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N A. B | Zur Theorie des zaroastrischen Kalenders |
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Um die Daten in diesem Artikel besser überprüfen zu können wurde ein eigener Kalenderrechner entwickelt. |
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Der lunisolare Reichskalender der Achämeniden, bezeugt in den Inschriften von Bisutun, der Befestigung von Persepolis oder den Schalen der Schatzkammer, stand in der Tradition der babylonisch-elamitischen Zeitrechnung. Er wurde fortgeführt in der Zeitrechnung der Seleukiden. Daneben gab noch eine rein iranische Zeitrechnung, die später von Zarathustra übernommen wurde und die bei den Zaroastriern in aller Welt bis heute mit einigen kleinen Änderungen in Gebrauch ist. Sie soll im folgenden als "zaraoastrisch" bezeichnet werden. Andere Bezeichnungen sind "avestisch", häufig nochmals unterteilt in "jung-avestisch" und " alt-avestisch", oder auch "mazdayasnisch" nach der Gottheit Ahura Mazda.
Über die iranische Zeitrechnung in vorislamischer Zeit gibt es kaum Zeugnisse. Gut dokumentiert ist der zaroastrische Kalender erst seit Untergang des Reiches der Sassaniden (229 - 632). Das Jahr hatte damals 365 Tage. Es wurde unterteilt in 12 Monate zu je 30 Tagen und fünf Zusatztagen, im folgenden Epagomenen genannt, die zwischen dem achten Monat Aban und neunten Monat Azar lagen. Die Jahreszählung begann mit dem Regierungsantritt des letzen sassanidischen Herrschers Yazdegard III., der 1. Farwardin des Jahres 1 dieser Ära fiel auf den 16. Juni 632 nach Christus. Schaltungen fanden nicht statt.
Die wichtigsten schriftlichen Quellen stammen von islamischen Wissenschaftlern. An erster Stelle ist hier Biruni mit seinem im Jahre 1000 nach Christus geschriebenem Werk "al-Athar al baqiya"[ 1 ] zu nennen. Allerdings ist bei Biruni klar zu trennen zwischen seiner Beschreibung des zaroastrischen Kalenders der damaligen Zeit, ihm nahegebracht von Landsleuten, die dieser Religion noch anhingen, und den Folgerungen, die er als Naturwissenschaftler aus diesen Überlieferungen zog. Hier sind seine Angaben teilweise widersprüchlich. Er geht von Schaltungen aus, spricht einmal davon, sie seien alle 120 Jahre durchgeführt worden, einmal davon man habe alle 116 Jahre um einen Monat geschaltet, und einmal davon, die Einfügung von Schaltmonaten sei geschehen "in Übereinstimmung mit der Natur", d. h. in der Kalender sie von Zeit zu Zeit den Jahreszeiten angepasst worden. [ 2 ] 30 Jahre später, in seiner Schrift Qanun al-Masud [ 3 ] korrigiert und verbessert er sich teilweise. Zu diesen von islamischen Autoren verfassten Arbeiten treten die in mittelpersischer Sprache geschriebenen religiösen Schriften der Zaroastrier hinzu, vor allem Denkart und Bundahischn.[ 4 ] In einzelnen Passagen reichen die Ursprünge dieser Überlieferungen zwar weit in die Vergangenheit zurück, zusammengestellt wurden sie aber erst nach Ende des Sassanidenreiches, teilweise erst nach 1100.
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Die älteste noch sehr unentwickelte Zeitform der Menschheit war wohl ein Jahr von 360 Tagen. Spuren eines solchen "Rundjahres [ 5 ] finden sich in zahlreichen Zeitrechnungen, so auch im alten Babylon. Die Entwicklung des babylonische Sexagesimalsystem und die Erklenntnisse in der Astronomie beeinflussten sich gegenseitig. So wird weithin angenommen, das babylonische Zahlensystem sei auf astronomische Beziehungen zurückzuführen.[ 6 ] Auch die alten Ägypter kannten diese Jahresform, wie eine Inschrift in Tani zeigt, in der es heisst, dass es "später üblich geworden sei, die fünf Epagomenen hinzuzufügen." [ 7 ] Im Zusammenhang mit der Einführung der fünf Zusatztage erzählt Plutarch, Kronos (Seb) und Rhea (Nut) hätten heimlich miteinander verkehrt. Die Sonne aber verfluchte Rhea, dass deren Kinder weder in einem Monat noch in einem Jahr geboren werden sollten. Hermes (Thopt) als Vermittler würfelte mit Selene, gewann ihr von jedem Tag des 360-tägigen Jahres den 72. Teil ab und bildete daraus 5 Tage, die hinter den 12 Monaten angehängt wurden. So wurde das Mondjahr verringert auf 355 Tage, dass Sonnenjahr hingegen verlängert auf 365 Tag.[ 8 ]
Die deutlichsten Hinweise auf ein Jahr von 360 Tagen finden sich jedoch bei den Indern und Iranern. Die vedischen Schriften kennen nur ein Jahr von 360 Tagen,[ 9 ] und in den Schriften der Zaroastrier gibt es eine Vielzahl von Stellen, die von einem derartigen Jahr berichten. Man kann sicher sein, die älteste Jahrform der Iraner war ein Sonnenjahr von 360 Tagen. Diese Zeitrechnung ist weit älter als die Religion Zarathustras, wie die Tatsache belegt, dass im späteren zaroastrischen Kalender für die Bezeichnung der Tage im Monat alte arische Gottheiten Pate standen, die im zaroastrischen Glauben nicht mehr vorkommen.[ 10 ] Auch Biruni berichtet, in grauer Vorzeit, oder wie er sich ausdrückt, zu Zeiten der Paschdadiyan, jenes sagenhaften Urgeschlechtes, habe es unter den Persern ein derartiges Jahr gegeben.[ 11 ] Das ausgeklügelte Schaltschema, das er im folgenden beschreibt, ist natürlich ein Erklärungsversuch aus viel späterer Zeit, wahrscheinlich von Biruni selbst entworfen. Da nun ein Jahr von 360 Tagen innerhalb einer Generation alle Jahreszeiten durchläuft, andererseits die Gahanbar im Zusammenhang mit den Jahreszeiten stehen, wird es irgendeine Art von Schaltung geben haben. Am wahrscheinlichsten ist, dass man das Erwachen der Natur zu Ende des Winters beobachtete und dass auf Anweisung der obersten Priester jedesmal dann ein Schaltmonat eingeschoben wurde, wenn die Saat noch nicht genügend gereift war. Dies geschah alle fünf bis sechs Jahre. Ähnliches ist bekannt von anderen frühen Zeitrechnungen, so auch vom Kalender der Juden zur Zeit Christi.
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Da nun der ältesten iranischen Zeitrechnung ein Rundjahr von 360 Tagen zugrunde lag, dem spätere zaroastrische Kalender hingegen ein Wandeljahr zu 365 Tagen, müssen irgendwann einmal dem ursprünglichen Rundjahr fünf Zusatztage hinzugefügt worden sein. Wann dieser Wechsel stattgefunden hat, darüber gehen die Meinungen auseinander, der Mangel an Fakten liess eine Vielzahl von Hypothesen entstehen.
Die meisten Versuche, den Zeitpunkt der Einführung des Wandeljahres und den inneren Aufbau des zaroastrischen Kalenders vor der Sassanidenzeit zu bestimmen, rechnen von der wohlbekannten Ära Yazdegard zurück unter Anwendung der Regeln und Vorschriften Birunis oder der religiösen Schriften. Dabei bleibt unbeachtet, dass all diese Angaben aus islamischer Zeit stammen, sich auf den sassanidischen Kalender beziehen und ihre Anwendung auf weit zurückliegende Zeiten zumindest sehr problematisch ist.
Geht man von der Ära Yazdegard aus, so bietet sich eine einfache Rechnung an, um den Zeitpunkt der Einführung des Wandeljahres näher zu bestimmen. Im Jahre 632 nach Christus, dem Beginn dieser Ära, lag der 1. Farwardin am 16. Juni (julianisch). Er verschob sich mit jedem Schaltjahr immer mehr in Richtung Frühlingsanfang, um dann erstmalig im Jahre 1005 kurz nach Sonnenaufgang, dem iranischen Tagesbeginn, wieder auf den Tag des Frühlingsanfangs zu gelangen.
