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N A. B Der islamische Kalender
Gliederung

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Einleitung

Seit alters her nutzte der Mensch den Wechsel von Tag und Nacht, die Änderungen der Mondgestalt am Nachthimmel und den Wandel der Jahreszeiten, um die stetig dahinschreitende Zeit zu messen und um sich Regelwerke zu schaffen, mit denen er einen Zeitpunkt eindeutig bestimmen konnte. Da Tag, Monat und Jahr sich nicht ohne Rest untereinander teilen lassen, suchte man nach Möglichkeiten, mit Hilfe von Schaltungen die Zeitrechnung den Naturerscheinungen anzupassen. Von seltenen Ausnahmen abgesehen kommen hierbei nur die folgenden drei Möglichkeiten in Betracht:

1.) Der lunare Kalender: Maßeinheit ist hier der am Mondlauf orientierte Monat. Das Jahr ist vom Sonnenlauf vollkommen gelöst und hat nur noch eine reine Zählfunktion. Beispiel hierfür ist der islamische Kalender.

2.) Der solare Kalender: Er orientiert sich am Sonnenlauf, der Monat ist vom Mondlauf vollkommen gelöst und hat nur noch reine Zählfunktion. Beispiel hierfür ist der julianisch-gregrorianische Kalender.

3.) Der lunisolare Kalender: Grundeinheit ist hier der am Mondlauf orientierte Monat. Durch Einfügen von Schaltmonaten wird jedoch auch der Sonnenlauf berücksichtigt. Beispiel hierfür ist der jüdische Kalender.

Hauptschwierigkeit war, möglichst einfache und allgemein verständliche Regeln mit größtmöglicher astronomischer Genauigkeit zu verbinden. Die Fortschritte in den Naturwissenschaften, besonders in der Astronomie, die den Ablauf der Himmelsbewegungen immer präziser bestimmen konnten, brachten auch laufend Verbesserungen im Kalenderwesen mit sich. Eindeutige Lösungen konnte es nicht geben, und so entstanden an verschiedenen Orten und in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Zeitrechnungen. Zudem gibt es bei jedem Kalender Fragen, die nicht naturwissenschaftlich zu klären sind. Beispielsweise muß man durch Vereinbarung einen Zeitpunkt festlegen, von dem ab man zu zählen beginnt.

In der Antike und im Hellenismus hatte fast jede größere Stadt ihren eigenen Kalender. Als Gajus Julius Caesar den später nach ihm benannten Kalender im Römischen Reich verbindlich einsetzte, verhalf er damit dieser Zeitrechnung zu einer überragenden Bedeutung. Bezeichnend ist, daß man diesen Kalender nach dem Staatsmann benannte, der für seine rechtsverbindliche Einführung verantwortlich zeichnete, nicht nach jenen Astronomen aus Alexandria, die die wissenschaftlichen Grundlagen schufen. Gleiches wiederholte sich im 16. Jahrhundert, als man den Kalender reformieren und verbessern mußte. Nicht Naturwissenschaftler wie Lilius gaben dem neuen Stil ihren Namen, sondern der Papst, der das Edikt zur Kalenderreform erließ.

Kalenderfragen sind somit auch immer Rechtsfragen. Wichtiger als astronomische Genauigkeit, die ja sowieso nur von wenigen Fachleuten beurteilt werden kann, wichtiger selbst als Praktikabilität ist eine allgemein verbindliche Anerkennung, und die kann wohl nur die Staatsmacht durchsetzen. Kalender sind auch immer Menschenwerk, sie sind veränderlich, anpassungsbedürftig und nicht von ewiger Dauer.

Eine Ausnahme hiervon ist jedoch die islamische Zeitrechnung. Ihre Grundlagen sind nicht menschliche Überlegungen und Berechnungen sondern göttliche Vorschriften.


