenmittelpunkt ca. 50 Bogenminuten unter dem Horizont stehen (16 Minuten für den Halbmesser der Sonne und 34 Minuten für die Refraktion). In islamischen Quellen werden auch geringfügig größere Werte (bis zu 1½ Grad) angegeben. Es ist zu betonen, dass es ausdrücklich verboten ist, seine Gebete zu verrichten, solange die Sonne im Horizont oder auch im Zenit steht. Der Grund hierfür dürfte sein, dass auch jeglicher Anschein einer Anbetung der Sonne vermieden werden sollte.

Das Nachtgebet (°išâ' )

Schwieriger ist die Festlegung für das Ende des Abendgebets, das mit dem Beginn des Nachtgebets (arabisch: °išâ', türkisch: yatsi) zusammenfällt. In den islamischen Quellen finden sich für die Definition all jener Zeitpunkte, die mit den Dämmerungszuständen zusammenhängen, teilweise recht lyrische Beschreibungen, die in konkrete astronomische Formeln zu bringen nicht leicht ist. Für das Verschwinden der Abendämmerung (šafaq), dem Beginn der Zeit des Nachtgebetes, wird häufig angenommen, daß die Sonne 18° unter dem Horizont stehen müsse. Dies entspricht genau der modernen Definition für das Ende der astronomischen Dämmerung.

Das Morgengebet (fadschr)

Der Zeitraum für dieses Gebet beginnt mit der Morgendämmerung (arabisch: fadschr, türkisch fecir), wofür wiederum oft der Wert für den Beginn der astronomische Dämmerung angesetzt wird, also der Zeitpunkt, da die Sonne nach Mitternacht wieder einen Wert von 18° unter dem Horizont erreicht. Der Zeitrahmen endet mit Sonnenaufgang, also dann, wenn sich der Sonnenmittelpunkt noch 50 Bogenminuten unter dem Horizont befindet. Für das Ende der Abenddämmerung wie auch für den Beginn der Morgendämmerung finden sich jedoch auch zahlreiche abweichende Ansichten. Weit verbreitet war die Meinung, für das Ende der Abenddämmerung genüge eine Depression der Sonne von 17°, während der Beginn der Morgendämmerung bereits dann anzusetzen sei, wenn die Sonne noch 19° unter dem Horizont steht. Manche islamischen Gelehrte nehmen auch an, die Differenz zwischen der Depression des Sonne zu Beginn des Nachtgebets und zu Beginn des Morgengebets solle mindestens drei Grad betragen, so daß sie auf Werte von - 16 Grad für das Nachtgebet und von - 20 Grad für das Morgengebet kommen. Ferner wird berichtet, im Fastenmonat Ramadan werde in manchen Gebieten bereits 4 Grad vor dem Beginn der Morgendämmerung vorläufig zum Gebet gerufen, um dann durch Beobachtung des Himmels den genauen Zeitpunkt des Gebetes und des Fastenbeginns festzustellen. Ein Grund für diese abweichenden Vorstellungen könnte darin liegen, dass die Helligkeit am Himmel nicht allein vom Depressionswinkel der Sonne sondern auch noch von anderen astronomischen Gegebenheiten, insbesondere von der Mondphase, abhängig ist. Im Osmanischen Reich wurde meist ein Depression von 17 Grad für ausreichend erachtet, allerdings mit dem Zusatz, wer Fasten will, solle 15 Minuten vorher damit beginnen.

Der Beginn des Morgengebets ist gleichzeitig das Ende des Nachtgebetes. In Gebieten jenseits des 50. Breitengrades gehen im Sommer Abenddämmerung und Morgendämmerung ineinander über. In früheren Zeiten wurden über die damit zusammenhängenden Problemen tiefschürfende Diskussionen geführt, gab es doch damals kaum Muslime, die in diesen Zonen lebten. In der heutigen Zeit scheint sich die pragmatische Formel durchgesetzt zu haben, Muslime, die in derart "abnormal zones" leben, sollen sich an den für den 45. Breitengrad geltenden Zeiten orientieren.[ 2 ]

Das Mittagsgebet (zuhr)