Nun entsprechen 1507 tropische Jahre recht genau 1508 Wandeljahren zu 365 Tagen.
tropisches Jahr: 365.2422 Tage Kalenderjahr: 365.00 Tage 1507 x 365.2422 = 550419,9954 Tage 1508 x 365.0 = 550420.0 Tage theoretische Differenz: 7 Minuten
Demzufolge fiel im Jahre 503 vor Christus der 1. Farwardin des zurückgerechneten spätsassanidischen Kalenders ebenfalls auf den Tag des Frühlingsäquinoktiums. Dieser Tag kann gut als der zumindest fiktive Ausgangspunkt des auf einer Jahreslänge von 365 Tagen basierenden zoroastrischen Kalenders dienen, denn mit diesem 27. März 503 hat es eine besondere Bewandtnis. Auf ihn fiel auch der Neujahrstag des lunisolaren Kalenders, der offiziellen Zeitrechnung der Achämeniden. Nachgewiesenermassen fand damals eine Reform dieser Zeitrechnung statt. Man ging von dem bisherigen achtjährigen Schaltzyklus auf den 19jährigen Schaltzyklus über, der dann für alle Zukunft beibehalten wurde.[ 12 ] Zudem fiel auch noch im ägyptischen Wandeljahr der 1. Tag des Monats Kijak des Jahres 245 nach der Ära Nabonassarars auf ebendiesen Tag.
Berücksichtigt man nun noch die Angaben Birunis, denen zufolge alle 120 Jahre oder alle 116 Jahre ein Schaltmonat eingeschoben wurde, damit der Kalender mit den Jahreszeiten in Übereinstimmung bleibt, so kann man eine vollkommene Rekonstruktion des altpersischen Kalenders entwickeln. Willy Hartner führt diese Rechnung mit grosser astronomischer Sachkenntnis und ungeheuerer Akribie aus.[ 13 ] Er geht dabei wie nahezu alle anderen Wissenschaftler davon aus, das es in der zaroastrischen Zeitrechnung zwei Kalender gibt, einen geschalteten religiösen Kalender, vihecakik genannt, in dem in bestimmten Intervallen ein Schaltmonat eingefügt wurde, und einen bürgerlichen Kalender, bei dem lediglich bei jeder Schaltung im religiösen Kalender die Epagomenen um einen Monat verschoben wurden.
Die Schaltung kann man sich rein theoretisch so vorstellen:
Verhältnisse zur Zeit des gemeinsamen Ausgangspunkts des religiösen und des bürgerlichen Kalenders:
(Daten gregorianisch, Frühlingsanfang am 21. März)
11. Monat (Bahman): 15. 1. - 13. 2. 12. Monat (Esfand): 14. 2. - 15. 3. Epagomenen: 16. 3. - 20. 3. 1. Monat (Farwardin): 21. 3. - 20. 4.
Im Laufe von ca. 120 Jahren verschob sich der Kalender immer mehr und sah dann folgendermassen aus
12. Monat (Esfand): 15. 1. - 13. 2. Epagomenen: 14. 2. - 18. 2. 1. Monat (Farwardin): 19. 2. - 20. 3. 2. Monat (Ordibehescht): 21. 3. - 20. 4.
Schob man nun im religiösen Kalender einen Schaltmonat ein, nicht hingegen im bürgerlichen Kalender, so ergab sich folgendes Bild:
Volkskalender religiöser Kalender gregorianisch 12. Monat (Esfand) 12. Monat (Esfand I) 15. 1. - 13. 2. 1. Monat (Farwardin) 13. Monat (Esfand II) 14. 2. - 15. 3. Epagomenen Epagomenen 16. 3. - 20. 3. 2. Monat (Ordibehescht) 1. Monat (Farwardin) 21. 3. - 20. 4.
Beim Volkskalender wurden, wie man sieht, nur die Epagomenen verschoben. Dies geschah, damit in beiden Rechnungen die Monate immer mit den gleichen Tagen begannen, die Tagesbezeichnungen also nicht voneinander abwichen. Die Epagomenen wanderten so vom 12. Monat Esfand hinter den 1. Monat Farwardin. Bei der nächsten Schaltung kamen sie dann nach dem zweiten Monat Ordibehescht zu liegen und wanderten so im Laufe der Jahrhunderte immer weiter. Im Vergleich zum Sonnenjahr blieben sie allerdings immer in dem Zeitraum kurz vor dem Frühlingsanfang.
Eine Schwierigkeit gibt es jedoch bei dieser Theorie: Das Problem der "gestohlenen" Tage. Verschiebt man die Epagomenen vom Ende des 12. Monat eines Jahres an das Ende des 1. Monats des Folgejahres, so fehlen im ersten Jahr ebendiese fünf Tage, dieses Jahr hat nur noch 360 Tage. Belässt man hingegen im ersten Jahr die Epagomenen und fügt im zweiten Jahr nach dem 1. Monat zusätzlich fünf Tage ein so muss man im religiösen Kalender um einen Monat und fünf Tage, insgesamt also um 35 Tage, schalten. Eine andere Alternative gibt es nicht.
Die folgende Tabelle zeigt den ersten Fall. Im bürgerlichen Kalender zählt das letzte Jahr des ersten Zyklus nur 360 Tage, da die Epagomen vom Ende dieses Jahres vorschoben wurden an des Ende des ersten Monats des Folgejahres. Alle weiteren Jahre zählen wieder 365 Tage. Das letzte Jahr im ersten Zyklus des religiösen Kalenders zählt 365 Tage zuzüglich der 30 Tage für den Schaltmonat, alle weiteren Jahre wieder 365 Tag.
religiös bürgerlich 1. Zyklus
letztes JahrMonat I 1. Zyklus
letztes JahrMonat I . . . . Monat XII Monat XII Schaltmonat 2. Zyklus
erstes JahrMonat I Epagomene Epagomene 2. Zyklus
erstes JahrMonat I Monat II Monat II Monat III .. .. .. .. Monat XI Monat XII Monat XII 2. Zyklus
2. JahrMonat I Epagomene Epagomene 2. Zyklus
2. JahrMonat I Monat II Monat II Monat III
Wünscht man jedoch, dass der bürgerliche Kalender ungestört fortläuft, muss man im letzten Jahr des ersten Zyklus die Epagomenen belassen, im ersten Jahr des 2. Zyklus die Epagomenen verschieben vom Ende des Jahres an das Ende des ersten Monats. Jedes Jahr würde dann 365 Tage zählen. Dies hätte dann aber zur Folge, dass im religiösen Kalender das letzte Jahr des ersten Zyklus zweimal je fünf Zusatztage haben würde und den Schaltmonat, insgesamt also 400 Tage dauern würde. Die folgende Tabelle zeigt dies:
religiös bürgerlich 1. Zyklus
letztes JahrMonat I 1. Zyklus
letztes JahrMonat I . . . . Monat XII Monat XII Epagomene Epagomene Schaltmonat 2. Zyklus
erstes JahrMonat I Epagomene Epagomene 2. Zyklus
erstes JahrMonat I Monat II Monat II Monat III .. .. .. .. Monat XI Monat XII Monat XII 2. Zyklus
2. JahrMonat I Epagomene Epagomene 2. Zyklus
2. JahrMonat I Monat II Monat II Monat III
Hartner kommt zu einem anderen Schaltsystem, bei dem der bürgerlich Kalender ungestört läuft, im religiösen Kalender sich die Epagomenen allerdings nach dem ersten Monat befinden:
Religious Year Civil Year Last year of 1st cycle 1 I 2 II : : 12 XII Epagomene Epagomene 12a I 2nd cycle 1 II Epagomene Epagomene 2 III : : 12 I Last year of 2nd cycle 1 II Epagomene Epagomene 2 III : : 12 I 12a II 3rd cycle 1 III Epagomene EpagomeneGenerally speaking, the nth cycle begins with the nth civil month and has the epagomene attached to it while, starting with the 2nd cycle, the religious epagomene always follow after the 1st month. This procedure was continued until the 8th cycle...[ 14 ]
Der iranische Wissenschaftler Sayyed Hasan Taqizadeh beschäftigte sich in vielen seiner Arbeiten mit dem zaroastrischen Kalender. Er neigt dazu, den Beginn des Wandeljahres in das Jahr 441 vor Christus zu setzten, in die Zeit, in der seiner Erkenntnis nach das achämenidische Herrscherhaus sich der Religion Zarathustras immer mehr zuwandte.[ 15 ]
Mary Boyce vertritt die Ansicht, erst zu Beginn der Herrschaft der Sassaniden sei man vom Rundjahr durch Einschaltung von 5 Zusatztagen zum Wandeljahr gewechselt [so in allen ihren Arbeiten, die sich mit dem Kalender beschäftigen]. Ihre Vermutung, Biruni könne an der oben erwähnten Stelle das sagenhafte Geschlecht der Pischdadyan mit den Parthern verwechselt haben [ 16 ] klingt etwas abenteuerlich, wichtiger ist allerdings, dass sie an der gleichen Stelle dann schreibt, die erste nachweisliche Erwähnung der Epagomenen finde sich in einem zwischen 235 und 238 verfassten Werk, also genau zu der Zeit, in der sie diese Kalenderreform vermutet.
