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N A. B | Der Osterstreit | ||||
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Im Mittelpunkt der christlichen Religion steht der Glaube an die Kreuzigung und die Auferstehung Jesu Christi, die nach dem Zeugnis der Evangelien in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem jüdischen Passafest steht. Ostern, die Jahrfeier der Auferstehung, ist das älteste und heiligste Fest der Christen, schon von der christlichen Urgemeinde begangen. Diese erste christliche Gemeinschaft bestand ausschliesslich aus Juden, die weiterhin mit allen anderen Juden die Vorschriften der Thora einhielten. Während letztere allerdings noch den Messias erwarteten, waren die Christen der Überzeugung, er habe bereits in der Gestalt Jesu auf Erden geweilt, sei gekreuzigt worden und am dritten Tage wieder auferstanden. Gemeinsam mit den Juden feierten sie zwar das Passah, gaben ihm aber ein vollkommen anderes Gepräge. Während die Juden die Nacht vom 14. auf den 15. Nisan mit einem heiteren Festmahl in Erinnerung an ihre Rettung aus Ägypten einleiteten, um erst später in eine feierliche Getragenheit mit Gebeten um die Ankunft des Messias überzugehen, begannen die Christen diese Nacht in Erinnerung an die Kreuzigung und den Tod Jesu mit Fasten, auch stellvertretend für die anderen Juden. Nach Mitternacht erst feierten sie dann die Auferstehung mit einem gemeinsamen Mahl und der Eucharistie. Aus dieser Feier der Urgemeinde entwickelte sich die quartadecimanische Osterfeier, deshalb quartadecimanisch genannt, weil sie am Abend des 14. Tages des Monats Nisan begann.
Daneben feierten die Christen von Anfang an die Auferstehung am Sonntag, und zwar an jedem Sonntag im Jahr, mit der Eucharistie oder einem gemeinsamen Liebesmahl, der Agape. Es war nur naheliegend, die Jahrfeier der Auferstehung auch auf einen Sonntag zu verschieben. Dies geschah zuerst in Gemeinden, die der jüdischen Tradition ferne standen.
So gab es schon sehr früh unterschiedliche Auffassungen über das richtige Osterdatum. Die einen feierten unabhängig vom Wochentag zeitgleich mit dem jüdischen Passah, die anderen erst am folgenden Sonntag. Ende des 2. Jahrhunderts kam es in Rom zu einer ersten heftigen Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Gruppen. Die Hauptstadt war ein Schmelztiegel der unterschiedlichsten Nationen des gesamten Reiches, und so gab es dort auch eine Vielzahl christlicher Gemeinden, die häufig noch Kontakte zu ihrer ursprünglichen Heimat hatten, darunter auch viele Quartadecimanier. Um das Jahr 190 schrieb Bischof Victor die Sonntagsfeier den römische Christen vor und exkommunizierte alle, die sich dem widersetzten. Letztendlich war er zumindest in Rom und im gesamten Westen des Reiches erfolgreich, dort gab es bald kaum noch quartadecimanische Osterfeiern.
Alle christlichen Gemeinden, ob sie nun die Sonntagsfeier schon eingeführt hatten oder nicht, mussten sich anfänglich bei der Festlegung des Osterdatums nach dem Passah der Synagoge richten. Nach dem Alten Testament ist Passah zu feiern am Abend des 14. Tages des Frühlingsmonats Nisan. Die Juden hatten und haben noch heute einen Kalender, bei dem sich der Monatsanfang an dem Neumond orientiert und in dem in jedem zweiten oder dritten Jahr ein zusätzlicher Monat eingeschoben wird, um das Mondjahr dem Sonnenjahr anzugleichen. Wenn der Monat mit Neumond oder genauer mit der ersten Sichtung der Mondsichel nach Neumond beginnt, so ist sein 14. Tag der Tag des Vollmondes. Zu Zeiten Christi bestimmte der Hohe Rat die Schaltungen. Nach der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 geriet der Kalender der Juden vor allem in der Diaspora in völlige Unordnung, denn im Alltag gebrauchten sie alle einen auf das Sonnenjahr gegründeten bürgerlichen Kalender, der den Mondlauf nicht berücksichtigte. Zumeist verstand man es, den Passahtag einigermassen korrekt zu bestimmen, nicht selten aber setzten jüdische Gemeinden ihr Passah weit vor den Tag des Frühlingsbeginns. Diese Konfusion im damaligen jüdischen Kalender übertrug sich auch auf die Osteransetzung. So feierten Christen, die sich mit den Juden nach dem Vollmondtag im März oder gar schon Ende Februar richteten, häufig Ostern vier Wochen früher als die Mehrheit ihrer Glaubensbrüder. Sie wurden daher auch Protopaschisten genannt.