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Die Vorschriften des Korans

Nach islamischer Anschauung ist das Heilige Buch des Islams, der Koran, nicht wie die Bibel lediglich eine Sammlung von Aussagen göttlich inspirierter Menschen sondern das unmittelbare Wort Gottes, die genaue Kopie einer sich bei Gott befindlichen Urschrift. Seine Weisungen sind daher direktes göttliches Recht, nicht änderbar, nicht wandelbar. Im Koran finden sich nun auch einige Stellen, die sich auf den Kalender beziehen:

"Die Sonne und der Mond dienen zur Berechnung (der Zeit)." (Koran 55,5)

"Er (Gott) ist es, der die Sonne zur Helligkeit am Tage und den Mond zu Licht bei Nacht gemacht und Stationen für ihn bestimmt hat, damit ihr über die Zahl der Jahre und die Berechnung der Zeit bescheid wißt. Im Aufeinanderfolgen von Tag und Nacht und in dem, was Gott im Himmel und auf der Erde geschaffen hat, liegen Zeichen für Leute, die gottesfürchtig sind." (Koran 10,6)

"Zwölf gilt bei Gott als die richtige Zahl der Monate. Das ist in der Schrift Gottes bereits am Tage, da er Himmel und Erde schuf festgelegt worden Davon sind vier heilig. Das ist die richtige Religion. Frevelt nun in ihnen (den vier heiligen Monaten) nicht gegen euch selbst. Und kämpft allesamt gegen die Heiden, so wie sie ihrerseits gegen euch kämpfen. Ihr müßt wissen, daß Gott mit denen ist, die ihn fürchten. Die Verschiebungen (der Kalenderordnung durch einen Schaltmonat) ist ein Übermaß an Unglauben. Diejenigen, die an sich schon ungläubig sind, werden dadurch noch mehr irregeführt. Sie erklären den (Monat) Muharram in dem einem Jahr (nämlich in einem Schaltjahr) für profan, in einem anderen (nämlich in einem Normaljahr) für heilig, um der Zahl dessen, was Gott an Monaten für heilig erklärt hat (nämlich vier), gleichzukommen (und nicht etwa fünf Monate für heilig zu erklären), und (um andererseits) für profan zu erklären, was Gott für heilig erklärt hat (nämlich den Muharram)." (Koran 9, 36 - 37)

"Man fragt dich nach den Neumonden. Sag: Sie sind (von Gott gesetzt als) feste Zeiten für die Menschen, und für die Wallfahrt." (Koran 2, 189)[ 1 ]

Die Aussagen sind eindeutig. Vorgeschrieben wird ein reiner Mondkalender, ein Jahr besteht aus 12 Monaten, Zeichen für den Monatsbeginn ist der "Neumond", so die Übersetzung von Paret in Sure 2, 189. Im Koran selbst steht 'ahilla', Plural von 'hilal'. Wehr[ 2 ] gibt an für 'hilal': "Neumond, Halbmond, Klammer, Paranthese, etw. halbmondförmiges". Wortstamm ist 'halla', laut Wehr "erscheinen, sich zeigen (Neumond)". Es dürfte eindeutig sein, daß hiermit weder die Neumondphase, also jene zwei bis drei Tage, an denen der Mond nicht sichtbar ist, noch der astronomische Neumond, jener genau bestimmbare Zeitpunkt der Konjunktion von Sonne und Mond, gemeint sein kann, sondern das Neulicht, jener Moment, an dem die schmale Mondsichel nach Neumond zum erstenmal wieder am Abendhimmel sichtbar ist.

Über den Kalender der Araber vor dem Islam ist wenig bekannt. Sicher ist, dass ihm ein gebundenes Mondjahr zugrunde lag, bei dem die Mondphasen die Monatslänge bestimmten und durch Schaltmonate ein am Sonnenlauf orientierter Jahreszyklus erreicht wurde. Das Recht der Festlegung der Schaltungen und der Verkündigung des für das kommende Jahr geltenden Kalenders hatte der mekkanische Stamm der Quraischiten [ 3 ]. Dies vergösserte ihre Machtfülle nicht unerheblich, legten sie somit doch die Zeiten für die Wallfahrten und für den Handel fest.

Die Aussagen des Korans zum Kalender stammen aus dem Jahre 10 der Hidschra [ 4 ], also aus der Zeit, da der Hadsch von einem heidnischen Ritual zu einer der Säulen des Islams umgewandelt wurde. Dies setzte voraus, dass auch die Zeiten der Wallfahrt und somit der gesammte Kalender nicht mehr heidnischen Regeln unterworfen war. Anstelle menschlicher Willkür wurden die klaren Zeichen des Himmels gesetzt. Jeder Muslim konnte den Kalender selbst vom Himmel ablesen.