So interessant die genannten Theorien auch sein mögen, sie haben alle einen Nachteil: Es gibt keinerlei Belege für ihre Bestätigung.
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Trotz des Fehlens direkter Zeugnisse lässt sich der zaroastrische Kalender zur Zeit der Achämeniden eindeutig rekonstruieren, nämlich durch einen Vergleich dieser Zeitrechnung mit den Kalendern der Armenier, der Soghdier, der Chorazmier und anderer Völker. Auf die Ähnlichkeit dieser Kalender, die auf eine gemeinsame Abstammung schliessen lassen, wurde schon häufig hingewiesen. [ 17 ] Erst Francois de Blois zog 1996 die Konsequenzen aus diesen bekannten Tatsachen.[ 18 ]
Die armenische Zeitrechnung gleicht der altpersischen vollkommen. Das Jahr besteht aus 12 Monaten zu je 30 Tagen sowie fünf Zusatztagen, die dem letzen Monat folgen. Bekanntlich sind die Armenier die erste christliche Nation. Bereits kurz nach 300 traten sie geschlossen zum Christentum über. Da für die Berechnung des Osterfestes und der davon abhängigen Festtage ist ein Jahr zu 365 Tagen absolut ungeeignet ist zogen sie für die Erstellung ihrer Ostertafeln den julianischen Kalender heran, blieben aber ansonsten bei ihrem so unbequemen Wandeljahr. Auch als ihr erster Osterkanon im Jahre 552 ablief und ein neuer Osterkanon erstellt sowie die sogenannte "grosse Ära" eingerichtet wurde, behielten sie das Wandeljahr bei. 532 Jahre später, im Jahre 1084, als neue Ostertafeln gefertigt werden mussten, wurde der Versuch unternommen, durch Einfügung eines Schalttages alle vier Jahr den Kalender den Jahreszeiten und der Osterrechnung anzupassen, dies scheiterte jedoch an dem Widerstand der Bevölkerung. Erst im Jahre 1616 führten sie ein Schaltjahr ein.[ 19 ] Allein dieses Festhalten an einer so unbequemen Zeitrechnung zeigt, dass es sich hier um ein uraltes Kulturgut handelt, dessen Ursprünge in grauer Vorzeit liegen. Darauf deutet auch hin, dass die Armenier viele, wenn nicht sogar die meisten ihrer heidnischen Feste nach ihrer Christianisierung weiter zu den überlieferten Zeitpunkten feierten, wenn auch in christliche Feiertage umgewandelt. [ 20 ]
Der armenische Kalender ist nun absolut identisch mit dem der Soghdier und Chorazmier. Diese drei Völker haben daher einmal eine gemeinsame Zeitrechnung gehabt. Hierfür kommt nur eine Zeit in Frage, da sie noch in einem gemeinsamen Reich lebten, und dies war nur während der Herrschaft der Achämeniden der Fall. Später waren die Armenier einerseits und die Soghdier und Chorazmier andererseits räumlich und kulturell so stark voneinander getrennt, dass eine gegenseitige Beeinflussung in Bezug auf die Zeitrechnung ausgeschlossen werden kann.[ 21 ]
Auch der Kalender von Kappdokien kann in diesem Zusammenhang angeführt werden. Das Jahr ist hier gleich dem armenische Jahr und dem altpersischen Jahr eingerichtet. Bischof Epiphanius (gestorben 403), laut Ginzel in Datumsfragen recht zuverlässig, gibt für das Datum der Geburt Christ an: 6. Januar = 13. Atarta (5. Monat), für das Datum der Taufe: 8. November = 15 Aratata (3. Monat). Diese Gleichungen stimmen mit dem armenischen Kalender überein für die Jahre 368 - 371.[ 22 ] Allerdings gibt es zu wenig Informationen über den kappadokischen Kalender als dass dieser hier als Beweis angeführt werden soll.
Damit kann als bewiesen gelten: Der alt-armenische Kalender, identisch mit dem der Soghdier und Chorazmier, gibt den zaroastrischen Kalender zu Ende des 4. Jahrhunderts vor Christus wider. Dieser Zeitrechnung lag folglich ein Sonnenjahr von 365 Tagen zugrunde. Das Jahr war unterteilt in 12 Monate zu je 30 Tagen, die 5 Epagomenen lagen am Ende des Jahres. Schaltungen fanden nicht statt. Gegenüber dem Kalender zu Ende der Sassanidenzeit war dieser Kalender um 5 Tage verschoben. Die Theorie von Boyce, erst im 3. Jahrhundert nach Christus sei das altpersische Rundjahr von 360 Tagen aufgegeben worden, darf damit als widerlegt gelten.
Nun kann noch einmal auf die Frage eingegangen werden, wann die erste Reform des zaroastrischen Kalenders, der Übergang vom Rundjahr zum Wandeljahr, stattgefunden hat. Rechnet man von der bekannten Ära Yazdegard zurück, diesmal unter Berücksichtigung der ausgefallen fünf Tage, so kommt man rein rechnerisch auf die Zeit um 480 vor Christus. In den Jahren 483 bis 480 fiel der 1. Farwardin genau auf den Tag des Aquinoktiums. Allerdings muss man bedenken, dass die Bestimmung des Frühlingspunktes keine sehr triviale Angelegenheit ist. Eine Ungenauigkeit bei der Bestimmung des Frühlingsanfangs von ein bis zwei Tagen ist natürlich.
Nun ist aber das rechnerische Ausgangsdatum eines Kalenders nicht unbedingt auch das Jahr seiner Einführung. Als man sich im Iran entschlossen hatte, eine neue Jahresform einzuführen, setzte man dieses Vorhaben sicherlich unverzüglich um und wartete nicht ab, bis das alte Kalenderjahr mit seinen 360 Tagen wieder mit den Jahreszeiten in Übereinstimmung kam. Unvorstellbar ist, dass mit der Reform der Jahresbeginn ohne Rücksicht auf den Ablauf der Tage im Monat geändert und nach astronomischen Gesichtspunkten festgelegt wurde, denn dies hätte die Befolgung der religiösen Riten für ein bis zwei Jahre unmöglich gemacht. Die richtige Abfolge der Tage im Jahr war von enormer Bedeutung. Schon die Einfügung der fünf Zusatztage ging sicher nicht problemlos vonstatten. So heisst es in einem späten Text: "Wenn der Gerechte in den fünf Gatha-Tagen stirbt, so soll als sein Monatstag im ersten Monat der genau 30 Tage später (d.h. 30 Tage nach dem betreffenden Gatha-Tag) fallende Tag gelten." [ 23 ] Wenn es eine Schaltung damals gegeben haben sollte, so kann sie nur um einen oder um mehrere volle Monate zu je 30 Tagen erfolgt sein, in der Absicht, den Jahresanfang in die Nähe des Frühlingsbeginns zu rücken. Ob er aber nun 15 Tage vor oder 15 Tage nach dem astronomisch richtigen Termin lag, ob die Gahanbar exakt auf die jeweiligen Jahrpunkte zu liegen kamen oder um ein bis zwei Wochen davon abwichen, war den Gläubigen unwichtig im Vergleich zu einer ungestörten Abfolge der Tage.
Da aber über allfällige Schaltungen im ursprünglichen Rundjahr nichts bekannt ist, kann das Datum des Übergangs zum Wandeljahr nicht näher bestimmt werden als mit dem vagen Hinweis, dies habe stattgefunden in der Zeitspanne von 60 Jahren vor bis 60 Jahre nach dem Jahr 480 vor Christus. Sieht man von der Theorie von Frau Boyce ab, so sind alle in der Literatur erwähnten Daten, sei es das Jahr 503, sei es das Jahr 441, möglich.
Als die Religion Zarathustras immer mehr Anhänger im Reich fand, verbreitete sich gleichermassen auch ihre Zeitrechnung. Das alte System mit seinen häufigen, von den obersten Priestern scheinbar willkürlich angeordneten Schaltungen war nicht mehr tragbar. Eine klare im ganzen Reich einheitliche Zeitrechnung wurde notwendig.
