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Auch in diesem Kapitel wendet sich Beda in einer sehr persönlichen Art gegen Victorius. Daher hier zum besseren Verständnis hier kurz die Vorgeschichte der Ostertafeln des Victorius:
Das Konzil von Nikäa konnte den Streit um das richtige Osterdatum nicht beilegen. Immer wieder kam es zu unterschiedlichen Daten. Die Auseinandersetzungen zwischen Rom und Alexandria eskalierten im Jahre 455. Die Alexandriner setzten in diesem Jahr Ostern auf den 24. April, was den Osterregel des Abendlandes durchaus widersprach. Empört wandte sich Papst Leo I. an den Patriarchen von Alexandria, so könne man doch mit dem Hauptfest der Christenheit nicht umspringen. Den 22. oder 23. April könne man zwar noch akzeptieren, ein so spätes Ostern aber sei vollkommen unmöglich. Als Alexandria nicht nachgab, rief Leo sogar Kaiser Marcian mit der Bitte um Beistand an. Alles umsonst, Rom musste nachgeben. Eine schwere Niederlage für den Heiligen Stuhl. Der Papst beauftragte nun den Archidiakon Hilarius, Klarheit in dieser Sache zu bringen. Als Hilarius, der 461 zum Nachfolger Leos gewählt werden sollte, trotz eifrigen Studiums der Quellen damit nicht zurechtkam, delegierte er die Aufgabe an den Mathematiker Victorius aus Aquitanien, wohl aus Limoges. Dieser legte zwei Jahre später neue Ostertafeln seinem Auftraggeber vor.
Victorius übernahm grundsätzlich den 19jährigen Mondzirkel der Alexandriner. Sein gesamter Zyklus beträgt daher 19 x 28 gleich 532 Jahre. Einer der Hauptunterschiede zwischen der West- und der Ostkirche war nun, dass Rom ein Osterfest an Luna XV paschalis ablehnte. Christus war gekreuzigt an Luna XIV und auferstanden an Luna XVI, wie konnte man das Osterfest da auf Luna XV legen. Victorius half sich da mit einem kleinen "Trick". Er legte den saltus lunae an das Ende des 6. Zyklusjahres (nach alexandrinischer Zählung). Daher verschob sich die Luna des Ostermonats in den folgenden 13 Jahren um einen Tag. Lag bei den Alexandrinern Ostersonntag auf Luna XV so war nach Victorius am gleichen Tag schon Luna XVI. Rom und Alexandria konnten Ostern am gleichen Tag feiern.
Ein Vergleich der Lage von Luna XIV paschalis (auch als Märzdatum angegeben) in den Ostertabellen des Victorius mit den alexandrinischen Tafeln, die später von Dionysius übernommen wurden, soll dies verdeutlichen:
V i c t o r i u s A l e x a n d r i a Dionysius Zyklus- Zyklus- jahr Epakte Luna XIV pasch. jahr Epakte Luna XIV pasch. 14 nulla 5. Apr./36. Mrz. 1 nulla 5. Apr./36. Mrz 15 XI 25. Mrz./25. Mrz. 2 XI 25. Mrz./25. Mrz 16 XXII 13. Apr./44. Mrz. 3 XXII 13. Apr./44. Mrz. 17 III 2. Apr./33. Mrz. 4 III 2. Apr./33. Mrz. 18 XIV 22. Mrz./22. Mrz. 5 XIV 22. Mrz./22. Mrz. 19 XXV 10. Apr./41. Mrz. 6 XXV 10. Apr./41. Mrz. 1 VII 29. Mrz./29. Mrz. 7 VI 30. Mrz./30. Mrz. 2 XVIII 17. Apr./48. Mrz. 8 XVII 18. Apr./49. Mrz. 3 XXIX 6. Apr./37. Mrz. 9 XXVIII 7. Apr./38. Mrz. 4 X 26. Mrz./26. Mrz. 10 IX 27. Mrz./27. Mrz. 5 XXI 14. Apr./45. Mrz. 11 XX 15. Apr./46. Mrz. 6 II 3. Apr./34. Mrz. 12 I 4. Apr./35. Mrz. 7 XIII 23. Mrz./23. Mrz. 13 XII 24. Mrz./24. Mrz. 8 XXIV 11. Apr./42. Mrz. 14 XXIII 12. Apr./43. Mrz. 9 V 31. Mrz./31. Mrz. 15 IV 32. Mrz./32. Mrz. 10 XVI 20. Mrz./20. Mrz. 16 XV 21. Mrz./21. Mrz. 11 XXVII 8. Apr./39. Mrz. 17 XXVI 9. Apr./40. Mrz. 12 VIII 28. Mrz./28. Mrz. 18 VII 29. Mrz./29. Mrz. 13 XIX 16. Apr./47. Mrz. 19 XVIII 17. Apr./48. Mrz.
