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Dieses Kapitel schliesst direkt an das vorangegangene an. Die am Himmel ablesbare Tatsache, dass der Mond zuweilen älter zu sein scheint, als er es nach dem Kalender sein sollte, bringt für Beda einige Schwierigkeiten. Nach heutiger Kenntnis ist dieser Sachverhalt einfach zu erklären, der 19jährige Zyklus, der der Osterberechnung zugrunde liegt, ist nicht so genau, wie Beda vermutete.
19 Sonnenjahre zu 356.25 Tagen entsprechen 6939,750 Tage 235 synodische Monate zu 29.5306 Tagen 6939,688 Tage
Die Differenz zwischen dem julianischem Jahr und dem tatsächlichen Mondlauf beträgt in 19 Jahren also rund 1 Stunde und 30 Minuten, dies ergibt einen Tag in ca. 308 Jahren. Seit dem Konzil von Nikäa waren genau 400 Jahre verstrichen.
Allerdings war zu Bedas Zeiten der Mondkalender noch recht genau. Dies zeigt die folgende Liste, die den astronomischen Vollmond mit dem Datum für Luna XIV vergleicht:
Zyklus- Luna XIV Jahr Vollmond Jahr Vollmond jahr 1 5. Apr. 703 6. Apr. 15:22 722 6. Apr. 11:52 2 25. März 704 26. März 04:04 723 26. März 17:27 3 13. Apr. 705 14. Apr. 00:46 724 13. Apr. 10:21 4 3. Apr. 706 3. Apr. 03:32 725 2. Apr. 10:56 5 22. März 707 23. März 03:51 726 22. März 16:33 6 10. Apr. 708 9. Apr. 21:46 727 10. Apr. 14:16 7 30. März 709 30. März 06:40 728 30. März 05:26 8 18. Apr. 710 18. Apr. 05:53 729 18. Apr. 06:19 9 7. Apr. 711 7. Apr. 21:31 730 7. Apr. 22:24 10 27. März 712 27. März 14:40 731 28. März 09:16 11 15. Apr. 713 15. Apr. 13:43 732 15. Apr. 04:29 12 4. Apr. 714 4. Apr. 21:28 733 4. Apr. 05:40 13 24. März 715 24. März 22:45 734 24. März 07:22 14 12. Apr. 716 11. Apr. 15:07 735 12. Apr. 02:09 15 1. Apr. 717 31. März 18:53 736 31. März 13:28 16 21. März 718 21. März 05:39 737 21. März 05:24 17 9. Apr. 719 9. Apr. 05:32 738 9. Apr. 06:16 18 29. März 720 28. März 22:24 739 29. März 21:13 19 17. Apr. 721 16. Apr. 23:05 740 16. Apr. 19:13 Alle Angaben nach mittlerer Zeit London
Die Liste zeigt auch, wie der Mond im Laufe des Zyklus dem Kalender immer mehr vorauszueilen scheint. Dies ist ja der Grund für den im vorigen Kapitel ausführlich beschriebenen "Saltus Lunae". So kann es passieren, dass der Mond an Luna XXX gegen Abend nicht nur ganz schmal zu sehen ist, sondern sich bereits viel voller zeigt. Demzufolge bringt Beda als ersten Grund für die Abweichungen zwischen tatsächlichem und berechneten Mondlauf jene Beschleunigung, die dann am Ende des Zyklus durch das Überspringen eines Tagen, den "Saltus Lunae" wieder ausgeglichen wird. Besonders ist dies zu bemerken in den Jahren, in denen vor dem Ostermonat noch ein Schaltmonat zu 30 Tagen eingeschoben wird. Dies sind die Zyklusjahre 8 und vor allem 19. Sind diese Jahre dann noch Schaltjahre (bissextiles), so gehen dem Ostermonat vier "volle" Monate zu 30 Tagen voraus.
Viele halten den Mond auch deshalb für älter, da sie nicht wissen, dass der Mondtag, die Luna, mit dem Abend beginnt. Da der Mond am Abend geschaffen wurde, ändert er auch sein Alter immer mit dem Abend. "Nach dem Mond rechnet man die Feste" so steht es im Buch Jesus Syrach (43, 7), und so beginn jeder Festtag nach dem Gesetz mit dem Abend und endet mit dem Abend.
Die weiteren Ausführungen Bedas zur Sichtbarkeit der Mondsichel und zum Beginn des Monats können nicht nachvollzogen werden. Dies gilt besonders für Bedas Behauptung, im Frühjahr ist häufig am gleichen Tag in der Morgendämmerung noch der alte Mond und am Abend dann der neue Mond zu sehen. Dies ist unmöglich [siehe: Der Neue Mond am Abendhimmel].