Mitte des zweiten Jahrhunderts begannen die ersten christlichen Gemeinden das Datum ihrer Osterfeiern unabhängig von der Synagoge zu bestimmen, zuerst wohl Alexandria und Rom. Sie standen nun vor der Aufgabe, nach den Vorgaben des Alten Testaments den 14. Tag des "ersten Monats" zu bestimmen und festzustellen, auf welchen Tag im bürgerlichen Kalender dieser Tag des "Frühlingsvollmonds" fällt, ein nicht gerade leichtes Unterfangen, zumal man für die Osterrechnung auch noch den Wochentag berücksichtigen musste. Ein Mondjahr, bestehend aus 12 Mondmonate zu abwechselnd 29 und 30 Tage. ist rund 11 Tage kürzer als ein Sonnenjahr. Fällt also der Vollmond in einem Jahr auf ein bestimmtes Datum, zum Beispiel auf den 5. April, wird dieser Vollmond in folgenden Jahr 11 Tage früher eintreffen, also am 25. März. Ein weiter Jahr später fällt der Vollmond auf 14. März. Da dieser Tag nicht mehr im Frühlingsmonat liegt muss man nun den nächsten Vollmond 30 Tage später am 13. April abwarten, also einen Schaltmonat einfügen. Irgendwann wird im Laufe der Jahre wieder ein Vollmond auf den 5. April fallen, der Zyklus beginnt von neuem. Zuweilen muss man allerdings das Mondjahr um einen Tag verlängern oder verkürzen, um es dem Lauf des Mondes besser anzupassen und vor allem um möglichst schnell wieder auf das Ausgangsdatum des Zyklus zurückzukommen. Dies stört die Regelmässigkeit der Abfolge, der Mond scheint im Kalender einen Sprung zu machen. Daher wird diese Schaltung "Mondsprung", lateinisch "saltus lunae", genannt. Die Tage im Mondmonat werden durchgezählt. Der erste Tag des Monats ist Luna I. Mond 1, der 14. Tag, der Tag des zyklischen Vollmondes ist Luna XIV, Mond 14. Diese Anpassung des Mondjahres an das Sonnenjahr wird zumeist einfach Mondgleichung genannt.
Für ihre ersten eigenen Vorausberechnungen des Ostertages griffen die Christen auf einen Zyklus von acht Jahren zurück, der sogenannten Octoaeteris, die seit Jahrhunderten bekannt war. Nach acht Jahren fällt hier jede Mondphase, also auch die Luna XIV des Ostermonats, wieder auf das gleiche Datum im Sonnenjahr. Nach 56 Jahren, also nach sieben Zyklen, wiederholt sich auch die Folge der Wochentage und damit das Datum des Ostersonntags. So einfach die Octoaeteris auch ist, sie hat einen Nachteil, sie ist nicht sehr genau. Immer wieder musste man den Zyklus dem wahren Lauf des Mondes anpassen.
In der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts entwickelte der aus Alexandria stammende Anatolius, Bischof von Laodikäa in Syrien, ein in den Naturwissenschaften hochgebildeter Mann, eine Ostertabelle, der ein Zyklus von 19 Jahren zugrunde lag, eine sehr gute Anpassung des Mondlaufes an das Sonnenjahr. Berücksichtigt man die Abfolge der Wochentage dann wiederholt sich die Reihenfolge der Ostertage allerdings erst nach 532 Jahren. Diese Tabelle des Anatolius, die Mitte des vierten Jahrhunderts noch leicht modifiziert wurde, bildete die Grundlage der Osterberechnung von Alexandria.