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Die Monatsnamen

Die Namen der Monate sind:

  1.:  Muharram   ﻡﺮﺤﻤﻟﺍ      al-Muharram
2.:  Safar ﺮﻔﺻ    Safar
3.:  Rabi I ﻝﻭﻻﺍ ﻊﻴﺑﺭ    Rabi' al-awwal
4.:  Rabi II ﻰﻧﺎﺜﻠﺍ ﻊﻴﺑﺭ    Rabi' ath-thani
5.:  Dschumada I ﻰﻠﻮﻟﺍ ﻯﺩﺎﻤﺟ    Dschumada l-ula
6.:  Dschumada II     ﻪﻳﻧﺎﺜﻠﺍ ﻯﺩﺎﻤﺟ    Dschumada th-thaniyya  
7.:  Radschab ﺐﺟﺭ    Radschab
8.:  Schaban ﻥﺎﺒﻌﺷ    Scha'ban
9.:  Ramadan ﻥﺎﻀﻣﺭ    Ramadan
10.:  Schawwal ﻝﺍﻮﺷ    Schawwal
11.:  Dhulqada ﻩﺪﻌﻘﻟﺍ ﻭﺫ    Dhu l-qa'da
12.:  Dhulhidscha ﻪﺠﺤﻟﺍ ﻭﺫ    Dhu l-hidschdscha

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Die Jahreszählung

Nicht festgelegt durch den Koran war die Zählung der Jahre. Im vorislamische Arabien gab es unterschiedliche Datierungen, häufig nach kleineren Scharmützeln zwischen irgendwelchen Sippen, die heute niemand mehr kennt. Eine gewisse Bedeutung bekam das Elefantenjahr, so benannt nach einem Feldzug des abbessinischen Vizekönigs Abraha gegen Mekka, bei dem ein Kriegselefant mitgeführt wurde; der Überlieferung nach soll Muhammad in diesem Jahr geboren sein.

Im jungen islamischen Reich machte sich das Fehlen einer festen Jahresdatierung bald unangenehm bemerkbar. Schon im Jahr 637 oder 638 berief daher der Kalif Omar die bedeutendsten Prophetengenossen zu einer Beratung über dieses Thema ein. Verschiedene Möglichkeiten standen zur Diskussion, wie die Zählung nach dem Tode oder der Geburt des Propheten, der Eroberung von Mekka oder der Sendung des Propheten. Selbst die Seleukidenära oder die Zeitrechnung der Perser wurde erwogen. Schließlich einigte man sich auf die Zählung nach der Hidschra, der Auswanderung des Propheten aus Mekka.[ 5 ]

Um noch einmal zu betonen, was jeder Student der Geschichte oder der Orientalistik bereits im ersten Semester lernt: Der Prophet beobachtete natürlich nicht jeden Abend in Mekka den Himmel, um das Neulicht des Muharram abzuwarten und sich dann auf die Reise zu machen. Er konnte ja noch nicht ahnen, daß dieses Ereignis die Ära einer neuen Zeitrechnung werden würde. Der Überlieferung nach kam er im Monat Rabi' I. nach Medina. Geraume Zeit nach seinem Tod wurde dann beschlossen, das Jahr, in dem dieses Ereignis stattfand, als Jahr 1 der neuen Zeitrechnung zu zählen.[ 6 ]


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Der zyklische Kalender

Daß ein Kalender, der auf Himmelsbeobachtung beruht und somit immer nur für den Augenblick oder im Nachhinein bestimmbar ist, in vieler Hinsicht ungenügend ist, liegt auf der Hand. Daher wurde mit Hilfe der mathematisch-astronomischen Chronologie ein zyklischer Kalender entwickelt, der bei größtmöglicher Genauigkeit leicht im Voraus zu berechnen ist und der zumindest als Richtschnur dienen konnte.

Eine erste Schwierigkeit ist hierbei, daß die Dauer einer Lunation, d.h. die Dauer zwischen zwei aufeinanderfolgenden Neumonden, nicht konstant ist. Wegen der unterschiedlichen Anziehungskräften von Sonne, Erde und den Planeten, die auf den Mond einwirken, schwankt sie innerhalb gewisser Grenzen. Hinzu kommt, daß im Islam das Neulicht und nicht der Neumond für den Monatsbeginn bestimmend ist. Die mathematische Chronologie gelangt hier an ihre Grenzen. Selbst bei ansonsten größter Genauigkeit kann bei einem Mondkalender das Neulicht einmal einen Tag früher, einmal auch einen Tag später auftreten, als es nach einem Kalenderzyklus zu erwarten wäre.