Beda muss sich dann noch mit einer Frage auseinandersetzen, die offensichtlich intensiv diskutiert wurde: "Nun sagt aber jemand, er habe gemeinsam mit vielen Zeugen (multis cum testibus) den Neuen Mond zwei Tage vor Luna I gesehen, nämlich am 2. April eines Jahres, in dem der Saltus Lunae eingefügt wird, also in einem 19. Jahr des Zyklus. In einem solchen Jahr liege aber Luna XIV paschalis am 17. April, Luna I müsse daher am 4. April sein." Beda drückt sich recht unpräzise aus und erläutert nicht, wer die Frage gestellt hat und wer die Zeugen seien. Eine Erklärung findet man, so man in de Vergangenheit zurückgehende die Jahre überprüft, die am Ende des 19jährigen Zyklus stehen. Es sind dies die Jahre 721, 702, 683 und 664. Im Jahre 664 ereignete sich am 1. Mai am späten Nachmittag eine partielle Sonnenfinsternis, die in Britannien gut sichtbar war. Die Sonne war fast vollständig bedeckt. Eine Reihe zeitgenössischer Quellen erwähnen dies Ereignis. In Kapitel 66 des vorliegenden Werkes De Temporum Ratione (hier nicht abgedruckt) berichtet auch Beda hiervon: <<Sequente anno facta est eclipsis quam nostra aetas meminit, quasi decima hora die, quinto Nonas Maias >>. Beda verschiebt hier die Finsternis um 2. Tage auf den 3. Mai, dem Tag Luna I.
Zu Bedas Zeiten waren Finsternisse die einzigen Möglichkeiten, den astronomischen Neumond genau zu bestimmen. Mit heutigen Mitteln lasssen sich die Monddaten leicht berechnen und mit den zyklischen Daten des Victorius und des Dionysius vergleichen:
Vollmond Neumond 16. April 05:45 Uhr 2. April 06:18 Uhr 1. Mai 15:54 Uhr Luna XIV Ostersonntag Victorius: 16. April 21. April Dionysius: 17. April 21. April
Das brisante an dieser Frage ist nun, das in eben diesem Jahr 664 in Whitby jene Synode stattfand, auf der die Osterfrage für Britannien und Irland geregelt werden sollte. Die irische Osterberechnung wurde zugunsten der römischen verworfen, der 19jährige Zyklus vorgeschrieben. Ob sich aber Dionysius gegen Victorius durchsetzen werde, war damals noch lange nicht entschieden. Die Finsternis musste den Befürwortern des Victorius als ein Zeig des Himmels erschienen sein.
Beda wusste keine Antwort. Er verweist auf die Autorität der heiligen Väter, die auf dem Konzil von Nikäa die Regeln für Luna XIV so klar und fest vorgeschrieben haben, dass ihr 19jähriger Zyklus niemals schwanken oder fehlen kann. Es kann nach Beda kein Zweifel bestehen, dass der Ostermonats des genannten Jahres am 4. April beginnt. Keiner der Gläubigen hat das Recht, etwas anderes festzulegen. Doch was nun? Darf man glauben, dass der Mond, den wir am 2. April neu sahen, von keinem der 318 Väter, die am Konzil von Nikäa teilnahmen gesehen wurde, auch von keinem der anderen Teilnehmer, die einen minderen Rang hatten? Sollten wir das nicht so verstehen, dass sie, die heiligen Väter, als sie den Anfang des Ostermonats auf den 4. April legten, eine andere grössere Gefahr abwenden wollten, nämlich dass ansonsten die unabänderbare Abfolge der Gemeinjahre und der Schaltjahre aufgelöst würde, die sich gründet auf der Autorität des Gesetzes, das den Hebräern gegeben wurde. Zu Ende des Kapitels spricht Beda noch den Osterstreit des Jahres 455 zwischen Papst Leo und dem Patriarchen Proterius von Alexandria an. Die Ägypter hatten Ostern nach ihrem Zyklus am 24. April. Leo wollte einen so späten Ostertermin nicht akzeptieren. Am Ende musste er jedoch nachgeben, Rom übernahm für dieses Jahr die alexandrinische Osteransetzung. Im Anschluss daran wurde durch Leo und dem damaligen Archidiakon und späterem Papst Hilarius nach einem neuen Osterzyklus gesucht, Victorius von Aquitanien wurde mit dieser Aufgabe beauftragt.
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