Auch in Rom wurde im 3. Jahrhundert eine neue Osterberechnung eingeführt, sie beruhte auf einem Zyklus von 84 Jahren. Diese Anpassung des Mondjahres ist zwar nicht so genau wie die von Alexandria, hat aber den Vorteil, dass sich nach Ablauf von 84 Jahren nicht nur die Abfolge der luna XIV sondern auch die des Ostersonntags selbst wiederholt, da 84 Jahre drei Sonnenzirkeln von je 28 Jahren entsprechen.
Zwischen Rom und Alexandria gab es nicht nur in der Berechnung der Luna XIV Unterschiede sondern auch in der Frage auf welches Datum der Ostersonntag nach den kanonischen Vorschriften überhaupt fallen darf. Für Alexandria war der früheste Termin für Luna XIV der 21. März, nach ihrer Auffassung der Tag des Frühlingsbeginns. Ostern war dann an dem Sonntag, der der Luna XIV unmittelbar folgte, fiel also in den Zeitraum Luna XV bis Luna XXI. Der Ostersonntag konnte somit frühestens auf den 22. März fallen, der späteste Termin, der möglich war, war der 25. April. Die Römer waren hier ganz anderer Meinung. Ein Ostern an Luna XV wurde abgelehnt, dies erinnerte zu sehr an die quartadecimanische Feier. Für Rom hatte der Ostersonntag im Zeitraum Luna XVI bis Luna XXII zu liegen. Spätester Termin war in Rom der 21. April, eine Regel, die bis auf den Apostel Petrus zurückgeführt wurde. Dies bewirkte wiederum, dass der früheste Termin für Luna XIV der 15. März war, Ostersonntag konnte somit auch auf den 17. März fallen.
Zu Beginn des 4. Jahrhunderts gab es noch eine Vielzahl unterschiedlicher Ostertermine. Zwar hatte sich die Sonntagsfeier weitgehend durchgesetzt, im Osten gab es aber auch noch zahlreiche quartadecimanische Gemeinden. Zudem richteten sich immer noch viele Christen, die bereits die Sonntagsfeier eingeführt hatten, nach dem Passah der örtlichen Synagoge. Lediglich Rom und Alexandria einschliesslich der von ihnen abhängigen Bistümer hatten ihre eigenen, von den Juden unabhängigen Osterberechnungen. Damals waren die Christen noch eine kleine immer wieder verfolgte Minderheit. Abweichende Meinungen in der Osterfrage konnten toleriert werden. Dies änderte sich, nachdem Konstantin Ende des Jahres 312 die Alleinherrschaft über das römische Westreich errungen hatte. Er förderte die Christen nach allen Kräften. Dem Kaiser schwebte eine einheitliche Reichsreligion vor auf Grundlage des Christentums. Dafür mussten aber die Christen selbst zu einer Einheitlichkeit finden, auch in der Osterfrage. Schon im Jahre 314 rief er alle Bischöfe zu einem Konzil nach Arles zusammen. Teilnehmen konnten natürlich nur Vertreter des von ihm beherrschten Westreiches. Festgelegt wurde, dass Ostern überall am gleichen Tag gefeiert werden müsse. Der Bischof von Rom solle jedes Jahr den Termin verkünden.
Im Herbst des Jahres 324 besiegte Konstantin den Kaiser des Ostreichs und vereinigte beide Reichsteile unter seiner alleinigen Herrschaft. Unverzüglich lud er zu einem weiteren Konzil nach Nikäa. Im Mai 325 begann die Synode, an der über 300 Bischöfe teilnahmen. Allerdings war es eine rein orientalische Versammlung, der Westen war kaum vertreten. Über die Osterfrage wurde heftig diskutiert. Unmittelbar nach Abschluss der Versammlung informierte der Kaiser in einem Sendschreiben alle Bischöfe, nur rund ein Fünftel hatte ja persönlich teilgenommen, über die Ergebnisse in dieser wichtigen Frage: Oberster Grundsatz war, dass alle Christen Ostern an ein und demselbenTag zu feiern haben. Mehrfach verdammt er ein "Feiern mit den Juden". Dies bedeutet, dass nun die Sonntagsfeier vorgeschrieben war, die Bischöfe hatten dies mit grosser Mehrheit beschlossen, den Quatradecimanier drohte Exkommunikation. Ferner betont der Kaiser, dass die Christen den Ostertag selbst nach eigenen kirchlichen Kriterien zu bestimmen hätten. Er war offensichtlich darüber verärgert, dass Juden die Christen verspotteten, weil sie den Termin ihrer Osterfeier in der Synagoge erfragen mussten. Weitergehende Beschlüsse fasste das Konzil nicht. Insbesondere wurden keine Ostergrenzen festgelegt.