Es kann also beim zyklischen islamischen Kalender nur darauf ankommen, möglichst nahe an dem Wert zu bleiben, den eine auf der durchschnittlichen Dauer einer Lunation basierende Berechnung ergeben würde. Die Folge davon ist, daß immer dann sofort ein Schalttag eingeschoben werden muß, wenn die Abweichung zwischen zyklischem Kalender und Durchschnittswert mehr als einen halben Tag beträgt. Bei allen Überlegungen ging man davon aus, daß ein Mondmonat genau 29 Tage, 12 Stunden, 43 Minuten, 59 Sekunden, 59 Terzen, 59 Quarten u.s.w. periodisch (also fast 44 Minuten) beträgt, in einem modernem Dezimalbruch ausgedrückt ist dies 29.53055... (periodisch) Tage. 12 Monate ergeben 354.366... Tage, es verbleibt also am Jahresende ein Rest 0.366 oder 11/30 Tagen. Daher müssen innerhalb von 30 Jahren 11 Schalttage eingefügt werden. Dies geschieht immer dann am Jahresende, wenn der Rest mehr als einen halben Tag beträgt, wie die folgende Tabelle zeigt:

Zyklusjahr Rest am Jahresende   Zyklusjahr Rest am Jahresende
1   + 0.37    16 [*] -  0.13
2 * -  0.27   17   + 0.23
3   + 0.10   18 * -  0.40
4   + 0.47   19   -  0.03
5 * -  0.17   20   + 0.33
6   + 0.20   21 * -  0.30
7 * -  0.43   22   + 0.07
8   -  0.07   23   -  0.43
9   + 0.30   24 * -  0.20
10 *   0.33   25   + 0.17
11   + 0.03   26 * -  0.47
12   + 0.40   27   -  0.10
13 * -  0.23   28   + 0.27
14   + 0.13   29 * -  0.37
15   + 0.50 [oder * -  50]   30     0.00

Im 15. Zyklusjahr beträgt der Rest genau einen halben Tag. Zuweilen erklärt man daher dieses Jahr zum Schaltjahr, was vom mathematischen Standpunkt her logisch ist. In den meisten Fällen wird allerdings das 16. Zyklusjahr als Schaltjahr angesehen. Dies führt vielleicht sogar zu besseren Ergebnissen. Eine Regel hierfür ist nicht zu erkennen. Dafür, daß bei Epoche 16. Juli 622 das 16. Zyklusjahr und bei Epoche 15 Juli 622 das 15. Zyklusjahr ein Schaltjahr sei, wie von einigen vermutet wird,[ 7 ] gibt es keinen Anhaltspunkt. Es scheint, daß hier der Zufall der Zahlengleichheit eine Rolle spielt.


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Die Epoche

Der zyklische islamische Kalender mußte nun auch so gelegt werden, daß der Monatserste möglichst häufig mit Neulicht zusammenfällt. Zwei voneinander um einen Tag differierende Ausgangspunkte können angenommen werden.. Beim ersten dauert der 1. Muharram des Jahres 1 von Mittwoch dem 14. Juli 622 (julianisch) Sonnenuntergang bis Donnerstag 15. Juli 622 Sonnenuntergang. Er wird daher gemeinhin in der Wissenschaft als Epoche 15 bezeichnet. Die zweite Möglichkeit ist, daß der 1. Muharram 1 vom Sonnenuntergang des 15. Juli 622 bis zum Sonnenuntergang des 16. Juli dauerte. Sie wird kurz Epoche 16 genannt. Beide Epochen fanden scheinbar nebeneinander Verwendung, der Grund hierfür ist einfach zu erklären. Wie oben erläutert geht der islamische Kalender von einer Monatsdauer von 29.53055 Tagen aus. 30 Jahre haben also genau 10631 Tage. Im Jahre 622 betrug der Wert der Lunation jedoch 29.5305908 Tage, also ca. 3 Sekunden mehr, bei einer Abnahme von ca. 0.017 Sekunden alle 1000 Jahre. 30 Jahre haben also 10631 Tage, 18 Minuten und 16 Sekunden. In knapp 2500 Jahren summiert sich diese Differenz zu einem Tag. Wie sich diese Ungenauigkeit unter Berücksichtigung der Akzeleration des Mondes auswirken könnte, zeigt die folgende Tabelle, die von den (etwas willkürlichen) Annahmen ausgeht, daß im Jahre 622 der richtige Zeitpunkt gewesen wäre, von Epoche 15 auf Epoche 16 zu wechseln und daß die Verminderung der Rotationsgeschwindigkeit der Erde gleichbleibend sei.