Eine Reihe von ungeklärten Fällen blieb allerdings. Victorius schreibt dann die abweichenden Daten an den Rand. Er masst sich nicht an, eine Entscheidung zu treffen. In Absatz 11 des Prologes seiner Tafeln erklärt er ausdrücklich, dies sei um des Friedens der Kirchen willen
allein dem Papste vorbehalten. So schreibt er etwa zum Jahr 455 folgendes:
Pascha: XV. kal. mai., Luna XV,
Randbemerkung: Graeci: VIII kal. mai., Luna XXII
Diese Angaben der Luna beziehen sich auf die Berechnungen des Victorius. Natürlich war nach Rechnung der Alexandriner der 17. April Luna XV, der 24. April Luna XXI. So ermöglichte er es dem Papst nachträglich, den 24, April zu akzeptieren, ohne dass dabei der 17. April als unmöglich erscheint.
Des weiteren stellt Victorius in seinem Vorwort die bisherige Praxis der Lateiner dar, den 84jährigen, den 95jährigen Zyklus und den Zyklus von 112 Jahren, sowie die Festlegung des Ostermonats nach deren Regeln, denen er ja nun seine Berechnungen entgegengestellt hatte.
Beda zitiert dieses Vorwort des Victorius ausführlich, insbesondere den Absatz 4 des Prologs. Hier schreibt Victorius, die "Lateiner" hätten denjenigen Monat als den ersten, d.h. als den Ostermonat betrachtet, dessen Luna I in die 29 Tage vom 5. März bis zum 2. April falle. Liege nun Luna XIV dieses Monat auf einem Freitag, so sei der folgende Sonntag, also Luna XVI, der Ostersonntag. Wenn aber der Vollmondtag (also Luna XIV) auf einen Samstag zu liegen komme, habe man den Ostersonntag um eine Woche auf Luna XXII verschieben müssen. Der Ostersonntag sei nie vor Luna XVI und nie nach Luna XXII gelegen, wobei sie eher den Ostertag auf Luna XXII ausdehnen würden, als die Passion des Herrn vor Luna XIV beginnen zu lassen. Die Luna XIV des entsprechenden Monats liege daher in der Zeit vom 18. März bis zum 17. April. Beda erwähnt allerdings nicht, dass bei Victorius selbst der frühste Beginn des Ostermonats, bedingt durch die Verschiebung des saltus lunae, der 7. März ist, Luna XIV fällt dann auf den 20. März. Die noch früheren Monatsanfänge der Lateiner hat er nicht übernommen.