In der Antike gab es im Mittelmeerraum und im Nahen Osten nur zwei Kalendersysteme. Am weitesten verbreitet waren lunisolare Zeitrechnungen. Mit ihren scheinbar willkürlich wechselnden Monatslängen von 29 und 30 Tagen und mit einer Jahreslänge von ungefähr 354 oder 384 Tagen war sie für die Gemeinschaft der Zaroastrier völlig ungeeignet. Die einzige Zeitrechnung, die auf einem Sonnenjahr basierte, war der ägyptische Kalender. Er war im Iran wohlbekannt, war doch Ägypten seit den Zeiten des Kambyses Teil des Reiches der Achämeniden. Wollte man den Kalender reformieren blieb keine andere Möglichkeit als die Einführung eines Wandeljahres nach ägyptischen Vorbild. Man hatte lediglich fünf Tage im Jahr einzufügen und war damit die dauernden Schaltungen (zumindest für lange Zeit) los. Auch so stiess diese Reform sich auf genug Widerstand. Wie oben bereits erwähnt war von besonderer Bedeutung, dass die Abfolge der Monate und der Tage im Monat im Vergleich zum alten Sonnenjahr von 360 Tagen möglichst ungestört weiterlief.
Es findet sich nicht selten die Meinung, die Perser hätten einfach den ägyptischen Kalender übernommen. Sicher haben Kalender, die auf einem Wandelsjahr beruhen, immer gewisse Übereinstimmungen. Wie gross die Unterschiede in Wirklichkeit jedoch waren zeigt der folgende Vergleich:
A.: Iranischer Kalender zu Ende der Achämenidenzeit
B.: Iranischer Kalender zu Ende der Sassanidenzeit
C.: Ägyptischer Kalender
A | B | C | |||||
(I) Farwardin | 1 - 25 | (I) Farwardin | 6 - 30 | (IV) Kijak | 6 - 30 | ||
(I) | 26 - 30 | (II) Ordibehescht | 1 - 5 | (V) Tubeh | 1 - 5 | ||
(II) Ordibehescht | 1 - 25 | (II) | 6 - 30 | (V) | 6 - 30 | ||
(II) | 26 - 30 | (III) Chordad | 1 - 5 | (VI) Amschir | 1 - 5 | ||
(III) Chordad | 1 - 25 | (III) | 6 - 30 | (VI) | 6 - 30 | ||
(III) | 26 - 30 | (IV) Tir | 1 - 5 | (VII) Barmahat | 1 - 5 | ||
(IV) Tir | 1 - 25 | (IV) | 6 - 30 | (VII) | 6 - 30 | ||
(IV) | 26 - 30 | (V) Mordad | 1 - 5 | (VIII) Barmudeh | 1 - 5 | ||
(V) Mordad | 1 - 25 | (V) | 6 - 30 | (VIII) | 6 - 30 | ||
(V) | 26 - 30 | (VI) Schahriwar | 1 - 5 | (IX) Beschnes | 1 - 5 | ||
(VI) Schahriwar | 1 - 25 | (VI) | 6 - 30 | (IX) | 6 - 30 | ||
(VI) | 26 - 30 | (VII)Mehr | 1 - 5 | (X) Bauneh | 1 - 5 | ||
(VII) Mehr | 1 - 25 | (VII) | 6 - 30 | (X) | 6 - 30 | ||
(VII) | 26 - 30 | (VIII) Aban | 1 - 5 | (XI) Ebib | 1 - 5 | ||
(VIII) Aban | 1 - 25 | (VIII) | 6 - 30 | (XI) | 6 - 30 | ||
(VIII) | 26 - 30 | Epagomene | 1 - 5 | (XII) Misra | 1 - 5 | ||
(IX) Azar | 1 - 25 | (IX) Azar | 1 - 25 | (XII) | 6 - 30 | ||
(IX) | 26 - 30 | (IX) | 26 - 30 | Epagomene | 1 - 5 | ||
(X) Dey | 1 - 30 | (X) Dey | 1 - 30 | (I) Tut | 1 - 30 | ||
(XI) Bahman | 1 - 30 | (XI) Bahman | 1 - 30 | (II) Babah | 1 - 30 | ||
(XII) Esfand | 1 - 30 | (XII) Esfand | 1 - 30 | (III) Hatur | 1 - 30 | ||
Epagomene | 1 - 5 | (I) Farwardin | 1 - 5 | (IV) Kijak | 1 - 5 |
Diese Tabelle zeigt deutlich, dass von einer einfachen Übernahme des ägyptischen Kalenders keine Rede sein kann. Dazu waren die beiden Zeitrechnungen im fünften Jahrhundert vor Christus zu unterschiedlich. Erst nach der Verschiebung der Epagomenen an das Ende des achten Monats ähneln sich beide Zeitrechnungen etwas mehr.
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Bei Einführung des Wandeljahres lagen die Epagomenen wie gezeigt am Ende des Jahres, also vor dem ersten Monat Farwardin standen, bis zum Ende des Reiches der Achämeniden fanden keinerlei Schaltungen statt. In spätsassanidischer Zeit lagen die Epagomenen hingegen zwischen dem achten Monat Aban und dem neunten Monat Azar. Sie waren also im Laufe der Jahrhunderte verschoben worden. Wann und wie dies im Einzelnen geschah ist umstritten.
Die letzte Korrektur des Kalenders vor dem Ende des Sassanidenreiches beschreibt Biruni ausführlich. Damals seien die Epagomenen um zwei Monate verschoben worden. Dies sei mit grossen Feierlichkeiten verbunden gewesen und man habe einen ungeheuren Aufwand betrieben. Diese Schilderungen sind so detailreich, dass an ihrem wahren Kern nicht gezweifelt werden kann.[ 24 ] Biruni setzt dieses Ereignis zuerst in seinem ca. im Jahr 1000 geschriebenen Werk al Athar in die Regierungszeit von Yazdagird I. (399 - 420), korrigiert sich dann aber selbst und schreibt 30 Jahre später im al-Qanun, dies habe stattgefunden zur Zeit von Piruz (459 - 484).[ 25 ] Gemeinhin wird das Jahr 461 angenommen.[ 26 ] Damals war, wie sich leicht aus der Ära Yaszdegards III. zurückrechnen lässt, der Neujahrstag bereits auf den 26. Januar zurückgewichen, Frühlingsanfang war am 19. März. Hätte man nur um einen Monat geschaltet und den Jahresanfang auf den 25. Februar verlegt, wäre Nowruz 22 Tage vor Frühlingsbeginn zu feiern gewesen. Man entschloss sich folgerichtig, um zwei Monate zu schalten und Nowruz auf den 27. März zu legen. Dies hatte zwei Vorteile. Zum einen lag dieser Tag näher am Frühlingsanfang, zum anderen passte sich der Kalender im Laufe der folgenden Jahrzehnte immer besser den Jahreszeiten an. Die Epagomenen lagen nach dieser Korrektur zwischen dem 8. Monat Aban und dem 9. Monat Azar.
Nun ist noch der Zeitpunkt der restlichen sechs Schaltungen zu klären. Eine Stelle im Denkart geht ausführlich auf Schaltungen ein:
"Weil die religiösen Einrichtungen und Riten, die den Jahreszeiten angehören, aus der berechneten Jahreszeit herausgefallen waren - das heisst, sie sind an mehreren verschiedenen Jahreszeiten gefeiert werden - so wurden sie durch die Landesherren, die Vollstrecker der Befehle, zu den Jahreszeiten, zu denen sie von Natur gehören, zurückgeführt und in Übereinstimmung mit der Entwicklung der Pflanzen und der normalen Natur der Menschen gebracht.