Jahr
gregorianisch
Abweichung
in Tagen
 
  622 0.00 Epoche 16
1600 0.42  
2000 0.59  
3000 0.96  
3100 1.01 Epoche 17
6000 1.99  
6100 2.02 Epoche 18
10000 3.00 Epoche 19
18000 3.84  
26500 3.00 Epoche 18
30400 2.00 Epoche 17
33400 0.99 Epoche 16
35900 0.07 Epoche 15
 

Wie man sieht wird im Jahre 3100 Die Differenz gegenüber 622 ungefähr einen Tag betragen und man kann allmählich von Epoche 16 auf Epoche 17 umschalten. Um das Jahr 6000 wird die Differenz 2 Tage betragen und ab dem Jahr 10000 wird sich sogar eine Epoche 19. Juli 622 empfehlen, die größte Abweichung wäre um das 18000 erreicht, denn dann wird die Monatsdauer des islamischen Kalenders genau der Lunation entsprechen. Von da ab wird die Differenz wieder geringer werden. Ab dem Jahre 33400 empfiehlt sich wieder Epoche 16, ab dem Jahre 35900 sogar wieder Epoche 15.

Im Jahr 622 war die Lage nun so, daß in Zentralarabien für knapp die Hälfte aller Fälle Epoche 15 noch zutraf, Epoche 16 aber bereits etwas bessere Ergebnisse zeitigte. Je weiter man nach Westen ging, umso genauer wurde Epoche 15, je weiter man im Osten war, desto besser fuhr man mit Epoche 16. Bei der Neulichtbestimmung spielt ja die geographische Lage des Beobachters eines große Rolle. Ob die schmale Mondsichel schon am Abendhimmel zu sehen ist, hängt bei ansonsten gleichen Bedingungen entscheidend auch vom Mondalter ab, also von der Zeit, die seit Neumond verstrichen ist. Daher tritt nicht selten der Fall ein, daß in Indonesien der Mond bei Sonnenuntergang noch nicht sichtbar ist, während einige Stunden später am gleichen Abend im Maghreb bei Sonnenuntergang das Neulicht bereits festgestellt werden kann.


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Verhältnis von religiösem und zyklischen Kalender

Die Gebote des Korans schreiben wie gesagt einen rein lunaren Kalender vor, und alle islamischen Gelehrten stimmen darin überein, daß diese Forderung auch beinhaltet, daß nur die Beobachtung des Himmels maßgebend sein kann. Selbstverständlich sind auch Vorkehrungen für den Fall getroffen worden, daß einmal wegen ungünstiger Witterungsverhältnisse das erwartete Neulicht nicht zu sehen ist.[ 8 ] Eine Bestimmung wie im Christentum, wo bei der Festlegung des Ostertermins ein Rechenalgorithmus das Datum vorschreibt und "falsche" Daten zugunsten einer verbindlichen Regelung bewußt in Kauf genommen werden, ist im Islam undenkbar. Zwar ist der zyklische islamische Kalender ein Meisterwerk der Chronologie, trotz aller Genauigkeit kann er aber den religiös-rechtlichen Kalender, der häufig auch als bürgerlicher Kalender oder Volkskalender[ 9 ] bezeichnet wird, nicht ersetzen. Er dient höchstens als Richtlinie zur Bestimmung des Neulichts, wobei man sich in der Praxis immer jener Epoche oder jenes Schaltzykluses bediente, mit der man die besten Ergebnisse erzielte. Eine Vorschrift, welche Kalenderform wann anzuwenden sei, konnte es nicht geben. Demzufolge wurde auch nicht irgendwann einmal ein zusätzlicher Schalttag eingefügt, um von Epoche 15 auf Epoche 16 zu kommen, vielmehr ist festzustellen, daß selbst in einer Quelle Epoche 15 und Epoche 16 nebeneinander auftreten können, wobei Epoche 16 umso häufiger wird, je jünger die Quelle ist. Der Übergang war also fließend. In den letzten Jahrhunderten stößt man sogar auf Daten, die einer Epoche 17 entsprechen, obwohl ein zyklischer Kalender nach Epoche 17 bisher immer vermieden wurde.