Rom und Alexandria konnten bei ihren jeweiligen Regeln bleiben, beide waren konzilskonform. Schon vor Nikäa hatten man sich offensichtlich über Termine abgestimmt, nun war man dazu verpflichtet. In der Praxis lief das daraus hinaus, dass Alexandria seinen Ostertermin dann verschob, wenn dieser nach dem 21. April lag, Rom dann, wenn man dort auf ein Datum vor dem 22. März kam. Allerdings konnte man sich nicht immer einigen, in einigen Jahren feierte man in Rom und somit im Westen an einem anderen Tag als in Alexandria und in den meisten Gebieten des Ostens. Die Festlegung und Verkündigung des Osterdatums war das alleinige Recht des Bischofs, nun also des Papstes und des Patriarchen von Alexandria. Berechnungen, Zyklen oder Tabellen waren Hilfsmittel, die keinerlei Verbindlichkeit besassen. Dies änderte sich, als Patriarch Theophil eine Ostertafel für Jahre 380 bis 480 erstellte, die er dem Kaiser mit schwülstigen Worten widmete. Damit waren die Ostertermine von Alexandria festgeschrieben, weder der Patriarch noch sonst jemand konnte sie mehr ändern. Rom hatte nur noch die Alternative, sich Alexandria anzuschliessen oder es auf ein Schisma ankommen zu lassen. Die Auseinandersetzungen wurden immer heftiger und kumulierten schliesslich im Osterstreit des Jahres 455.
Die Ostertabelle von Alexandria setzte im Jahr 455 den Ostersonntag auf den 24. April, für Rom nicht akzeptabel. Bereit vier Jahre vorher wandte sich Papst Leo an den Kaiser: ein so spätes Ostern habe es noch nie gegeben, so könne man mit dem heiligen Fest nicht umspringen, hier müsse ein Irrtum vorliegen. Der Kaiser leitete den Brief nach Alexandria weiter, von dort kam keine Antwort. Die Osterfeierlichkeiten des Jahres 454 in Rom verstrichen, ohne das Leo den Pilgern wie üblich den Termin des kommenden Jahres mitteilen konnte. Mitte Mai 454 traf endlich ein Schreiben aus Alexandria ein. Der Patriarch belehrte den Papst über die richtige Ansetzung des Osterdatums und teilte lakonisch mist, er habe den Termin 24. April verkündet, Alexandria und der gesamte Osten werden an diesem Tag Ostern feiern. Leo hatte nur noch die Alternative, sich anzuschliessen oder ein Schisma herbeizuführen. Rom feierte mit allen anderen Christen am 24. April.
Nach dieser Niederlage wollte es Papst Leo genau wissen. Er beauftragte das ranghöchste Mitglied der Kurie, den Archidiakon Hilarus, der später als sein Nachfolger selbst zum Papst gewählt werden sollte, sich der Sache anzunehmen. Dieser machte sich auch gleich an die Arbeit, delegierte aber kurz darauf angesichts der vielen Schwierigkeiten die ganze Sache an einen gewissen Victorius aus Aquitanien, der als ein hervorragender Mathematiker galt. 475 legte Victorius das Ergebnis seiner Forschungen vor. Er schrieb, er habe alle bekannten Osterzyklen geprüft, allein der 19jährige Zyklus biete eine gute Angleichung des Mondjahres an das Sonnenjahr. Auf dieses Basis entwickelte er dann eine Ostertafel über 532 Jahre, beginnend mit dem Jahr 28, das er für das Jahr der Kreuzigung hielt. Den Zyklus der Alexandriner änderte er leicht ab. In vielen Jahren lag bei ihm die Luna XIV einen Tag früher. So konnte er die römischen Grenzen für den Ostersonntag, Luna XVI bis Luna XXII, beibehalten und dennoch Ostern auf den gleichen Tag wie die Ägypter setzen. In einer Reihe von Jahren wichen seine Daten jedoch von Alexandria ab. Penibel notiert er die unterschiedlichen Osteransetzungen. Eine Entscheidung, wie hier zu verfahren sei, schreibt er, könne nur der Papst treffen, er masse sich dies nicht an. Die Tabelle des Victorius löste bald die unzulänglich gewordene Osterberechnung Roms ab und sollte über zwei Jahrhunderte lang Grundlage der römischen Osteransetzung bleiben.