Einschaltung eines Tages darf man nicht eher machen, als der Monat voll geworden ist; mehr als fünf Monate darf man nicht einschieben; Das ist die Vorschrift der heiligen Religion. Das ist dargestellt im Kapitel über Tage, Monate und Jahre."[ 27 ]
Diese Stelle legt nahe, dass wirklich einmal der Kalender um fünf Monate korrigiert wurde. Das wäre dann mit grösster Wahrscheinlichkeit zu Beginn der Herrschaft der Sassaniden geschehen. Dann bliebe noch eine Korrektur des Kalenders um einen Monat übrig, die in die Zeit der Arsakiden (ca. 250 v. Chr. - 224 n. Chr.) hätte stattfinden müssen. Ahnlich wie zu Zeiten der Achämeniden war die offizielle Zeitrechnung damals lunisolar, übernommen von den Seleukiden aber mit eigener Ära weitergeführt. Die eigentliche Zeitrechnung der Bevölkerung hingegen war weiterhin der zaroastrische Kalender. Die ältesten faktischen Nachweise für diesen Kalender wurden übrigens gefunden bei Ausgrabungen in der parthischen Hauptstadt Nisa. Sie stammen aus dem 1. Jahrhundert vor Chr. Leider fehlen Paralleldatierungen mit anderen Zeitrechnungen, die über Einzelheiten Auskunft geben könnten. Dass unter den Parthern Korrekturen am Kalender durchgeführt wurden, ist recht unwahrscheinlich. Am Anfang dieser Dynastie lag der 1. Farwardin bereits zwei Monate, zu ihrem Ende rund sechs Monate vor Frühlingsbeginn. Eine Schaltung im Kalender hätte daher mindestens zwei Monate, gegebenenfalls auch vier oder fünf Monate umfassen müssen. Hinzu kommt, dass Korrekturen einer Zeitrechnung immer ein Privileg der Regenten sind. Die oben zitierte Stelle aus Denkard bestätigt dies. Dass parthische Herrscher in Abstimmung mit dem Obersten Priester der Zaroastrier eine Kalenderreform durchgeführt haben sollen ist kaum denkbar. Sie standen iranischen Vorstellungen eher distanziert gegenüber.
Dies änderte sich grundlegend, als sich im Jahre 226 Ardaschir feierlich krönen liess und den traditionellen Titel "Schahinschah" annahm. Die Herrschaft der Sassaniden läutete eine Renaissance altiranischer Traditionen ein. Die Religion der Zaroastrier wurde Staatsreligion und ihr Kalender Staatskalender. Da die Schaltungen über viele Jahrhunderte hinweg vernachlässigt worden waren, musste der Kalender unverzüglich korrigiert werden. Am wahrscheinlichsten ist die Zeitspanne zwischen 230 und 240. Im Jahre 232 lag Nowruz Ende September. Alles spricht dafür, dass dies die erste Änderung des zaroastrischen Kalenders seit der Einführung des Wandeljahres vor über 700 Jahren war.
Die Anpassung des Kalenders war sicherlich kein leichtes Unterfangen. Zum einen sollten Nowruz und die anderen Festtage wieder in die jeweilige Jahreszeit fallen, zum anderen sollte der Ablauf der Monate und der Tage im Monat ungestört weiterlaufen. Dies schloss eine Schaltung um Tage oder Monate aus. Die Lösung war ebenso einfach wie wirkungsvoll. Man verlegte einfach die Epagomen. Man achtete darauf, dass sie so nahe wie möglich an den Beginn des Frühlings zu liegen kamen. Hierzu hatte man sie nur um sechs Monate zu verschieben vom Ende des Esfands an das Ende des Schahriwars. Die fünf Zusatztage, die Gatha-Tage, waren nach alter Sitte dem Andenken an die Seelen der verstorbenen Frommen, den fravašis, gewidmet.[ 28 ] Der fünfte Tag, der letzte Tag des Jahres, war der Tag des Abschiedsnehmens, die Seelen der Verstorbenen verliessen die Erde bevor der Morgen graute und das neue Jahr begann.[ 29 ] Der auf den fünften Gatha-Tag folgende Tag war daher zwangsläufig Nowruz. Früher war dies der erste Farwardin, nach der Verlegung der Epagomenen nun der erste Mihr. Die Gahanbars wurden dadurch ebenfalls wieder an die passenden Stellen gelegt, denn die Abstände der jeweiligen Jahrpunkte untereinander waren vorgegeben. 40 Tage nach Nowruz lag Maidhyazaremya, das Frühlingsfest, die weiteren Gahanbars folgten in den überlieferten Abständen.[ 30 ] So brachte allein die Verschiebung der Epagomenen eine Verlagerung aller Fest- und Feiertage mit sich.
Die folgende Tabelle soll den theoretischen Ablauf dieser Reform verdeutlichen. Wann sie genau stattfand ist wie gesagt nicht bekannt, fest steht jedoch, dass dies unter der Regentschaft von Ardaschir Papakan gewesen sein muss. Im folgenden wird rein willkürlich das Jahr 233 nach Christus angenommen, um durch einen direkten Vergleich mit dem julianisch/gregorianischem Kalender den Ablauf besser darstellen zu können. Ferner wird eine Jahreszählung im zaroastrischen Kalender unterstellt, die es nie gegeben hat. Sie beginnt mit dem Jahr 482 vor Christus. Im Jahre 232 (Frühlingsbeginn 21. März 10:21 Uhr) lag der Jahresanfang Ende September. Eine Schaltung um sechs Monate verlegte ihn auf den 28. März 233, also so nahe wie möglich an den Frühlingsanfang.
religiös bürgerlich greg. Kal JD 713 1. Farwardin 1. Farwardin 713 30. Sep. 230 1805338 --------- : : : 1. Esfand 1. Esfand 26. Aug. 231 1805668 365 Tage 1. Epagomene 1. Epagomene 25. Sep. 231 1805698 714 1. Farwardin 1. Farwardin 714 30. Sep. 231 1805703 --------- : : : 1. Esfand 1. Esfand 25. Aug. 232 1806033 360 Tage 1. Schaltmon I 1. Farwardin 715 24. Sep. 1806063 --------- 1. Schaltmon II 1. Ordibe. 24. Okt. 1806093 1. Schaltmon III 1. Chordad 23. Nov. 1806123 1. Schaltmon IV 1. Tir 23. Dez. 1806153 1. Schaltmon V 1. Mordad 22. Jan. 233 1806183 1. Schaltmon VI 1. Schahr. 21. Feb. 1806213 1. Epagomen 1. Epago 23. März 1806243 715 1. Farwar 1. Mihr 28. März 1806248 365 Tage 1. Ordi. 1. Aban 27. April 1806278 1. Chordad 1. Azar 27. Mai 1806308 1. Tir 1. Dei 26. Juni 1806338 1. Mordad 1. Bahman 26. Juli 1806398 1. Schahr 1. Esfand 25. Aug. 1806398 1. Mihr 1. Farward 716 24. Sep. 233 1806428 --------- 1. Aban 1. Ordibe 24. Okt. 1806458 : : :
Wie bereits mehrfach angesprochen fielen im Zusammenhang mit der ersten Reform des Kalenders fünf Tage aus dem Kalender heraus. Die obige Tabelle verdeutlicht diesen Vorgang noch einmal. Da man die Epagomenen vom Ende des ersten Jahres der Reform verschob in die Mitte des Folgejahres, hatte dieses erste Jahr nur mehr eine Länge von 360 Tagen. Dies hätte man vermeiden können, wenn man die Epagomenen vom Ende des Jahres zurückverlegt hätte in die Mitte des gleichen Jahres. Dann allerdings hätte man den religiösen Kalender der heiligen Schriften um sechs Monate und fünf Tage verschieben müssen. Man entschied sich für den ersteren Weg.
Im Übrigen bietet sich hier eine Erklärung an für die Bezeichnung der Epagomenen im Persischen als "gestohlene Tage". Sie wurden ja wirklich einmal heimlich aus dem Kalender entfernt.
Diese Reform führte nun zu der in der Literatur häufig behandelten Aufteilung der Zeitrechnung in zwei verschiedene Kalender, einen "bürgerlichen", "rōč-vihēžakik" oder "ōšmurtīk" genannt, und einen "religiösen" Kalender, "vihēžakik" genannt. Die Erklärungen hierzu sind sehr unterschiedlich.
Wie bereits ausgeführt genügte allein die Verschiebung der Epagomenen, um den Kalender wieder den Jahreszeiten anzupassen. Angesichts der vielen verschiedenen Darstellungen muss betont werden, dass es bis in das 11. nachchristliche Jahrhundert immer nur eine zaroastrische Zeitrechnung gab, seit der Regierungszeit Ardaschir Papakans den eben beschriebenen Kalender mit den Epagomenen nach dem sechsten Monat, nach der zweiten Korrektur in der Mitte des 5. Jahrhunderts dann nach dem achten Monat. Hinzu kam nun aber mit der ersten Reform eine Art Jahreskalender oder Jahresübersicht, der die alte Reihenfolge der Monate zugrunde lag. Der erste Monat war der Farwardin, die Epagomenen lagen am Jahresende. In diesem "religiösen Kalender" waren die Fest- und Feiertage nach ihrer ursprünglichen Lage verzeichnet. Hätte es diesen religiösen Festkalender nicht gegeben, hätte man mit jeder Korrektur des Kalenders auch die heiligen Schriften umschreiben müssen. Der Ausdruck "vihečakik" für diesen Kalender geht zurück auf das Verb "wihez, "to move" (intransitive), "to progress". Für das Nomen "vihečakik" ist sowohl die Bedeutung "intercalation" wie auch "movement" gesichert.[ 31 ] Die ursprünglich Bedeutung "Verschiebung" ist sicher angemessener als "Schaltung", auch wenn man diesen "religiösen" Jahreskalender auch durch eine Einschaltung Monaten deuten kann, wie die obige Tabelle zeigt.