Nur wenn man sich vor Augen hält, daß im Islam der zyklische Kalender lediglich Anhaltspunkt bei der Zeitrechnung sein kann, versteht man, wie es möglich ist, daß in der Geschichte immer wieder weitere Kalenderformen auftauchen. Erwähnt sei hier nur der von Darendeli Mehmet Efendi geschaffene Kalender, der zwar eine sehr einfache Schaltregel hat, wegen seiner großen Ungenauigkeit jedoch lediglich für beschränkte Zeit als grober Anhaltspunkt dienen konnte.[ 10 ]

Auf einen zyklischen Kalender angewiesen waren die Astronomen, die über große Zeiträume hinweg genaue Berechnungen anstellen mußten und daher klare Bezugspunkte und feste Regelungen brauchten.[ 11 ] Die Geschichtsschreibung orientierte sich dagegen eher am religiös-rechtlichen Kalender. Leider enthalten die historischen Quellen nur wenig Informationen über die tatsächliche Praxis der Regulierung des Kalenders.[ 12 ] Man muß aber ganz einfach davon ausgehen, daß sich in den Chroniken und Annalen die gleichen Daten finden, die auch im alltäglichen Leben gebraucht wurden. Spekulationen darüber, ob in einem bestimmten Geschichtswerk diese oder jene Epoche Verwendung fand, dürften in der Regel nicht viel erbringen, zumal man unterstellen darf, daß die alten Chronisten von den Feinheiten der Chronologie nicht mehr Ahnung hatten als manche Wissenschaftler, die heute über diese Chronisten schreiben.


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Astronomisch bestimmte Kalender

Seitdem es am Mondlauf orientierte Kalender gibt, versuchen Astronomen, den Beginn des Monats im Voraus zu berechnen. Für den islamischen Kalender gilt dies ebenfalls uneingeschränkt. Seit dem Mittelalter, der Blütezeit der Naturwissenschaften in den islamischen Ländern, sind zahlreiche Tabellen überliefert, in denen verzeichnet ist, ob am Monatsersten das Neulicht voraussichtlich zu sehen sein wird.[ 13 ] Von Interesse ist eine jüngere Tabelle, vermutlich aus Nordafrika, von der eine Faksimilewiedergabe vorliegt.[ 14 ] Sie wurde zusammengestellt für die Jahre 1125 - 1130 (1713 - 1718 a. Chr. n.). Neben Angaben über die Position des Mondes, seinem Abstand von der Sonne und über die Gestalt der Mondsichel ist hier auch für den Anfang eines jeden Monats vermerkt, ob die Mondsichel  klar zu sehen sei ,  sie schwach zu sehen  , sie  vielleicht sichtbar sei , es  schwierig sein dürfte, sie zu sehen , oder sie  nicht sichtbar sei . Diesen Angaben liegt zugrunde ein zyklischer Kalender mit Epoche 16. Juli 622. In mehr als der Hälfte aller Fälle werden die Angaben jedoch nicht für den ersten Tag des Monats, sondern für den zweiten Tag gemacht, was einem Kalender mit Epoche 16. Juli entsprechen würde. Ist dann in letzterem Falle auch noch vermerkt, die Sichel sei nicht sichtbar, so würde dies entsprechen einem Kalender mit Epoche 17. Juli 622.

Von diesen Tabellen ist es nur noch ein kleiner Schritt zu einer Datierung, die auf Basis astronomischer Berechnungen erstellt wurde. Zumindest seit dem 19. Jahrhundert dürften Datierungen in islamischen Ländern sich nahezu ausschließlich an derartigen im Voraus gedruckten Kalendern orientieren. Im Osmanischen Reich haben die Jahrbücher[ 15 ] immer auch einen Kalenderteil, zumeist mit einer Darstellung auch des Kalenders der christlichen Minderheiten. Es ist anzunehmen, daß die hier angegeben Daten als verbindlich angesehen wurden für das gesamte Reich. In der heutigen Zeit dürften sich alle Muslime ausschließlich nach im Voraus berechneten Kalendern richten. Allerdings können die Kalender verschiedener islamischer Staaten durchaus voneinander abweichen.[ 16 ] Wer in den einzelnen Ländern jeweils für die Festlegung des Monatsanfanges verantwortlich zeichnet und nach welchen Kriterien er sich richtet, bleibt weitgehend im Dunkeln.[ 17 ] Daß bei diesen Berechnungen teilweise von Kriterien für das Neulicht ausgegangen wird, die nicht zutreffen können, scheint nur einige wenige Experten zu stören.[ 18 ]