Als man um das Jahr 520 in Rom einen Ausgleich mit Byzanz suchte bemühte man sich auch um eine Verständigung in der Osterfrage. In Rom war man sich über die Osterberechnung des Ostens nicht mehr ganz im klaren, denn die erwähnte Tabelle des alexandrinischen Patriarchen Theophil war bereits im Jahre 479 abgelaufen, und so bat man Byzanz um weitere Informationen. Dann beauftragte die Kurie ein gewissen Dionysius Exiguus damit, sich dieser Frage anzunehmen. Dionysius war ein höchstgelehrter Mönch, der das Lateinische wie das Griechische gleich gut beherrschte. Er arbeitete in den Archiven der Kurie. Sein hoch geschätztes Hauptwerk war eine Zusammenstellung aller Konzilsbeschlüsse, sowohl im griechischen Original wie auch in lateinischer Übersetzung. Im vatikanischen Archiv fanden sich noch die teilweise bis dahin geheim gehaltenen Unterlagen zum Osterstreit des Jahres 455. Dionysius veröffentlichte sie. Aus Konstantinopel hatte man weitere Unterlagen erhalten, darunter auch eine alexandrinische Ostertafel, die über die des erwähnten Theophil hinausging und bis zum Jahr 531 reichte. Dionysius übertrug 525 die Daten der verbleibenden sechs Jahre dieser Tafel ins Lateinische. Dann schrieb er diese Tabelle einfach um weitere 95 Jahre fort. Eine Änderung nahm er allerdings vor, die in bis heute allgemein bekannt macht. In Alexandria zählte man die Jahre nach dem Regierungsantritt Kaiser Diokletians im Jahre 284. Dionysius war es zuwider, in einer Tafel des heiligen Osterfestes an diesen seiner Ansicht nach grausamen Despoten, unter dem die letzten Christenverfolgungen stattfanden, zu erinnern. Er suchte eine neue Jahreszählung und wählte für das erste Jahr seiner Tabelle die Jahreszahl 532, eine Zahl, die sich durch 19 (Mondzirkel) und durch 28 (Sonnenzirkel) ohne Rest teilen lässt. Dionysius rechnete zurück und kam für den Anfang seiner Zählung auf das Jahr, in dem seiner Überzeugung nach Christi Geburt fallen musste. Daher nannte er seine Zählung "anni ab incarnatione Domini nostri", Jahre nach der Fleischwerdung unseres Herrn oder vereinfacht Jahre nach Christi Geburt, ohne jedoch die Grundlagen seiner Berechnung zu erläutern.
Die Tabelle des Dionysius Exiguus blieb lange Zeit recht unbeachtet. Der eigentliche Durchbruch kam erst, nachdem 725 der Kirchenvater Beda Venerabilis sein Werk "Über die Zeitrechnung" (De temporum ratione) veröffentlicht hatte. Hierin erläutert er ausführlich die Theorie der Osterbestimmung und legt dar, warum allein die Ostertabelle der Alexandriner und damit auch die des Dionysius den kanonischen Regeln genüge. Nachdem zu Beginn des 9. Jahrhunderts dann als letzte auch noch die Briten diese Osteransetzung übernommen hatten, war endlich erfüllt, was schon Kaiser Konstantin gefordert hatte: Alle Christen feierten Ostern an ein und demselben Tag.
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