Die Handhabung dieser auf den ersten Blick etwas seltsam anmutende Regelung ist recht einfach. Der "religiöse Kalender" und der offizielle "bürgerliche Kalender" mussten nur um die gleiche Anzahl von Monaten gegeneinander verschoben werden, um die die Epagomen verlegt worden waren. Wichtig war dabei nur, dass die Lage der fünf Gatha-Tage deckungsgleich war. Dann konnte man mit einem Blick ablesen, in welchem Monat welche Fest- und Gedenktage zu berücksichtigen waren. Dies war unabhängig davon, an welcher Stelle im Jahr sich nach allfälligen Schaltungen die Epagomenen befanden.
Die folgende Tabelle soll dies verdeutlichen:
vor der 1. Reform | nach der 1. Reform | nach der 2. Reform | |||||||||
gregor. ca. - 480 |
gregor. ca. 230 |
bürgerlich | religiös | gregor. ca. 233 |
gregor. ca. 460 |
bürgerlich | religiös | gregor. ca. 462 |
|||
(I) Farwar. | 21. 03. - 19. 04. | 30. 09. - 29. 10. | (I) Farwar. | (VII) Mihr | 24. 09. - 23. 10. | 31. 07. - 29. 08. | (I) Farwar. | (V) Mordad | 30. 07. - 28. 08. | ||
(II)Ordi. | 20. 04. - 19. 05. | 30. 10. - 28. 11. | (II)Ordi. | (VIII) Aban | 24. 10. - 22. 11. | 30. 08. - 28. 09. | (II)Ordi. | (VI) Schahr. | 29. 08. - 27. 09. | ||
(III) Chordad | 20. 05. - 18. 06. | 29. 11. - 28. 12. | (III) Chordad | (IX) Azar | 23. 11. - 22. 12. | 29. 09. - 28. 10. | (III) Chordad | (VII) Mihr | 28. 09. - 27. 10 | ||
(IV) Tir | 19. 06. - 18. 07. | 29. 12. - 27. 01. | (IV) Tir | (X) Dey | 23. 12. - 21. 01. | 29. 10. - 27. 11. | (IV) Tir | (VIII) Aban | 28. 10. - 26. 11. | ||
(V) Mordad | 19. 07. - 17. 08. | 28. 01. - 26. 02. | (V) Mordad | (XI) Bahman | 22. 01. - 20. 02. | 28. 11. - 27. 12. | (V) Mordad | (IX) Azar | 27. 11. - 26. 12. | ||
(VI) Schahr. | 18. 08. - 16. 09. | 27. 02. - 28. 03. | (VI) Schahr. | (XII)Esfand | 21. 02. - 22. 03. | 28. 12. - 26. 01. | (VI) Schahr. | (X) Dey | 27. 12. - 25. 01. | ||
(VII) Mihr | 17. 09. - 16. 10. | 29. 03. - 27. 04. | Gatha-Tage | Gatha-Tage | 27. 01. - 27. 03. | 27. 01. - 31. 01. | (VII) Mihr | (XI) Bahman | 26. 01. - 24. 02. | ||
(VIII) Aban | 17. 10. - 15. 11. | 28. 04. - 27. 05. | (VII) Mihr | (I) Farw. | 28. 03. - 26. 04. | 01. 02. - 02. 03. | (VIII) Aban | (XII)Esfand | 25. 02. - 25. 03 | ||
(IX) Azar | 16. 11. - 15. 12. | 28. 05. - 26. 06. | (VIII) Aban | (II) Ordi. | 27. 04. - 26. 05. | 03. 03. - 01. 04. | Gatha-Tage | Gatha-Tage | 26. 03. - 30. 03. | ||
(X) Dey | 16. 12. - 14. 01. | 27. 06. - 26. 07. | (IX) Azar | (III) Chordad | 27. 05. - 25. 06. | 02. 04. - 01. 05. | (IX) Azar | (I) Farw. | 31. 03. - 29. 04. | ||
(XI) Bahman | 15. 01. - 13. 02. | 27. 07. - 25. 08. | (X) Dey | (IV) Tir | 26. 06. - 25. 07. | 02. 05. - 31. 05. | (X) Dey | (II) Ordi. | 30. 04. - 29. 05. | ||
(XII) Esfand | 14. 02. - 15. 03. | 26. 08. - 24. 09. | (XI) Bahman | (V) Mordad | 26. 07. - 24. 08. | 01. 06. - 30. 06. | (XI) Bahman | (III) Chordad | 30. 05. - 28. 06. | ||
Gatha-Tage | 16. 03. - 20. 33. | 25. 09. - 29. 09. | (XII) Esfand | (VI)Schahr. | 25. 08. - 23. 09. | 01. 07. - 30. 07. | (XII) Esfand | (IV) Tir | 29. 06. - 29. 07. |
Diese hier vorgestellte Erklärung der Verschiebungen der Monate ist allerdings nicht unumstritten. Wie verschieden ein und die gleiche Quelle interpretiert werden kann zeigt eine Stelle aus Zadspram, Kapitel 25
Taqizadeh schreibt:
<< "In the 47th year died Zaratušt, who was aged 77 years 40 days, in the month Artavahišt, on the day Xwar. By eight month vihēzakik it has been carried to the month Dadv and the day Xwar, which vihēzakik month is the same month Artavahišt."
This no doubt means that the eleventh day of the tenth month of the civil year corresponded to the eleventh day of the second month of the fixed year (religious year). >>[ 32 ]
Bei Boyce heisst es:
<< The change is recorded as follows: ' In the 47th year [i.e. after his revelation] Zoroaster passes away, who is 77 years and 40 days (in age) - month Ardvahišt, day Xvar. Through 8 "moving" month it has bee carried to month Dai, day Xvar. So the religious services (are) also in month Ardvahišt ' (pad 47-sālag[īh] widarēd Zardušt, kē bawēd 77 sāl ud 40 rōz - Ardwahišt māh rōz Xwar, pad 8 mah ī wihēzag ō Dai māh Xvar rōz barīhist. čeōn yazišnīh ham Ardwahišt māh). >> Sie geht im folgenden davon aus, dass es sich um zwei 8 Monate auseinanderliegende Tage handelt.[ 33 ]
De Blois gibt eher eine Interpretation, die Übersetzung bei Taqizadeh erklärt er schlicht als "wrong":
<< We read here that Zoroaster died "in the month of Urdibihišt (=2nd), on the day of Xwar (=11th), but pad hašt māh wihēzag (it) was transferred (lit.: carried) to the month Day (=10th) and the day Xwar (=11th), whereas for the purposes of ritual (the anniversary remains in) the same month of Urdibihišt". What is quite clear is that the author is attempting to explain the fact that the anniversary of the prophet's death is commemorated twice in the Zoroastrian year, first on 11 Urdibehišt, and then in eight month later an 11 Day. The words pad hašt māh wihēzag could indeed mean "in (the course of) the intercalation of eight month", that is to say, the eight months which, according to Muslim sources, the Persians inserted into their calendar at various times in the distant past. Although this is possible, it is somewhat difficult to see why the intercalation of eight months should have resulted in a change in the date of the anniversary of Zoroaster's death. >>[ 34 ]
Einzig Taqizadeh geht davon aus, dass hier der zweite Monat Ordibehescht des um acht Monate verschobenen religiösen Kalenders mit dem zehnten Monat Dey des amtlichen Kalenders identisch ist und es sich deshalb in beiden Fällen um den gleichen Tag handelt. Seine Deutung ist die einzig mögliche, wie die folgenden Ausführungen zeigen:
Wie oben angeführt schildert die religiöse Literatur die Verhältnisse der späten Sassanidenzeit, also nach der zweiten Korrektur in der Mitte des fünften Jahrhunderts. Für diese Zeit ist der "bürgerliche" Kalender gut dokumentiert. Jedes Datum lässt sich eindeutig in eine andere Zeitrechnung, zum Beispiel in den julianischen Kalender, umrechnen. Dies wird von niemandem bestritten. Kapitel 25 des Bundahischn beschäftigt sich mit den Jahreszeiten:
"Es verhält sich ja so, dass im Schaltmonatskalender der Monat Fravartin, der Monat Urtavahišt und der Monat Hordat den Frühling bilden; der Monat Tir, der Monat Amurdat und der Monat Šahrevar den Sommer; der Monat Mihr, der Monat Apan und der Monat Atur den Herbst; und der Monat Dadv, der Monat Vahuman und der Monat Spandarmat den Winter."