Das Mittagsgebet (arabisch: zuhr, türkisch: ögle) beginnt kurz nach dem Zeitpunkt der Kulmination der Sonne, also dem Moment, an dem die Sonne ihren höchsten Stand erreicht. Dieser Moment des wahren Mittags, im Arabischen Zawâl bezeichnet, ist definiert als der Augenblick, in dem der Mittelpunkt der Sonne durch den Zentralmeridian geht. Dies ist regelmäßig der Fall um 12.00 Uhr wahrer Ortszeit (WOZ). Um auf ein gleichmäßiges Zeitmaß, die Mittlere Ortszeit (MOZ) zu kommen, muß man die Zeitgleichung (ZGL) berücksichtigen. Da heute die Erde in Zeitzonen eingeteilt ist, ist gegebenenfalls noch der Unterschied zwischen Ortszeit und Zonenzeit zu berücksichtigen. Der Halbmesser der Sonne beträgt ca. 16 Bogenminuten. Nach islamischen Astronomen soll sich die Sonne bis zum Beginn des zuhr um ein halb bis ein drittel Grad vom Meridian fortbewegt haben, wobei nicht immer ganz klar ist, ob damit der Sonnenmittelpunkt oder der Sonnenrand gemeint ist. Wie dem auch immer sei, demnach würde die Zeit des Mittagsgebetes ca. 3 - 4 Minuten nach Sonnenhöchststand beginnen. Hierfür sprechen auch andere Angaben, nach denen dieser Zeitpunkt dann gekommen sei, wenn der Schatten eines senkrechten Stabes wieder länger zu werden beginnt oder wenn, für den Fall, daß die Sonne im Zenit steht, sich wieder ein Schatten abzuzeichnen beginnt. Allerdings finden sich auch von dem soeben Dargestelltem stark abweichende Meinungen. So heißt es häufig, die Zeit des zuhr sei gekommen, wenn der Schatten eines senkrechten Gegenstandes um ¼ länger ist als sein Schatten zu Mittag. In den Hauptländern des Islam liegt dieser Zeitpunkt ungefähr 1 - 2 Stunden nach Mittag. Ebenfalls zu einer Zeit ca. 2 Stunden nach Mittag führt eine andere Definition, die besagt, der Beginn von zuhr liege genau in der Mitte zwischen dem wahren Mittag (zawâl) und dem Beginn des 'asr. Wieder anders war offensichtlich die Praxis in Indonesien, wo ca 15 bis 30 Minuten nach dem wahren Mittag der Gebetsruf zum Mittagsgebet erscholl. Um die Verwirrung komplett zu machen: In der Umgangssprache wird zuhr gemeinhin mit Mittag gleichgesetzt, und zwar nicht nur mit dem Wahren Mittag sondern auch einfach 12.00 Uhr Zonenzeit.

Das Nachmittagsgebet (°asr)

Auch bei der Festsetzung des Zeittraums des Nachmittagsgebets (arabisch: °asr, türkisch: ikindi) findet sich keine einstimmige Meinung. Am weitesten ist die Anschauung verbreitet, sein Beginn sei dann gekommen, wenn der Schatten eines senkrechten Gegenstandes gleich sei der Schattenlänge zu Mittag zuzüglich der wahren Länge dieses Gegenstandes. Dies ist zumindest die Meinung der Rechtsschulen der Schafiîten, Mâlikiten und Hanbaliten. Die hanifitische Rechtsschule hingegen lehrt, erst wenn der Schatten eines Gegenstandes gleich der doppelten Länge des Gegenstandes zuzüglich der Schattenlänge zu Mittag sei, sei die Zeit des 'asr erreicht. Im Osmanischen Reich mit seiner großen Ausdehnung waren natürlich alle Rechtsschulen vertreten, so daß sich in der Regel in Tabellen für Gebetszeiten zwei Werte für das Nachmittagsgebet finden, gewöhnlich bezeichnet als °asr 1 und °asr 2.

Die Gebetszeiten der Schiiten

Die Schia kennt nur drei Gebetszeiten, das Abendgebet, das Morgengebet und das Mittagsgebet.


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Die Unterteilung des Tages

In früheren Zeiten bildete der natürliche Tag und die natürliche Nacht in der Regel die Grundlage für die weitere Unterteilung der Zeit, das heisst, die Zeit zwischen Auf- und Untergang der Sonne wurde in zwölf gleiche Teile geteilt und ebenso die Nachtzeit. In Abhängigkeit von der Jahreszeit und der geographischen Lage waren Tag- und Nachtstunden dann natürlich ungleichmäßig lang. Diese Stunden hießen bei den Griechen ωραι καιρικαι, auf Lateinisch werden sie als horae temporales oder horae inaequales bezeichnet. Die heute üblichen gleichlangen Stunden werden auf Griechisch ωραι ισομεριναι, auf Lateinisch horae aequinoctiales genannt. Auch im islamischen Kulturkreis wie schon im vorislamischen Arabien waren die ungleichmässig langen Stunden verbreitet. Für die Festlegung von Zeiten, die sich nach Schattenlängen richten, waren sie sehr gut geeignet. Das Mittagsgebet wurde der 6. Stunde zugeordnet, das Nachmittagsgebet der 9. Stunde.

Die Messung der Zeit mittels Uhren, zuerst durch Wasseruhren, später durch mechanische Uhren, setzte dann allerdings gleichmässig lange Stunden voraus. Der Übergang von Temporalstunden auf Äquinoctialstunden war fliessend. Der Tag begann weiterhin mit Sonnenuntergang. Die Uhren mussten also täglich neu eingestellt werden. Da Uhren in der Regel sowieso täglich aufgezogen werden mussten und auch an die Ganggenauigkeit keine übermässig hohen Ansprüche gestellt werden durften, wurde dies eher als Vorteil denn als Nachteil betrachtet. Die Zifferblätter von Uhren sind meist in 12 Stunden unterteilt. Daher wurden die Stunden durchgezählt bis 12 Uhr 59 Minuten, dann wurde fortgefahren mit 1 Uhr. Demzufolgen war zum Beispiel in Istanbul zur Zeit der Wintersonnwende Mittag um 7.29 Uhr (19:29 Stunden nach Sonnenuntergang), zur Zeit der Sommersonnwende dagegen um 4.31 Uhr. In osmanischen Kalendern finden sich Umrechnungstabellen von türkischer zu "fränkischer" Zeit z. B. im Abstand von 5 zu 5 Tagen. Im Osmanischen Reich war diese Zeiteinteilung bis zum Ende des 1. Weltkrieges üblich. Lediglich für den Bahn- und Telegraphenverkehr nutzte man schon früher die Osteuropäische Zeit, das ist die auf den 30. Längengrad bezogene Zonenzeit.[ 3 ]