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Fussnoten

[ 1 ]Koranzitate in Anlehnung an die Übersetzung von Rudi Paret (Koran (1979))
[ 2 ] Hans Wehr, Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart, Wiesbaden 1958
[ 3 ] A. Grohmann, Arabische Chronologie, Leiden/Köln 1966, S. 7 - 9
[ 4 ] A. Grohmann, a.a.O., S. 10: "aus den Jahren 9 und 10"
[ 5 ] A. Grohmann, a.a.O., S. 10
[ 6 ] So selbstverständlich dies ist, so hat man zuweilen doch den Eindruck, daß selbst namhafte Gelehrte sich dieser Tatsache manchmal nicht bewußt sind. Wie anders ließe sich sonst jene Fußnote erklären, die Franz Babinger einer Abhandlung des um die Chronologie so verdienten Pfarrer Mayr anfügte. (Joachim Mayr, Osmanische Zeitrechnung, Anhang zu: F. Babinger, Die Geschichtsschreiber der Osmanen und ihre Werke, Leipzig 1927, S. 418, Anm. 1)
[ 7 ] so u.a. auch Joachim Mayr in "Probleme der islamischen Zeitrechnung", Mitteilungen des Seminars für orientalische Sprachen, Bd. XXX, 1927, 2. 298
[ 8 ] Ist nach Sonnenuntergang des 29. Tages das Neulicht zu sehen, dann gilt der neue Monat als eingetreten. Anderenfalls dauert der Monat 30 Tage. So könnte es vorkommen, daß, wenn infolge schlechter Witterung das Neulicht mehrfach hintereinander nicht sichtbar wäre, dann jedoch der nächste Monatsanfang sollen niemals mehr als drei Monate zu 29 oder 30 Tagen aufeinander folgen. So ist diese Gefahr praktisch nicht mehr gegeben.
[ 9 ] Die Bezeichnung Volkskalender, die sich immer wieder in abendländischen Werken findet, ist nicht sehr glücklich, suggeriert sie doch, dies sei ein Kalender für das ungebildete Volk, das nicht lesen und schreiben kann und daher seine Daten vom Himmel ablesen muß.
[ 10 ] A. Grohmann a.a.O., S. 35. Dazu ist anzumerken, daß Darendeli keinen neuen zyklischen Kalender einführen wollte, sondern daß sein vereinfachter Zyklus nur der Wochentagsbestimmung in seinem "immerwährenden" Kalender dienen sollte. Vgl. hierzu Bär (1990)
[ 11 ] Sicher benutzten sie häufig zur Kontrolle auch noch weitere Kalender auf solarer Grundlage. Es sei nur daran erinnert, daß in der modernen Astronomie immer noch der julianischen Kalender wegen seiner großen Regelmäßigkeit Grundlage vieler Berechnungen ist.
[ 12 ] So King (1990), S. 248.
[ 13 ] Einen Überblick über derartige Tabellen findet sich bei King (1987).
[ 14 ] King (1991), Tafel 6 - 8.
[ 15 ] Eine umfangreiche Sammlung derartiger "Salname´s" befindet sich im Besitz der Instituts für Geschichte und Kultur des Nahen Orients an der Universität München.
[ 16 ] Beispiele hierfür finden sich u. a. bei Spuler (1963).
[ 17 ] Dem Verfasser liegen mehrere Kalender aus dem Kaiserreich Iran beziehungsweise aus der Islamischen Republik Iran vor. Versuche, mit der darin angegebenen für die Berechnungen verantwortlich zeichnenden Stelle in Verbindung zu treten, blieben erfolglos.
[ 18 ] siehe hierzu die Arbeiten des muslimischen Astronomens Dr. Muhammad Ilyas.


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