Der Frühling beginnt demnach mit dem Farwardin. Im "bürgerlichen" Kalender ist der Monat Azar der erste Monat im Frühling. Die Lage beider Monate im Sonnenjahr ist also identisch,
"Vom Maidyošam-Feste ab, das auf den Tag Xuar des Monates Tir im Schaltmonatkalender Fällt, bis zum Maidyairi-Fest, das auf den Tag Varhran des Monats Dadv im Schaltmonatskalender fällt, nimmt der Tag ab und die Nacht zu; und vom Maidyairi-Feste ab bis zum Maidyošam-Feste nimmt die Nacht ab und der Tag zu".[ 35 ]
Daraus geht klar hervor, dass der 11. Tag des 4. Monats Tir in der Nähe des Sommersolstitiums und der 20. Tag des 10. Monats Dey in der Nähe des Wintersolstitiums liegt. Die entsprechenden Monate im "bürgerlichen" Kalender sind der Esfand und der Schahriwar.
Weiter Belegstellen lassen sich aufführen.
Die folgenden Tabellen sollen das Verhältnis von amtlichen und religiösen Kalender zu den verschiedenen Zeiten noch einmal verdeutlichen. Die römischen Zahlen stehen für die jeweiligen Monate:
Ursprüngliche Lage
Bürgerl. Kalender | I | II | III | IV | V | VI | VII | VIII | IX | X | XI | XII | E | I | II | III | IV | V | VI |
Relig. Kalender | I | II | III | IV | V | VI | VII | VIII | IX | X | XI | XII | E | I | II | III | IV | V | VI |
Jahreszeiten | Frühling | Sommer | Herbst | Winter | Frühling | Sommer |
Nach der Verschiebung der Epagomenen um sechs Monate ca. im Jahre 230 nach Chr.
Bürgerl. Kalender | I | II | III | IV | V | VI | E | VII | VIII | IX | X | XI | XII | I | II | III | IV | V | VI | E |
Relig. Kalender | VII | VIII | IX | X | XI | XII | E | I | II | III | IV | V | VI | VII | VIII | IX | X | XI | XII | E |
Jahreszeiten | Herbst | Winter | Frühling | Sommer | Herbst | Winter |
Nach der Verschiebung der Epagomenen um weitere zwei Monate ca. 461 nach Chr.
Bürgerl. Kalender | I | II | III | IV | V | VI | VII | VIII | E | IX | X | XI | XII | I | II | III | IV | V | VI |
Relig. Kalender | V | VI | VII | VIII | IX | X | XI | XII | E | I | II | III | IV | V | VI | VII | VIII | IX | X |
Jahreszeiten | Sommer | Herbst | Winter | Frühling | Sommer | Herbst | W. |
Die Reform des Kalenders wurde unverzüglich wohl nur von der oberen Priesterschaft umgesetzt. Es dauerte sicher Jahre bis Jahrzehnte, bis die Bevölkerung auch in den entlegenen Gebieten diese Neuerungen übernahmen. Dies ging nicht ohne Schwierigkeiten vonstatten. Weite Teile der Gläubigen liessen auch im Jahre der Reform dem 30. Esfand die fünf Gatha-Tage folgen. Ihr Kalender hinkte daher erst einmal um diese fünf Tage hinter der offiziellen Zeitrechnung zurück.
Die folgende starke vereinfachende Tabelle, die den Prozess der Umstellung auf ein Jahr zusammenrafft, soll dies verdeutlichen. Sie zeigt zum einen den "amtlichen" Kalender, zum anderen den Monatsbeginn bei all denen, die den Ausfall der fünf Tage nicht berücksichtigten:
amtlich abweichend --------------------------------------- ------------------------------------- 1. Farwardin 713 30. Sep. 230 1. Farwardin 713 30. Sep. 230 : : : : 1. Esfand 26. Aug. 231 365 Tage 1. Esfand 26. Aug. 231 365 Tage 1. Epagomene 25. Sep. 1. Epagomene 25. Sep. --------------------------------------- --------------------------------------- 1. Farwardin 714 30. Sep. 1. Farwardin 714 30. Sep. : : : : 1. Esfand 25. Aug. 232 360 Tage 1. Esfand 25. Aug. 232 365 Tage 1. Epagomene 24. Sep. -------------------------------------- --------------------------------------- 1. Farwardin 715 24. Sep. 1. Farwardin 715 29. Sep. 1. Ordibe. 24. Okt. 1. Ordibe. 29. Okt. 1. Chordad 23. Nov. 1. Chordad 28. Nov. 1. Tir 23. Dez. 1. Tir 28. Dez. 1. Mordad 22. Jan. 233 1. Mordad 27. Jan. 233 1. Schahr. 21. Feb. 365 Tage 1. Schahr. 26. Feb. 365 Tage 1. Epagomen 23. März 1. Epagomene 28. März 1. Mihr 28. März 1. Mihr 02. April 1. Aban 27. April 1. Aban 02. Mai 1. Azar 27. Mai 1. Azar 01. Juni 1. Dei 26. Juni 1. Dei 01. Juli. 1. Bahman 26. Juli 1. Bahman 31. Juli 1. Esfand 25. Aug. 1. Esfand 30. Aug. ----------------------------------- ----------------------------------------- 1. Farwardin 716 24. Sep. 1. Farwardin 716 29. Sep. 1. Ordibe. 24. Okt. 1. Ordibe. 29. Okt.
Für einen nicht zu kurzen Zeitraum gab es zwei Kalender nebeneinander. Neujahrstag war für viele nicht der 1. Mihr sondern der 6. Mihr, der dem alten 1. Farwardin entsprach, so man nicht fünf Tage aus dem neuen Kalender ausfallen liess. Um nun allen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen und die religösen Vorschriften auf jeden Fall einzuhalten, feierte man zweimal, einmal am 1. Mihr "Nowruz", und einmal am 6. Mihr "Greater Nowruz". Was für den Neujahrsstag zutrifft, gilt natürlich auch für die anderen Feiertage wie die Gahanbar. Das Frühlingsfest Maidhyazaremya lag zum Beispiel ursprünglich am 11. Ordibehescht, nun aber am 11. oder 15. Aban, nach der zweiten Reform am 11. oder 15. Dey. Gefeiert wurde vom 11. bis zum 15. des jeweiligen Monats.[ 36 ]
Zu Ende der Herrschaft der Sassaniden hatten die Gahanbar dann folgende Lage:
I.: | Maidhyazaremya (Frühlingsfest) | 11 - 15. Dey, 40 Tage nach Nowruz | |
II.: | Maidhyoschema (Mittsommer, Sonnwende) | 11. - 15. Esfand | |
III.: | Paitisschhahya (Erntezeit) | 26. - 30. Ordibehescht | |
IV.: | Ayathrema (Sammeln des Viehs) | 26. - 30. Chordad | |
V.: | Maidhyairya (Mittwinter, Sonnwende) | 16. - 20. Schahriwar | |
VI.: | Hamaspathmaedhya (Beginn der Feldarbeit) | 1.- 5. Gatha-Tag [ 28 ] |
So erklärt sich die Verdopplung der Feiertage beziehungsweise die Verlängerung der Feierlichkeiten auf fünf bis sechs Tage aus den Unsicherheiten, die die Kalenderreform mit sich gebracht hatte. Denn, wie bereits gesagt, es gab nur eine Alternative: Entweder man vermied den Ausfall der fünf Tage, musste dann aber den "religiösen" Kalender um sechs Monate und fünf Tage verschieben, oder man lies im "bürgerlichen" Kalender fünf Tage ausfallen und verschob den "religiösen" Kalender um sechs Monate. Letztendlich setzte sich die zweite Möglichkeit durch.