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Die Berechnung der Gebetszeiten

Um die islamischen Gebetszeiten zu bestimmen, benötigt man grundsätzlich keine besonderen Hilfsmittel. Entsprechendes Wetter vorausgesetzt sind die jeweiligen Zeitpunkte am Himmel abzulesen. Sonnenaufgang und Sonnenuntergang sind deutlich, die Verfärbungen des Himmels bei Ende der Abenddämmerung und bei Beginn der Morgendämmerung werden in den Quellen ausführlich beschrieben, und für die Bestimmung der Zeit des Mittagsgebetes und des Nachmittagsgebetes benötigt man nur einen schattenwerfenden Gegenstand. Es gab auch wirklich Rechtsgelehrte, die den Einsatz von irgendwelchen Hilfsmitteln oder Berechnungen ausdrücklich ablehnten. So schrieb der islamische Rechtsgelehrte al-Asbahi im 13. Jahrhundert, Gebetszeiten dürften nicht durch astronomische Berechnungen oder mittels eines Astrolabs bestimmt werden, denn "die Astronomen haben ihre Erkenntnisse von Euklid und den Indern (Sindhind), und von Aristoteles und anderen Philosophen; und sie alle waren Ungläubige".[ 4]

Andererseits war das Mittelalter eine Blütezeit der Naturwissenschaften im islamischen Kulturbereich. Astronomie und Mathematik erlebten einen ungeahnten Aufschwung. Zahlreiche wissenschaftliche Werke beschäftigten sich mit der Bestimmung der Zeit. Die Messmethoden wurden verfeinert, äusserst genaue Instrumente wurden entwickelt, mit denen sich die Gebetszeiten exakt feststellen liessen. Die Astronomen erstellten grosse Tafelwerke, mit deren Hilfe man die Gebetszeiten für jeden Tag des Jahres und für jeden beliebigen Punkt auf der Welt bestimmen konnte. Später erfreuten sich im Osmanischen Reich sogenannte "Ruzname´s" grosser Beliebtheit. Dies sind "ewige" Kalender mit Tafeln zum Berechnen von Kalenderdaten und Tabellen mit den Gebetszeiten. Seit Einführung des Buchdrucks im Orient finden sich die Gebetszeiten in den Jahrbüchern, in Abreisskalendern und speziell im Fastenmonat Ramadan auch in den Zeitung. Einige Rechner zur Bestimmung von Gebetszeiten nach der alten Tageseinteilung finden sie auf der Seite Gebetszeitenrechner.

Gebetszeitenrechner nach alter Art
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Die Gebetszeiten der heutigen islamischen Welt

So wie sich die islamischen Staaten und Gemeinschaften bei ihrem Kalender nicht auf gemeinsame Grundsätze einigen konnten, so habe die islamischen Länder auch bei den Gebetszeiten die unterschiedlichsten Regelungen gefunden. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, mit Hilfe des Internets die Gebetszeiten zu bestimmen. Hier nur eine kleine Auswahl:

http://www.islamicfinder.org
Bei diesem Rechner können die Kriterien einzelner Länder oder Institutionen ausgewählt werden oder auch eigene Kriterien eingegeben werden.

http://www.ummulqura.org.sa/
King Abdulaziz City for Science & Technology (KACST) is an independent scientific organization of the Saudi Arabian Government, established in 1977 under the name of Saudi Arabian National Center for Science & Technology (SANCST) and later in 1985 renamed as 'King Abdulaziz City for Science & Technology (KACST)'.   So stellt sich die Hochschule von ar-Riyadh vor, deren Autoritäten nicht nur den in diesem Land gültigen Kalender definieren sondern auch die Gebetszeiten. Dieser Rechner kann daher für Saudi Arabien als offiziell gelten.

http://www.diyanet.gov.tr/
Das beim Ministerpräsidenten der Türkischen Republik angesiedelte Amt für religiöse Angelegenheiten stellt ebenfalls einen Rechner zur Bestimmung von Gebetszeiten ins Netz, der für die Türkei verbindliche Daten liefern dürfte.


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Fussnoten

zur Bibliografie

[ 1 ] Die beste deutschsprachige Darstellung hierzu ist wohl die Arbeit von Eilhard Wiedemann und Josef Frank, die zurückgreift auf eine Vielzahl bisher unveröffentlichter Quellen.[Wiedemann - Frank (1926)].
[ 2 ] So zum Beispiel Hamidullah (1982)
[ 3 ] siehe Würschmidt (1917)
[ 4 ] zitiert nach King (1990b)

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