Eine weitere Stelle bei Victorius löst den besonderen Unmut Bedas aus. Im letzten Absatz des Prologes führt Victorius einen Sonderfall an. Er schreibt, fällt der 1. Januar auf Luna XXVII (das sind die Jahre mit der GZ 8 alexandrinisch), ist ferner dieser Tag ein Samstag und handelt es sich um kein Schaltjahr, so gebe es nur zwei Möglichkeiten: entweder falle der Ostersonntag nach den Lateinern auf den 20. März., was aber niemals gefeiert wurde, oder nach den Ägyptern auf den 24. April, was einige Male eingetreten sei. Sicher ist diese Bemerkung nicht ganz einfach zu verstehend. Ihr liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Durch die oben gezeigt Verschiebung der Luna gegenüber den Alexandrinern konnte Victoius zwar ein Ostern am 25. April verhindern, nicht jedoch am 24. April. Im 8. Jahr des 19jährigen alexandrinischen Zyklus liegt bei Victorius Luna XIV paschalis am 17. April, dem spätesten Datum in seinem Zyklus. Ist dieser Tag ein Sonntag fällt Ostern auf den 24. April. Wolle man dies verhindern, müsse man Ostern einen Monat früher feiern. Man käme dann für Luna XIV auf Freitag, den 18. März, Ostern wäre dann am 20. März. Zumindest seit dem Jahr 312, soweit dürften die Aufzeichnungen über die in Rom tatsächlich gefeierten Ostern zurückgehen, hatte man in allen Fällen, in denen nach römischer Berechnung der Ostersonntag auf ein Datum vor dem 22. März gefallen wäre, der Einheit der Kirche und den Alexandriner zuliebe Ostern auf einen späteren Termin verschoben. Insgesamt tritt dieser Fall in 532 Jahren vier Mal ein, nämlich in den Jahren 102, 197 und 539 nach Christus, sowie im Jahr 292, einem Schaltjahr In diesem Fall ist der Wochentag des 1. Januars ein Freitag
Beda bringt seine Angriffe in einem sehr persönlichen Ton vor: "Ich beschwöre dich, heiliger Bruder Victorius, wenn der erste Monat am 5. März beginnt, warum sollte man dann nicht in ihm Ostern feiern sonder erst im folgenden Monat? ....", oder "Seltsamer Rechenlehrer, der du lehrst...."
Zu Ende dieses Kapitels führt Beda noch "um nicht von den Liebhabern des Victorius zerfleischt zu werden" Victor, Bischof von Capua (541 - 554), als Kronzeugen ein. In seinem Werk "de cvyclo paschali" hatte dieser versucht, die Osterberechnungen des Victorius zu widerlegen. Die von Beda zitierte Stelle bezieht sich auf das Jahr 550 (indictione XIII, novies proconsule Basilio). Die Verhältnisse hier sind identisch mit denen des unseligen Jahres 445. Victorius hatte, wie oben erwähnt, Möglichkeiten aufgezeigt. Dass der Heilige Stuhl auch 100 Jahre später diesen Streitfall noch nicht entschieden hatte, kann man ihm wohl nicht anlasten.
Victorius gebührt das Verdienst, den 19jährigen Zyklus der Alexandriner in die Westkirche eingeführt zu haben. Allerdings versuchte er, einen Weg zu gehen, der es allen, sowohl den Lateinern wie auch den Alexandrinern recht machen sollte, und die Fülle von Alternativen, die er angibt, machte die Bestimmung des Ostertermins nicht leichter. 541 hatte das Konzil von Orleans verordnet, dass Ostern nach seinen Tabellen gefeiert werden solle. Der Tag sollte zu Epiphanias der Gemeinde verkündet werden, und in Zweifelsfällen sollte weitergeforscht und die Entscheidung des apostolischen Stuhles umgesetzt werden. Die Heftigkeit, mit der Beda gegen die Berechnungen der Lateiner und damit auch gegen Victorius, dem er vorwirft, deren Rechenmethoden zu empfehlen, angeht, zeigt indirekt, dass deren Vorstellungen noch weithin verbreitet waren. Beda kann für sich in Anspruch nehmen, nicht zuletzt durch diese Schrift der alexandrinischen Osterrechnung ohne wenn und aber in der gesamten Christenheit Geltung verschafft zu haben
vergleiche auch:
Der Osterzyklus des Victorius
Die Ostertabelle des Victorius
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