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Nach der Eroberung des Irans durch islamische Truppen gab es vorerst keinerlei Korrekturen mehr. Die Jahrpunkte verschoben sich immer weiter gegen die Jahreszeiten. In den Jahren 1005 bis 1008 nach Christus fiel nun der 1. Farwardin wieder auf den Tag des Frühlingsbeginns. Dies wurde zum Anlass genommen, die Epagomenen an ihren angestammten Platz, das Jahresende, zu legen. Ausgegangen sein dürfte die Anregung zu dieser Korrektur diesmal von islamischen Astronomen, allen voran ist hier Kuschyar ibn Labban zu nennen.[ 37 ] Von den Astronomen und Naturwissenschaftlern wurde diese Korrektur gerne angenommen, bis sie sich auch bei der Bevölkerung durchgesetzt hatte bedurfte es noch Jahrzehnte bis Jahrhunderte. In seinem 1030 verfassten Werk Qanun al-Masud schreibt Biruni, << that "now", in the days of the Daylamites (Buyids), in Western Persia, the five Gatha days "have been moved" to the end of Isfandarmud (the twelfth month) without the intercalation of four months (i.e. the then supposedly overdue ninth, tenth, eleventh and twelfth intercalations) "but this did not become well known afterwards, except in their own kingdoms, for many of the Magians of Khurasan have rejected it". >>.[ 38 ] Diese Verlegung der Epagomenen machte natürlich die bisherige Aufteilung in einen "religiösen" und einen "bürgerlichen" Kalender hinfällig, die Frage einer Schaltung im religiösen Kalender stellt sich nicht mehr. Streng genommen müsste man allerdings sagen, diese Verlegung der Epagomenen führte auch zu einer weiteren Verschiebung des "religiösen" gegen den "bürgerlichen" Kalender. Der Unterschied betrug nun ein ganzes Jahr. Da aber der "vihēžakik" Kalender keine eigentliche Zeitrechnung war und somit auch keine Jahreszählung hatte, war dieser Unterschied nicht erkennbar.
In der beschriebenen Form, mit den Epagomenen am Ende des Jahres, wird dieser Kalender noch heute unverändert von einem grossen Teil der Zaroastrier benutzt. Die Jahre werden gezählt nach dem Regierungsantritt des letzten sassanidischen Herrschers Yazdegard III. Im Jahre 1131 nach Christus hatte sich Nowruz wieder um 30 Tage gegen den Frühlingsanfang verschoben. In Indien lebende Parsen nahmen dies zum Anlass, einen Schaltmonat von 30 Tagen einzufügen, ohne Verschiebung der Epakten, den scheinbaren Unterschied zwischen religiösem und bürgerlichen Kalender gab es ja nicht mehr.[ 39 ] Dies war das erste und einzige Mal, dass im zaroastrischen Kalender eine derartige Schaltung gab. Dieser Kalender wurde "rasmi" oder "schenschai" (schahanschahi) genannt im Gegensatz zum alten Kalender ("qadimi") der iranischen Anhänger Zarathustras, die diese Korrektur nicht mitgemacht hatten. Beide Kalender unterscheiden sich um genau 30 Tage. Um das Jahr 1720 nach Christus kehrte ein Teil der indischen Parsen zum "qadimi" Kalender zurück.[ 40 ] Zu Beginn des 20. Jahrhunderts spaltete sich im Rahmen der Auseinandersetzungen um die richtige Zeitrechnung eine weitere Gruppe ab, die den 1. Farwardin immer auf den Tag des Frühlingsanfangs legt. Dieser "fasli" genannte Kalender ist also nicht anderes als die 1079 von Sultan Dschalal ad Din Malik Schah eingeführte Zeitrechnung.
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Es gab bis zur Islamisierung des Iran immer nur einen zaroastrischen (altiranischen) Kalender, eingeführt in der ersten Hälfte des 5. vorchristlichen Jahrhunderts. Ihm lag das Sonnenjahr zugrunde. Das Kalenderjahr bestand aus 12 Monaten zu je 30 Tagen sowie 5 Zusatztagen, die am Ende des Jahres lagen. Da das Kalenderjahr kürzer war als das astronomische Sonnenjahr verschob sich dieser Kalender im Laufe der Jahrhunderte gegen die Jahreszeiten.
In der ersten Hälfte des 3. nachchristlichen Jahrhunderts wurde der Kalender erstmals korrigiert. Die fünf Zusatztage wurden an das Ende des 6. Monats verschoben. In der Mitte des 5. Jahrhunderts wurden sie in einer zweiten Korrektur um weitere zwei Monate verlegt an das Ende des 8. Monats.
Von dem ursprünglichen Kalender mit den Zusatztagen am Ende des Jahres blieb lediglich eine Liste der Monate mit den Daten der Feiertage, entsprechend den heiligen Schriften. Diese Liste musste nun um genauso viele Monate verschoben werden wie die Zusatztage bei den jeweiligen Korrekturen verschoben worden waren. Nach der ersten Korrektur fiel somit der erste Monat dieser Liste mit dem 7. Monat, nach der zweiten Korrektur mit dem 9. Monat zusammen. Die Lage der Festtage konnte dadurch eindeutig bestimmt werden.
Es war dies eine höchst einfache aber wirkungsvolle Art, Einschaltungen von Tagen oder Monaten im Kalender zu vermeiden und dennoch die Fest- und Feiertage immer in die richtige Jahreszeit zu setzen.
Um die Daten in diesem Artikel besser überprüfen zu können wurde ein eigener Kalenderrechner entwickelt.
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zur Bibliografie
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[ 1 ] Biruni 1879
[ 2 ] Biruni a.a.O., S. 12 - 13, 54 - 56
[ 3 ] hrsg. 1954 -56 in Hydarabad, nicht im Original eingesehen
[ 4 ] Eine deutsche Übersetzung der wichtigsten Stellen der zaroastrischen Literatur, die sich auf den Kalender beziehen, findet sich bei Nyberg (1934). Englische Übersetzungen im Internet auf der Seite von http://www.avesta.org. Bei der englischen Fassung des Denkart dürfte es sich um jene Übersetzung handeln, die bei Nyberg (1934) als "wertlos" bezeichnet wird.
[ 5 ] Dieser von Ginzel geprägte Ausdruck soll im folgenden durchgehend für diese Jahresform verwendet werden, im Gegensatz zum "Wandeljahr" von 365 Tagen, vg. Ginzel 1914, Bd. I, S. 69
[ 6 ] Ginzel a.a.O., S. 127, Anm. 1
[ 7 ] Ginzel a.a.O., S. 170
[ 8 ] Ginzel a.a.O., S. 17
[ 9 ] Ginzel, a.a.O. S. 312
[ 10 ] Taqizadeh (1952), S 607; Hartner 1985, S. 750
[ 11 ] Birunu (1879), S. 13
[ 12 ] vergleiche die Umrechnungstabellen von Parker-Dubberstein (1956)
[ 13 ] Hartner (1979) und Hartner (1985)
[ 14 ] Hartner (1979), S. 11. Eine befriedigende Erklärung, warum er die Epagomenen im religiösen Kalender auf den Farwardin folgen lässt, gibt er nicht. Soweit erkennbar ist er der einzige, der diese Meinung vertritt.
[ 15 ] Taqizadeh (1952)
[ 16 ] Boyce (1970), S. 517
[ 17 ] so zum Beispiel Taqizadeh (1939), Taqizadeh (1937), Bickermann (1983) oder auch Panaino (1990a)
[ 18 ] Blois (1996)
[ 19 ] vgl. auch hierzu Ginzel (1914), Bd. 3, S. 314 - 319
[ 20 ] vgl. Taqizade (1939)
[ 21 ] de Blois a.a.O.
[ 22 ] Ginzel (1914), Bd. 3, S. 28
[ 23 ] Nyberg (1934), S. 45
[ 24 ] Biruni (1879), S. 54
[ 25 ] Blois (1996), S. 40
[ 26 ] so auch Abollahy (1988), S. 190 ff.
[ 27 ] nach Nyberg (1934), S. 39
[ 28 ] Taqizadeh (1938), S. 46
[ 29 ] Boyce (1970), S. 519; Dinkart V, 29]
[ 30 ] vgl. hierzu z.B. Boyce 1970
[ 31 ] Blois (1969), S. 43, vgl. auch Encyclopaedia Iranica, IV, S. 283 b]
[ 33 ] Taqizadeh (1937), S. 132
[ 33 ] Boyce (1970), S. 530
[ 34 ] Blois (1996), S. 43
[ 35 ] Nyberg (1934), Seite 19 und Seite 11
[ 36 ] vgl. die Arbeiten von Boyce, die allerdings einen ganz anderen Schaltung ausgeht
[ 37 ] Blois (1996), S. 41
[ 38 ] nach Blois (1996), S. 42, wobei nicht immer ganz klar wird, was von Biruni stammt und was von de Blois
[ 39 ] Taqizadeh 1937, S. 918
[ 40 ] nach Abdollahy (1988), S. 263 im Jahr 1090 Yazdegardi, vgl. auch Taqizadeh (1937a), S, 918; Taqizadeh (1937c), S. 604; Taqizadeh (1938), S. 50, jeweils ohne Quellenangabe
zur Bibliografie
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